TE OGH 1952/2/20 1Ob140/52

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Veröffentlicht am 20.02.1952
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Norm

ABGB §1056
Handelsgesetzbuch §346
Handelsgesetzbuch §§373 ff
ZPO §488
ZPO §498
ZPO §503 Z2

Kopf

SZ 25/46

Spruch

Daß der Erstrichter bestimmte von einem Zeugen bestätigte Tatsachen als festgestellt angesehen hat, berechtigt das Berufungsgericht nicht, ohne Beweiswiederholung weitere Umstände, die der Zeuge angeführt hat, als erwiesen anzunehmen. Unanwendbarkeit der Bestimmungen des ABGB. über die Bestimmtheit des Kaufpreises kraft Handelsgewohnheitsrecht auf Handelskäufe.

Die Preisbestimmung kann dem Verkäufer überlassen werden; dies gilt aber nur unter der Voraussetzung, daß die nachträgliche Preisfestsetzung nicht offenbar unbillig ist.

Entscheidung vom 20. Februar 1952, 1 Ob 140/52.

I. Instanz: Landes- als Handelsgericht Linz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Klägerin war vom Bundeskanzleramt beauftragt, ERP-Lieferungen im eigenen Namen nach den Weisungen des Bundeskanzleramtes zu verkaufen. Im Jänner 1948 hat die Klägerin aus der Canada-Hilfe Salzheringe an Fischverarbeitungsbetriebe zur Erzeugung von Fischmarinaden geliefert, darunter an die Beklagte am 18. Feber 1948 25.000 kg. Vorläufiger Verrechnungspreise S 0.90 pro Kilogramm; Betrag 22.950 S. Am 28. Mai 1948 übersandte die Klägerin eine Richtigstellung auf den endgültigen Verrechnungspreise laut Weisung des Bundeskanzleramtes Österreichhilfe u. zw. über eine Preisdifferenz von S 34.042.50. Mit Schreiben vom 21. Juni 1948 hat Beklagter gegen die Nachtragsforderung von zirka 34.000 S protestiert und erklärt, daß er die von der Klägerin geforderte Nachzahlung nur dann leisten könne, wenn Beklagter die Verluste aus einer Ausgleichskasse an ihn rückvergüte. Klägerin hat sich dazu nicht bereit erklärt und den angeführten Differenzbetrag eingeklagt. Beklagter hat im Laufe des Prozesses eine Nachzahlung von 10 S pro 100 kg anerkannt, worauf Teilanerkenntnisurteil über 2550 S s. A. erfolgte.

Den restlichen strittigen Betrag von 31.492.50 S s. A. wies das Erstgericht ab.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt.

Der Oberste Gerichtshof hob auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht erblickt die Revision einen Verfahrensmangel darin, daß das Berufungsgericht, ohne den Zeugen W. neuerlich zu vernehmen, ergänzende Feststellungen aus dem vorliegenden Zeugenprotokoll erster Instanz vorgenommen hat. Dadurch hat das Berufungsgericht das Prinzip der Unmittelbarkeit verletzt, auf dem unsere Prozeßordnung beruht. Der Umstand, daß die erste Instanz bestimmte Tatsachen, die ein Zeuge bestätigt hat, als erwiesen angenommen hat, berechtigt die zweite Instanz nicht, auch weitere Umstände, die der Zeuge angegeben hat, ohne Beweiswiederholung festzustellen, weil eine Zeugenaussage in dem einen Punkt glaubwürdig sein kann, im anderen aber nicht. Ergänzende Feststellungen durch die Berufungsinstanz sind daher nur nach Beweiswiederholung zulässig. Die in der älteren Praxis des Obersten Gerichtshofes bisweilen vertretene laxere Auffassung des Unmittelbarkeitsprinzipes kann nicht aufrechterhalten werden.

In rechtlicher Beziehung führte das Revisionsgericht aus, daß der Vertrag unter der Bedingung der nachträglichen endgültigen Preisfestsetzung zustandegekommen ist und fuhr dann fort:

Das ist ohneweiters zulässig, da die engen Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches über die Bestimmtheit des Preises, die aus dem römischen Recht stammen und in keinem anderen modernen Recht außer dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch heute noch gelten, gemäß Handelsgewohnheitsrecht auf Handelskäufe nicht anwendbar sind.

Dabei handelt es sich keineswegs, wie Beklagter annimmt, um die Preisbestimmung durch einen Dritten. Dem Beklagten gegenüber erfolgte die Preissetzung durch die Verkäuferin, die Klägerin. Daß diese als Verkaufskommissionarin intern an die Weisungen ihres Kommittenten, des Bundeskanzleramtes, gebunden war, ist nach außen hin, dem Dritten gegenüber, auch dann rechtlich irrelevant, wenn diesem bekannt war, daß nicht die Verkäuferin, sondern ihr Kommittent den Preis tatsächlich bestimmt. Wie bei jedem Kommissiongeschäft war für den Beklagten nur die nach außen gerichtete Erklärung des Verkaufskommissionärs, also des formellen Verkäufers maßgebend.

Die Unterwerfung unter die Preisbestimmung des Verkäufers bedeutet aber noch nicht, daß deshalb der Käufer unter allen Umständen jeden Preis zahlen müßte, den dieser bestimmt. Die Preisunterwerfung erfolgt immer unter der subintelligierten Bedingung, daß die festgesetzte Preisbestimmung nicht offenbar unbillig ist und das Ausmaß dessen überschreitet, womit der Käufer überhaupt hätte rechnen können. Obwohl nun der Beklagte die Preisfixierung seit der Klagebeantwortung als übermäßig, insbesondere mit Rücksicht auf die mindere Qualität der Ware, bestritten hat, haben die unteren Instanzen die Frage der Unbilligkeit der Preisbestimmung nicht erörtert. Dadurch ist das Verfahren mangelhaft geblieben und mußten daher gemäß § 510 ZPO. beide untergerichtlichen Urteile aufgehoben werden.

Anmerkung

Z25046

Schlagworte

Beweiswiederholung durch Berufungsgericht, keine ergänzenden, Feststellungen, Handelsgewohnheit, Bestimmung des Kaufpreises, Kaufpreis, Bestimmung dem Verkäufer überlassen, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, keine Ergänzung aus den Akten durch, Berufungsgericht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00140.52.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19520220_OGH0002_0010OB00140_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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