Norm
Beamtenüberleitungsgesetz §8 (2)Kopf
SZ 25/30
Spruch
Spruchrepertorium Nr. 34.
Wird ein Angestellter eines Sozialversicherungsträgers gemäß § 14 oder § 21 VG. 1945 entlassen und stellt sich nachträglich die Entlassung als nicht gerechtfertigt heraus, so hat er, obwohl keine ausdrückliche Versetzung in den Ruhestand stattgefunden hat, vom Zeitpunkt der Empfangnahme der Entlassungserklärung Anspruch auf Pension, wofern er in diesem Zeitpunkt bereits pensionsberechtigt war.
Entscheidung vom 5. Februar 1952, 4 Ob 5/52.
I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Kläger ist Minderbelasteter im Sinne des § 17 Abs. 3 des Nationalsozialistengesetzes 1947, BGBl. Nr. 25/1947. Er trat am 1. Oktober 1928 in den Dienst der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei. Mit Schreiben der beklagten Partei vom 7. August 1945 wurde er in Kenntnis gesetzt, daß auf Grund des Verbotsgesetzes 1945 (VG.) sein Dienstverhältnis im Sinne der §§ 4 und 21 mit 7. August 1945 fristlos durch Entlassung gelöst sei. Mit dem Schreiben vom 5. September 1947 hob die Beklagte die ausgesprochene Entlassung auf und versetzte den Kläger mit Wirkung vom 1. März 1947 in den dauernden Ruhestand, wobei sie ihm auch das Ausmaß des Ruhegenusses bekanntgab.
Der Kläger vertritt die Ansicht, daß die Entlassung rechtsunwirksam sei, und verlangt von der Beklagten die Bezahlung seiner Aktivitätsbezüge für die Zeit vom 1. August 1945 bis 30. September 1947 in Höhe von 22.976.86 S samt Anhang, nunmehr infolge zwischenzeitiger Zahlung eingeschränkt auf 18.946.76 S samt Anhang.
Das Arbeitsgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß der Anspruch des Klägers dem Gründe nach zu Recht bestehe. Es stellte in tatsächlicher Beziehung folgendes fest:
Der Kläger wurde am 21. März 1941 mit Wirkung vom 1. September 1938 unkundbar angestellt. Er war nicht illegales Mitglied der NSDAP und gehörte auch nicht der Nationalsozialistischen Betriebszelle zwischen 1934 - 1938 an. Er wurde im Jahre 1938 nur deshalb auf leitenden Posten (Abteilungsleiter) gestellt, weil er als Vertreter der sogenannten "völkischen Richtung" galt. In der Folge hatte er politische Schwierigkeiten, weil er sich weigerte, einen "höheren Mitgliedsbeitrag" an die NSV zu zahlen. Er hat sich auch nicht freiwillig am Jugoslawieneinsatz beteiligt, sondern wurde dienstverpflichtet. Er ist auch sonst durch ein besonders markantes Verhalten als Nationalsozialist oder durch eine besonders betonte Vertretung des nationalsozialistischen Ideengutes nicht in Erscheinung getreten. Als Vorgesetzter hat der Kläger über den Angestellten S. an die damalige Leitung der Allgemeinen Ortskrankenkasse für Steiermark einen dienstlichen Bericht verfaßt, in dem die unzureichende Arbeitsweise des S. mit dessen minderer Begeisterung für den Nationalsozialismus motiviert wird. Dieser Bericht hatte für den Angestellten S. keine politischen Nachteile. Zwischen dem Kläger und S. bestanden dienstliche Differenzen, die offenbar weiter zurückreichen. Überdies hatte sich S. selbst um die Mitgliedschaft bei der NSDAP beworben. Das gegen den Kläger wegen Verdachtes der Denunziation nach § 7 Abs. 1 Kriegsverbrechergesetz (KVG.), StGBl. Nr. 32/1945, eingeleitete Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO. eingestellt.
