TE OGH 1952/1/23 2Ob606/51

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Veröffentlicht am 23.01.1952
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Norm

ABGB §1295 (1)
ABGB §1325
ABGB §1338

Kopf

SZ 25/23

Spruch

Die Republik haftet als Gründeigentümer für den Schaden, der durch den Einsturz eines über den Wasserfall führenden Steges infolge Vermorschung der Bohlen eingetreten ist, wenn der Pächter, der bisher für die Erhaltung der Brücke sorgte, nach Ablauf des Pachtvertrages weggefallen ist.

Entscheidung vom 23. Jänner 1952, 2 Ob 606/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht gab der Klage statt und sprach der Klägerin einen Betrag von 2380.20 S an Kosten für die Bergung, die Überführung und das Begräbnis ihres am 23. Juni 1949 verstorbenen Gatten Otto B., einen weiteren Betrag von 3230 S an entgangenem Unterhalt vom Juli 1949 bis April 1950 und für die Zeit ab 1. Mai 1950 einen ziffernmäßig nicht bestimmten Unterhaltsbetrag in der Höhe der Differenz zwischen der Hälfte des Monatslohnes des Otto B. und der der Klägerin gebührenden jeweiligen Sozialversicherungsrente zu. Otto B. sei am 23. Juni 1949 beim Betreten des Steges über den Rindbachwasserfall auf die Weise verunglückt, daß die Bohlen unter ihm durchgebrochen seien und er sich beim Auffallen auf die Felsen tödlich verletzt habe. Die Brücke sei Eigentum der Beklagten gewesen. Es sei wohl bezüglich des Weges zum Rindbachwasserfall ein Pachtvertrag zwischen der Beklagten als Verpächterin und dem Verschönerungsverein Ebensee, der den Steg im Jahre 1936 errichtet habe, als Pächter geschlossen worden. Allein der Verein sei im Jahre 1938 aufgelöst worden. Ein Pachtvertrag mit der Gemeinde Ebensee sei nicht zustandegekommen. Selbst wenn es richtig wäre, daß diese Gemeinde von 1945 bis Ende 1947 den Pachtschilling bezahlt haben sollte, liege darin kein Nachweis, daß sie noch am Tage des Unfalles (23. Juni 1949) Pächterin gewesen sei. Eigentümerin der Brücke sei die Beklagte, die aus grober Fahrlässigkeit jede Schutzmaßnahme an der baufälligen Brücke unterlassen habe und aus diesem Grund zum Schadenersatz an die Klägerin verpflichtet sei (§ 1327 ABGB.). Ein Mitverschulden des Otto B. könne nicht angenommen werden.

