Norm
ABGB §918Kopf
SZ 24/332
Spruch
Eine zu kurz bemessene Nachfrist ist nicht wirkungslos, sondern äußert soweit eine Wirkung, als die Leistung innerhalb einer angemessenen Frist zu vollziehen ist.
Der Schuldner kann Unangemessenheit der Nachfrist nicht einwenden, wenn er innerhalb der ihm gestellten Nachfrist seine Erfüllungsbereitschaft in keiner Weise bekundet, d. h. weder mit der Arbeit begonnen noch um eine Verlängerung der Nachfrist angesucht hat.
Entscheidung vom 5. Dezember 1951, 3 Ob 596/51.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Am 27. August 1947 kamen die Streitteile überein, daß die beklagte Partei die notwendigen Arbeiten zur Wiederinstandsetzung einer Dampfheizungsanlage im Fabriksobjekt der Klägerin samt dem Einbau eines von ihr zu beschaffenden Kessels für den Preis von 22.000 S und gegen Überlassung sämtlichen noch vorhandenen Altmaterials übernehme. Die Arbeiten sollten bis Ende Oktober 1947 fertiggestellt sein. Es wird aber nicht behauptet, daß dieser Termin fix vereinbart worden sei. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hatte die Nichterfüllung der Vereinbarung durch die beklagte Partei vorerst im Verhalten beider Streitteile ihren Grund. Es steht fest, daß infolge baulicher Veränderungen an den Pfeilern einzelne bereits montierte Heizkörper wieder abmontiert und versetzt werden mußten. Diese Ummontage hatte aber nur eine Verzögerung von einigen Tagen zur Folge. Die Klägerin hatte aber die Baumeisterarbeiten bis 20. November 1947 noch nicht vergeben, so daß die beklagte Partei den Kesseleinbau nicht hätte vornehmen können. Diese Baumeisterarbeiten wurden am 22. November 1947 begonnen und soweit vorgetrieben, daß jedenfalls Anfang Dezember 1947 der Kessel hätte eingebaut werden können. Mit Schreiben vom 18. Dezember 1947 setzte die Klägerin dem Beklagten eine Nachfrist bis Ende Dezember 1947 zur Aufstellung der Zentralheizungsanlage und Lieferung eines Warmwasserheizkessels und erklärte für den Fall der Nichteinhaltung dieser Nachfrist den Rücktritt vom Vertrag, wobei sie sich vollen Schadenersatz, insbesondere Ersatzausführung durch einen anderen Unternehmer, vorbehielt. Da die beklagte Partei die ihr obliegende Installation der Zentralheizungsanlage nicht innerhalb der Nachfrist durchführte, ließ die Klägerin diese Arbeiten durch ein anderes Unternehmen durchführen. In der vorliegenden Klage stellte sie das Begehren, die beklagte Partei zur Zahlung der Mehrkosten dieser Ersatzvornahme zu verurteilen. Das Verfahren wurde zunächst auf den Grund des Anspruches eingeschränkt.
Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil entschieden, daß die Forderung dem Gründe nach zu Recht bestehe. Das Erstgericht vertrat hiebei die Rechtsansicht, daß zwar die der beklagten Partei gesetzte Nachfrist zu kurz gewesen sei, der Klagsanspruch daher nicht auf § 918 ABGB. gestützt werden könne, wohl aber sei die klagende Partei auf Grund der Bestimmung des § 920 ABGB. zum Rücktritt berechtigt gewesen, und die beklagte Partei sei gemäß § 921 ABGB. zur Schadenersatzleistung verpflichtet.
Das Berufungsgericht bestätigte das Zwischenurteil.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der beklagten Partei nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In ihren der rechtlichen Beurteilung der Streitsache gewidmeten Ausführungen wendet sich die Revision insbesondere gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die beklagte Partei, auch wenn die Nachfrist zu kurz bemessen gewesen wäre - das Berufungsgericht nimmt ebenso wie das Erstgericht die Nachfrist als zu kurz bemessen an -, sich auf die Unangemessenheit der Frist nicht berufen könne, weil sie innerhalb der Nachfrist weder um Verlängerung der Frist angesucht noch die Fortsetzung der Arbeit in Angriff genommen habe.
Die Auffassung des Berufungsgerichtes entspricht aber ständiger Lehre und Rechtsprechung. Eine zu kurz bemessene Nachfrist ist nicht schlechthin wirkungslos, sie äußert vielmehr insoweit Wirkung, als die Leistung innerhalb angemessener Frist zu vollziehen ist.
Beide Unterinstanzen gehen davon aus, daß die Nachfrist zu kurz bemessen sei. Die Frage der Angemessenheit der Nachfrist liegt im allgemeinen auf dem der Nachprüfung des Revisionsgerichtes entzogenen tatsächlichen Gebiet. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl. 1930, S. 81, ausgesprochen hat, muß der Schuldner, dem eine Nachfrist gesetzt wird, innerhalb der Nachfrist etwas vorkehren; sei es, um die Verlängerung der Nachfrist ansuchen oder die Arbeit beginnen. Er muß in irgendeiner Weise seine Erfüllungsbereitschaft bekunden, um Verzug auszuschließen. Da, wie das Berufungsgericht, gedeckt durch das Parteivorbringen der beklagten Partei, festgestellt hat, die beklagte Partei innerhalb der Nachfrist überhaupt nicht reagiert hat, ist die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß hiedurch die beklagte Partei sich um das Recht gebracht habe, Unangemessenheit der Nachfrist einzuwenden, frei von Rechtsirrtum.
Eine unangemessene Nachfrist wäre nur dann wirkungslos, wenn von vornherein der Gläubiger die Unangemessenheit der von ihm gesetzten Frist erkannt und zu erkennen gegeben hätte, daß er auch eine innerhalb angemessener Frist erbrachte Leistung keinesfalls annehmen würde.
Anmerkung
Z24332Schlagworte
Dauer der Nachfrist, Erfüllungsbereitschaft, Nachfrist, Erfüllungsmangel Nachfrist, Leistung Nachfristsetzung, Leistungsverzug, Nachfristsetzung, mora Nachfrist, Nachfrist bei Erfüllungsmangel, Unangemessenheit, Schuldnerverzug Nachfristsetzung, Setzung einer Nachfrist, Verlängerung der Nachfrist, Vertrag Nachfristsetzung, Verzug NachfristEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1951:0030OB00596.51.1205.000Dokumentnummer
JJT_19511205_OGH0002_0030OB00596_5100000_000