Auf Grund dieser Feststellungen kam das Erstgericht zu dem Schluß, es sei der Beklagten der ihr obliegende Beweis, daß der Kläger auf Grund seiner bisherigen Betätigung keine Gewähr für ein rückhaltloses Eintreten für die unabhängige Republik Österreich biete (§ 21 VG. 1945), nicht gelungen. Die Entlassung des Klägers sei daher rechtswidrig gewesen. Eine Umdeutung der Entlassung in eine Kündigung zum nächsten zulässigen Termin komme nicht in Frage. Die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Entlassung habe zur Folge gehabt, daß das Dienstverhältnis des Klägers wieder auflebte. Der Kläger habe daher als Angestellter der Beklagten wieder Anspruch auf Aktivitätsbezüge, solange sein Dienstverhältnis nicht durch Pensionierung, die erst mit dem Schreiben vom 5. September 1947 ausgesprochen wurde, ordnungsgemäß beendet worden sei. Die Zulässigkeit einer rückwirkenden Pensionierung mit 1. März 1947 wurde vom Erstgericht verneint, weil nach den Bestimmungen der Gemeinsamen Dienstordnung für die Bediensteten der ehemals österreichischen Sozialversicherung (GDO.) der Bezug des Ruhegehaltes mit dem Tage des Monats beginnt, der der Versetzung in den Ruhestand folgt.
Der dagegen von der beklagten Partei ergriffenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes und schloß sich im wesentlichen auch dessen Beurteilung in rechtlicher Hinsicht an.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge und erkannte mit Zwischenurteil, daß dem Kläger der Anspruch auf Pensionsbezüge für die Zeit vom 1. August 1945 bis 30. September 1947 zusteht.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe:
Die Revision vertritt entsprechend den von ihr gestellten Revisionsanträgen die Ansicht:
1. Daß die mit ihrem Schreiben vom 7. August 1945 ausgesprochene Entlassung des Klägers im Gründe der Bestimmung des § 21 VG. 1945 gerechtfertigt gewesen sei und das demgemäß der vom Kläger erhobene Anspruch überhaupt unbegrundet sei;
2. daß dem Kläger auch im Falle, als seine Entlassung rechtswidrig erfolgt sein sollte, die Aktivitätsbezüge nur für die Kündigungsfrist, d. i. für die Zeit vom 1. August 1945 bis 31. März 1946, zustehen, weil der Kläger nicht unkundbar angestellt und pensionsberechtigt gewesen sei;
3. daß der Kläger selbst bei der Annahme, daß seine Entlassung rechtsunwirksam war und daß er unkundbar angestellt und pensionsberechtigt gewesen sei, für die Zeit vom 1. August 1945 bis 30. September 1947 nicht die vollen Aktivitätsbezüge, sondern nur die Pensionsbezüge verlangen könne, weil durch die Entlassungserklärung vom 7. August 1945 das Dienstverhältnis jedenfalls aufgelöst wurde und hiedurch schon der Anspruch des Klägers auf Ruhegenuß entstanden sei.
Der Oberste Gerichtshof vermag sich den Anschauungen der Revisionswerberin nicht in allen Punkten anzuschließen.
Zu 1.: Hier legt die Revision das Schwergewicht auf den Fall S., der, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, seiner Wirksamkeit als Auflösungsgrund nach § 21 VG. 1945 dadurch nicht beraubt wäre, daß ihn die beklagte Partei zur Zeit, als sie die Entlassung des Klägers aussprach, noch nicht gekannt hat. Es kann in diesem Zusammenhang gleich beigefügt werden, daß selbst dann, wenn die Entlassungserklärung vor dem Wirksamwerden des Verbotsgesetzes 1945 im Lande Steiermark abgegeben worden wäre, dieser Umstand die Befugnis der Beklagten, die Berechtigung der Entlassung des Klägers nach § 21 VG. 1945 nachzuweisen, nicht zu schmälern vermöchte.