Infolge Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil im Ausspruch über die Beträge von 2380.20 S und 3230 S und änderte es im übrigen dahin ab, daß die für die Zukunft gebührenden Unterhaltsbeträge nicht zugesprochen, sondern in ihrem Bestande nur festgestellt wurden. Der von der Beklagten herangezogene Revers aus dem Jahre 1906 betreffe in Wahrheit nicht die Pacht von Grundstücken, sondern die Einräumung eines Wegerechtes an den Verschönerungs- und Anpflanzungsverein Ebensee, der aber jetzt nicht mehr bestehe. Der Pachtvertrag mit dem Verschönerungsverein Ebensee aus dem Jahre 1934 habe sich auf den Steg nicht bezogen. Im übrigen sei der Verein im Jahre 1938 aufgelöst worden. Selbst wenn angenommen werden würde, daß der erwähnte Pachtvertrag von der Gemeinde Ebensee für die Zeit von 1938 bis 1943 und von 1944 bis 1949 je auf fünf Jahre verlängert worden wäre, könnte nach Ansicht des Berufungsgerichtes eine Haftung dieser Gemeinde für den am 23. Juni 1949 geschehenen Unfall nicht in Frage kommen, weil auch dann die Pacht bereits am 31. März 1949 geendet haben würde. Nach diesem Zeitpunkt habe die Erhaltung und Obsorge über den Steg der Beklagten als Gründeigentümerin oblegen, wobei zu bemerken sei, daß es nach der Bestimmung des § 1319 ABGB. für die Schadenersatzpflicht nicht einmal auf das Eigentum, sondern nur auf den Besitz des Werkes ankomme, durch das sich der Unfall ereignet habe. Im übrigen habe die Gründeigentümerin gemäß § 494 ABGB. auch gegenüber dem Servitutsberechtigten teilweise eine Erhaltungspflicht an den zum Weg gehörigen Anlagen. Durch die Duldung des Wegerechtes habe die Beklagte ihren Besitz nicht verloren. Sie habe es unterlassen, an dem ihr als baufällig bekannten Steg Vorkehrungen zu treffen, habe die Pflicht gehabt, die Brücke entweder zu erneuern oder wegzureißen, wenn die Warnungstafeln stets wieder durch Unbefugte entfernt worden seien, und hafte der Klägerin daher für deren Schaden. Ein Selbstverschulden des Otto B., der die Baufälligkeit des Steges nicht ohneweiters habe erkennen können, sei nicht anzunehmen. Der vom Erstgericht der Klägerin für die Zukunft zugesprochene Unterhaltsbetrag habe mangels ziffernmäßiger Bestimmtheit nicht zuerkannt, sondern nur festgestellt werden können. Dies sei zulässig gewesen, weil im Leistungsbegehren das auf Feststellung inbegriffen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit macht die Revisionswerberin geltend, daß das Berufungsgericht Feststellungen darüber, daß die Beklagte Besitzerin des Steges gewesen sei, unterlassen habe. Es hätte nach Ansicht der Revisionswerberin auch die Dauer des mit der Gemeinde Ebensee geschlossenen Pachtvertrages eingehend untersucht werden müssen. Schließlich sei das Verfahren deshalb mangelhaft, weil das Selbstverschulden des Otto B. nicht ausreichend geklärt worden sei. Zu diesen Bemängelungen ist festzustellen, daß die Revisionswerberin jeden Hinweis darauf unterlassen hat, welche Beweismittel nach ihrer Meinung zu Unrecht nicht verwertet worden seien und was aus dem an sich dürftigen Strafakt Z. 217/49 des Bezirksgerichtes Bad Ischl noch hätte entnommen werden sollen. Sie führt nicht an, welche Beweisanträge übergangen worden seien und aus welchen Beweisergebnissen sich die von ihr vermißten Feststellungen ergeben haben würden. Tatsächlich haben die Untergerichte alle zur Entscheidung notwendigen Feststellungen gemacht. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist deshalb nicht gegeben.

Was die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht betrifft, hat sich aus den Feststellungen der Untergerichte eindeutig ergeben, daß die Pacht- und Wegerechte des Verschönerungs- und Anpflanzungsvereines Ebensee und des Verschönerungsvereines Ebensee dadurch erloschen sind, daß die berechtigten Rechtssubjekte aufgelöst wurden und ein Rechtsnachfolger nicht vorhanden war. Es ist unzutreffend, daß das Berufungsgericht eine Rechtsnachfolge der Gemeinde Ebensee angenommen hätte. Das Berufungsgericht argumentierte vielmehr nur in der Richtung, daß auch dann, wenn eine Verlängerung des Pachtvertrages von 1934 durch die Gemeinde vorgenommen worden wäre, nach dem Verlängerungszeitabschnitt von 5 Jahren der Vertrag im Zeitpunkt des Unfalles jedenfalls auch erloschen gewesen wäre. Denn die Gemeinde hat einen Pachtschilling seit 1947 keinesfalls mehr entrichtet.