Die Revision meint, daß in dem Bericht, den der Kläger über S. am 29. August 1941 erstattete, der Versuch des Verbrechens der Denunziation nach § 7 KVG. gelegen sei, was aber unter allen Umständen die politische Untragbarkeit des Klägers im Sinne des § 21 VG. 1945 zur Folge habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß das Verfahren gegen den Kläger wegen § 7 KVG. nach § 90 StPO. eingestellt wurde. Das Wesen der Denunziation besteht darin, daß jemand einen anderen angibt, ohne daß ihn dazu eine Pflicht trifft oder ein rechtlich anerkanntes Interesse besteht (4 Os 30/46). Den erwähnten Bericht hat nun der Kläger in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter des S. erstattet. In diesem Bericht weist der Kläger nach, daß S. in seinem Referat unverhältnismäßig große Rückstände angehäuft und daß er in zahlreichen, vom Kläger überprüften Fällen die Hereinbringung der Außenstände nicht so verfolgt habe, wie dies geboten gewesen sei. Am Schlusse seines Berichtes gibt der Kläger seiner Überzeugung Ausdruck, daß die unzulängliche Arbeitsleistung des S., der für den Nationalsozialismus nichts übrig habe, stark durch seine nichtentsprechende politische Einstellung beeinflußt werde. Das Berufungsgericht bezeichnet diese Bemerkung als überflüssig und ungehörig, legt ihr aber ebenso wie das Erstgericht nicht jene Bedeutung bei, die den Kläger im Sinne des § 21 VG. 1945 als untragbar erscheinen ließe. Dieser Ansicht ist beizupflichten. Von einer versuchten Denunziation, wie die Revision meint, kann keine Rede sein, da das Beweisverfahren nicht den geringsten Anhalt geboten hat, daß der Bericht des Klägers aus einer politischen Gehässigkeit heraus diktiert war und daß der Kläger hiedurch die Absicht verfolgte, S. zu schädigen. Aus diesem Verhalten des Klägers können somit begrundete Schlüsse auf seine politische Untragbarkeit nicht gezogen werden.
Aber auch der Bericht des Klägers vom 7. Feber 1942 (Beilage 2) läßt einen solchen Rückschluß nicht zu. Denn aus ihm tritt das Bemühen des Klägers augenfällig zutage, seine politische Verläßlichkeit gegenüber der damaligen nationalsozialistischen Leitung der Allgemeinen Ortskrankenkasse unter Beweis zu stellen und einen Bericht des Abteilungsleiters L. über seine politische Einstellung vor dem Umbruch zu entkräften, der besagt, daß der Kläger im Jahre 1929 von der sozialdemokratischen Verwaltung der Gebietskrankenkasse J. wegen seiner Zugehörigkeit zum deutschvölkischen Turnverein gekundigt wurde und die Rücknahme seiner Kündigung nur durch die Abgabe des Ehrenwortes, sich nicht mehr für die deutschvölkische Sache zu betätigen und aus dem Turnverein auszutreten, erreichen konnte. An dieses Ehrenwort habe sich Kläger ebenso wie an die der Regierung Dollfuß und Schuschnigg geleisteten Eide für gebunden erachtet und habe sich deshalb weder einer völkischen Bewegung noch der NSDAP angeschlossen. Eine solche Einstellung des Klägers, der, wie festgestellt wurde, tatsächlich in der Verbotszeit weder der NSDAP. noch einer Nationalsozialistischen Betriebszelle angehörte, spricht aber zugunsten des Klägers. Denn wenn der Kläger zu jenen Charakteren gehört, die ein gegebenes Ehrenwort oder einen geleisteten Eid zu halten pflegen, dann kann von ihm auch erwartet werden, daß er auch einen der unabhängigen Republik Österreich geleisteten Eid achten werde. Auch die im Zeitpunkt der Entlassung des Klägers bestandenen Verhältnisse können zu einer anderen Beurteilung nicht führen. Das, was die Beklagte gegen den Kläger vorbringt, reicht bei richtiger Gesetzesanwendung noch nicht aus, um ihm die im § 21 VG. 1945 geforderte Gewähr abzusprechen. Mit Recht sind daher die Untergerichte zu dem Ergebnis gekommen, daß die am 7. August 1945 ausgesprochene Entlassung des Klägers rechtunwirksam war. In dieser Richtung haftet somit dem angefochtenen Urteil ein Rechtsirrtum nicht an.
Zu 2.: Wenn die Beklagte, nachdem sie mit Schreiben vom 5. September 1947 den Kläger mit 1. März 1947 in den Ruhestand versetzt und ihm einen Ruhegenuß angerechnet hat, nunmehr in der Revision die Pensionsberechtigung des Klägers bestreitet, so wird dieser Standpunkt der Revision auch durch das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsschrift nicht verständlich, daß sie das Pensionsschreiben lediglich irrtümlich in dieser Form an den Kläger gerichtet habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Revisionsbeantwortung meint, in diesem Schreiben nicht etwa schon ein Anerkenntnis der Pensionsberechtigung des Klägers gelegen ist.
Wie feststeht, wurde der Kläger am 21. März 1941 von der Allgemeinen Ortskrankenkasse für Steiermark in Graz, der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, mit 1. September 1938 als unkundbar angestellt. Die Revision meint nun in Wiederholung ihres bereits in der Berufungsschrift vorgetragenen Rechtsstandpunktes, daß diese Unkundbarstellung rechtsunwirksam sei, weil die darin gelegene inseitige Besserung der Arbeitsbedingungen mangels Zustimmung des Reichstreuhänders der Arbeit nach den Lohnstopbestimmungen und überdies gemäß § 357 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO.) nichtig gewesen sei.
Weil ihre Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Unkundbarstellung des Klägers vom Berufungsgericht nicht untersucht wurden, sei hierin nach Ansicht der Revision auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gelegen. Dieser Standpunkt der Revision ist nicht haltbar. Das erwähnte Schreiben vom 21. März 1941 besagt ausdrücklich, daß die unkundbare Anstellung des Klägers deshalb erfolgte, weil er die Voraussetzungen für die unkundbare Anstellung im Sinne der für ihn in Geltung stehenden Dienstordnung erfüllt habe. Im zweiten Absatz dieses Schreibens wird ferner erklärt, auf den Kläger haben damit auch, sofern dies nicht schon früher geschehen sei, die Bestimmungen, betreffend die Ruhe- und Versorgungsgenüsse des IV. Abschnittes der auf Grund der Verordnung der Bundesregierung vom 10. April 1933, BGBl. Nr. 125, erlassenen Bezugsordnung Anwendung zu finden. Es handelt sich somit nicht, wie die Revision meint, um eine einseitige Besserung der Arbeitsbedingungen des Klägers, die zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Reichstreuhänders der Arbeit allenfalls bedurft hätte. Es liegt aber auch eine Nichtigkeit im Sinne des § 357 Abs. 3 RVO. nicht vor, die nur dann gegeben wäre, wenn eine Bestimmung des Anstellungsvertrages der Dienstordnung zuwiderläuft. Selbst wenn man annehmen wollte, daß die erstmalig in der Berufungsschrift von der Beklagten aufgestellte Behauptung von der Nichtigkeit der Unkundbarstellung des Klägers im Sinne des § 357 Abs. 3 RVO. die Behauptung in sich einschlösse, der Kläger habe im Zeitpunkt seiner Unkundbarstellung die Voraussetzungen für eine unkundbare Anstellung im Sinne der bestandenen Dienstordnung nicht erfüllt, so wäre die Beklagte für diese Behauptung beweispflichtig. Nun hat sich aber die Beklagte selbst, wie aus dem Verhandlungsprotokoll vom 2. Juni 1950 hervorgeht, zum Beweis darüber, daß der Kläger erst ab 1. September 1938 unkundbar angestellt worden sei, auf das von ihr vorgelegte Schreiben der Allgemeinen Ortskrankenkasse für Steiermark in Graz vom 21. März 1941 (Beilage 6) berufen. Sie hat im ganzen Verfahren die Richtigkeit dieses Schreibens nicht bestritten und insbesondere auch keine Beweise zur allfälligen Widerlegung der in diesem Schreiben beurkundeten Tatsache, daß die Unkundbarstellung des Klägers der bestehenden Dienstordnung zuwider vorgenommen wurde, angeboten. Die beklagte Partei kann sich daher nicht darauf berufen, daß das Berufungsverfahren an einem Mangel leide, wodurch eine erschöpfende Erörterung und grundliche Beurteilung der Streitsache verhindert wurde. Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt somit nicht vor.
Wird nun aber davon ausgegangen, daß der Kläger mit dem Schreiben vom 21. März 1941 gemäß den Bestimmungen der für ihn in Geltung gestandenen Dienstordnung unkundbar angestellt wurde, dann kann weder von einem Verstoß gegen den allgemeinen Lohnstop (vgl. zweite Durchführungsbestimmung zum Abschnitt III der KWVO. vom 12. Oktober 1939, DRGBl. I S. 2028, sowie die Verwaltungsanordnung des Reichsarbeitsministers vom 7. November 1939, RArb. Bl. I S. 527) noch von einer Nichtigkeit im Sinne des § 357 Abs. 3 RVO. die Rede sein. Damit ist aber allen weiteren rechtlichen Schlußfolgerungen, die die Revision aus der vermeintlichen Nichtigkeit der Unkundbarstellung des Klägers ableitet, der Boden entzogen. Als Rechtsnachfolgerin der Allgemeinen Ortskrankenkasse für Steiermark in Graz ist die Beklagte verpflichtet, die rechtswirksame Unkundbarstellung des Klägers anzuerkennen.