Nach dem Ablauf aller den fraglichen Weg und die Brücke betreffenden Vereinbarungen der Beklagten mit dritten Personen mußte jener klar sein, daß nunmehr sie als Gründeigentümerin für die Erhaltung der Brücke in dem Sinne sorgen mußte, daß durch deren Baufälligkeit kein Schaden entstehen konnte. Es bedurfte keines Übergabsaktes an die Beklagte, um deren Besitz und Eigentum an dem Steg zu begrunden. Aus der innigen Verbindung des Steges mit dem Grundstück der Beklagten ergibt sich, daß der Erbauer den Steg für die Liegenschaft dauernd widmete, als dieser im Jahre 1936 oder früher errichtet wurde. Damit ging das Eigentum daran gemäß §§ 294, 297 ABGB. auf die Gründeigentümerin über und blieb in diesem Eigentum auch nach dem Aufhören vertraglicher Bindungen der Vereine. Wenn die Beklagte und deren Aufsichtsorgane die rechtlichen Verhältnisse am Steg nicht überblickten, wäre es ihre Pflicht gewesen, rechtzeitig für deren Klärung zu sorgen. Die Beklagte ist als Gründeigentümerin jedenfalls für die aus der Baufälligkeit des Steges entstandenen Folgen verantwortlich.

Daß die Beklagte ein Verschulden trifft, weil sie in Kenntnis des überaus schlechten Bauzustandes des Steges nichts vorkehrte, um das Betreten wirksam zu unterbinden, wird von ihr nicht bestritten. Sie meint aber, daß den Otto B. ein Mitverschulden treffe, weil ihm die Baufälligkeit des Steges hätte auffallen müssen. Auch in dieser Richtung muß dem Berufungsgericht beigepflichtet werden. Nach den Feststellungen der Untergerichte war die Baufälligkeit nicht ohneweiters erkennbar und es mochte für Otto B. der Umstand von Bedeutung gewesen sein, daß er schon einmal ohne Anstand die Brücke passiert hatte. Getrenntes Gehen mehrerer Personen über einen an sich nicht besonders solid gebauten Steg läßt entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht den Schluß zu, daß dies wegen der erkennbaren Baufälligkeit geschehen wäre. Denn zu große Belastung hält ein solcher Steg auch in einwandfreiem Zustand erfahrungsgemäß nicht aus. Jedenfalls liegt kein Anhaltspunkt in der Richtung vor, daß der Gatte der Klägerin beim Betreten des Steges einen allfälligen Unfall in Kauf genommen hätte. Er konnte doch nach den Radiomeldungen und dem Fehlen von Warnungsvorkehrungen annehmen, daß der Steg tragfähig sei.

Die Revisionswerberin bekämpft auch den Zuspruch der Beträge von 2380.20 S und 3230 S nicht, bemängelt aber die Umwandlung des Leistungsurteils über die zukünftigen Rentenbeträge in ein Feststellungsurteil durch das Berufungsgericht, weil weder das eine, noch das andere Begehren zulässig sei. Denn das Klagebegehren auf Zuspruch eines Unterhaltes ab 1. Mai 1950 monatlich bis auf weiteres in der Höhe von 50% des Monatslohnes, den Otto B. bei seiner Dienstgeberin A. Maschinenfabrik AG. jeweils gehabt hätte, vermindert um die der Klägerin jeweils zustehende Sozialversicherungsrente, sei nicht bestimmt. Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß das Begehren zwar nicht bestimmt, aber späterhin bestimmbar ist und darum Gegenstand eines Feststellungsurteils sein konnte. Das ziffernmäßige Ausmaß wird vom Ergebnis eines später anzustrengenden auf Leistung zu richtenden Rechtsstreites abhängen. Ebenso werden spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage berücksichtigt werden können. Deshalb haben ja die Untergerichte nur für die Zeit "bis auf weiteres" entschieden. Daß im Leistungsbegehren zugleich das Begehren auf Feststellung enthalten ist und daß deshalb auf Grund einer Leistungsklage das zugrunde liegende Recht auch nur festgestellt werden kann, hat schon die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes v. 7. Oktober 1936, SZ. XVIII/165, (dazu Schima, Rsp. 1936 Nr. 355) ausgesprochen. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist anzunehmen, weil die Beklagte jegliche Schadenersatzpflicht abgelehnt hat.

Anmerkung

Z25023

Schlagworte

Brücke, Einsturz, Schadenersatz, Gründeigentümer, Haftung für Einsturz einer Brücke, Schadenersatz Einsturz einer Brücke

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0020OB00606.51.0123.000

Dokumentnummer

JJT_19520123_OGH0002_0020OB00606_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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