Es liegt daher auch zu diesem Punkt der geltend gemachte Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht vor.
Zu 3: Die Revision vertritt, indem sie sich hiebei auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. Dezember 1950, 4 Ob 98/50 stützt, die Meinung, daß es bei einem privatrechtlichen Dienstverhältnis nicht erst eines Pensionierungsbescheides bedürfe, um die Rechtswirkungen der Versetzung in den Ruhestand herbeizuführen, sondern daß vielmehr der Pensionsanspruch entstehe, sobald die gesetzlichen oder vertragsmäßigen Voraussetzungen dafür vorliegen ohne Rücksicht darauf, ob und wann der Dienstgeber dieses Eintreten der Voraussetzungen des Pensionsanspruches dem Dienstnehmer noch ausdrücklich (deklarativ) mitteilt. Es sei daher bereits die Entlassungserklärung vom 7. August 1945 als eine Erklärung über das Ausscheiden des Klägers aus dem Dienstverhältnis gemäß § 8 Abs. 2 Beamtenüberleitungsgesetz (BÜG.), StGBl. Nr. 134/1945, rechtswirksam, wodurch das Dienstverhältnis des Klägers aufgelöst und sein Anspruch auf Ruhegenuß existent geworden sei, ohne daß es dazu einer konstitutiven Erklärung der beklagten Partei über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand bedurft hätte.
In diesem Punkt ist die Revision begrundet. Die Frage, ob eine unwirksame Entlassung als Pensionierung aufrechterhalten werden kann, ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bisher nicht einheitlich entschieden worden; verneinend z. B. die Entscheidungen 4 Ob 55/49, JBl. 1950 S. 65; 4 Ob 1/50, JBl. 1951 S. 91; 4 Ob 30/51 u. a.; bejahend die Entscheidung 4 Ob 98/50. Nach neuerlicher Überprüfung der Frage kommt das Revisionsgericht zu dem Ergebnis, daß nur die letzterwähnte Rechtsauffassung mit der Ratio des § 8 BÜG. vereinbar ist.
§ 8 Abs. 1 BÜG. verlangt, daß nicht übernommene Beamte aus dem Dienstverhältnis auszuscheiden sind, Abs. 2 fügt hinzu, daß pensionsberechtigte, nicht übernommene Dienstnehmer unter einem in den Ruhestand zu versetzen sind. Nur der Ausscheidung kann eine rechtsgestaltende Wirkung zukommen, da ein Pensionsanspruch kraft Gesetzes gebührt, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, sobald eine Ausscheidung erfolgt ist; eine konstitutive Wirkung kommt der Pensionierung nur im Fall des § 8 Abs. 2 lit d BÜG. zu, da in diesem Fall die Versetzung in den Ruhestand und die Gewährung einer Pension nur Ermessenssache ist und daher erst durch die Versetzung in den Ruhestand die Pensionierungswirkungen eintreten. In den anderen Fällen sind die rechtlichen Wirkungen der Ausscheidung eindeutig bestimmt und kann daher die Ausscheidung deshalb noch nicht als unwirksam angesehen werden, weil die Behörde irrtümlich die Ausscheidung mit einer unrichtigen Rechtswirkung verknüpft hat. Die Ausscheidung und die Versetzung in den Ruhestand können auch in den Zuständigkeitsbereich verschiedener Behörden fallen (Erk. d. VerwGH., amtl. Slg. N. F. 782, 1735 u. a. m.). Die Vorschrift der ausdrücklichen Pensionierung in § 8 Abs. 2 BÜG. ist bloße Ordnungsvorschrift, um das weitere beamtenrechtliche Verhältnis der nicht übernommenen Bediensteten klarzustellen, aber kein das Rechtsverhältnis des Ausgeschiedenen neu gestaltender Verwaltungsakt. Es fehlt jede Ratio, die Ausscheidung nur deshalb auch für unwirksam anzusehen, weil der damit verbundene weitere Akt, z. B. die Entlassung, unwirksam ist. Ist aber die Ausscheidung, auch wenn keine weiteren Rechtsfolgen damit verbunden wurden - oder eine unrichtige - wirksam, so ist damit auch das aktive Dienstverhältnis beendet und bleibt nur noch die Frage zu erörtern, welche Wirkung sich an die Ausscheidung knüpft. Diese ist aber im Gesetz eindeutig festgesetzt. Der Umstand, daß die Behörde es rechtswidrig unterlassen hat, die im Gesetz vorgesehene Pensionierung auszusprechen, kann den aus dem Dienststand ausgeschiedenen Bediensteten nicht um seine Pensionsbezüge bringen. Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß jede wirksame Ausscheidung wegen Nichtübernahme in den Dienststand die Rechtswirkungen einer Pensionierung hat, sofern die Voraussetzungen vorliegen, auch dann, wenn eine ausdrückliche Versetzung in den Ruhestand unterblieben ist.
Nach § 46 SV.-ÜG. gelten die hier entwickelten Auslegungen des § 8 BÜG. auch für die Angestellten der Sozialversicherungsträger. Auch diese sind, wenn sie nicht in den neuen Dienststand übernommen werden, auszuscheiden (§ 46 Abs. 1 Z. 3 SV.-ÜG.) und nach den für die einzelnen Kategorien dieser Angestellten geltenden Vorschriften (ATO., GDO.) zu kundigen oder in den Ruhestand zu versetzen. Da der Kläger unkundbarer Angestellter war, so hätte er gemäß N 7, Anlage zur Gemeinsamen Dienstordnung, Abschnitt I N 3, in den Ruhestand versetzt werden sollen, wofern die Voraussetzungen für den Bezug eines Ruhegenusses vorliegen. Nun ist es wohl richtig, daß eine Pensionierung des Klägers am 7. August 1945 nicht erfolgt ist, sondern daß Beklagte sich darauf beschränkt hat, den Kläger zu entlassen. In der Entlassungserklärung liegt aber, wie oben ausgeführt, die Erklärung, einen Bediensteten nicht in den neuen Dienststand übernehmen zu wollen. Wer einen Angestellten entläßt, der bringt damit klar zum Ausdruck, daß er ihn aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidet und nicht gewillt ist, ihn im Dienststand zu behalten, ihn also, wenn ein neuer Dienststand aufgestellt worden ist, in diesen nicht übernimmt. Das genügt aber. Die Auflösung eines Dienstverhältnisses ist nicht an die Verwendung bestimmter Worte geknüpft. Daß die zweite von § 8 Abs. 2 BÜG., bzw. N 7 der Anlage zur Gemeinsamen Dienstordnung verlangte Verfügung, nämlich die Versetzung in den Ruhestand, nicht erfolgt ist, ist bedeutungslos, weil mit Rücksicht auf die Pensionsberechtigung des Klägers eine andere Folgerung aus der Ausscheidungserklärung nicht gezogen werden konnte. Durch die Ausscheidung ist Kläger pensionsberechtigt geworden; der Umstand, daß die Pensionierung nicht ausgesprochen wurde, sondern Beklagte ihn entlassen hat, kann ihn nicht um sein Pensionsrecht bringen.
Es war daher wie oben zu erkennen.
Der Kostenausspruch stützt sich auf § 52 ZPO.
Unter einem hat der IV. Senat beschlossen, nachstehenden Rechtssatz unter Nr. 34 in das Spruchrepertorium einzutragen:
"Wird ein Angestellter eines Sozialversicherungsträgers gemäß § 14 oder § 21 VG. 1945 entlassen und stellt sich nachträglich die Entlassung als nicht gerechtfertigt heraus, so hat er, obwohl keine ausdrückliche Versetzung in den Ruhestand stattgefunden hat, vom Zeitpunkt der Empfangnahme der Entlassungserklärung Anspruch auf Pension, wofern er in diesem Zeitpunkt bereits pensionsberechtigt war."
Anmerkung
Z25030Schlagworte
Angestellter, ungerechtfertigte Entlassung gilt als Pensionierung, Entlassung ungerechtfertigte, gilt als Pensionierung, Pension eines ungerechtfertigt entlassenen Angestellten, Sozialversicherungsträger, Pensionsanspruch des ungerechtfertigt, entlassenen AngestelltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0040OB00005.52.0205.000Dokumentnummer
JJT_19520205_OGH0002_0040OB00005_5200000_000