Norm
ABGB §1091Kopf
SZ 25/61
Spruch
SPRUCHREPERTORIUM Nr. 35.
§ 7 KSch-AusfV. vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, ist auf Bestandverträge über Räume, die für Zwecke des Betriebes eines Unternehmens geeignet und eingerichtet sind, beschränkt, insoweit nicht bereits ein Kündigungsschutz für derartige Bestandverträge vorgesehen ist. Unternehmensverpachtungen unterliegen nicht dem Kündigungsschutz.
Entscheidung vom 12. März 1952, 1 Ob 707/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Die Unterinstanzen haben festgestellt, daß die Klägerin (Hauseigentümerin) die Inhaberin einer Kaffeehauskonzession ist, die mit den Geschäftsräumen und der Einrichtung von der Beklagten 1937 "gepachtet" wurde. Die Klägerin hat das Pachtverhältnis mit der Begründung aufgekundigt, daß das Photogewerbe ihres Gatten für sich allein "nicht mehr lebensfähig" sei, die Klägerin die Einkünfte ihres Hauses für Reparaturen verbrauche, weshalb sie nunmehr die Konzession selbst ausüben wolle. Das Photogewerbe wird im klagsgegenständlichen Hause (Nr. 21) ausgeübt, das sich in einer Hauptstraße L.'s befindet, u. zw. verteilt auf die Vorderfront (Photogeschäft) und auf die Hoffront (Betriebsräume). Das Atelier wird in derselben Straße im Hause Nr. 19 geführt. Die Räumlichkeiten entsprechen nach den Feststellungen der Untergerichte bis auf das Photogeschäft - zum größten Teil - nicht den Anforderungen der Hygiene und sind außerdem für den Gesundheitszustand des Gatten der Klägerin, der an einem chronischen Bronchialkatarrh und an Ischias leidet, völlig ungeeignet. Hinsichtlich der beklagten Partei steht fest, daß sie das Gewerbe in dem aufgekundigten Kaffeehaus (Küche, Gastzimmer und Keller) betreibt und daß sie in der benachbarten Gemeinde Niklasdorf ein Haus besitzt, das ihr keine Erträgnisse abwirft und in dessen Geschäftslokal ein Gemischtwarenhandel von einer dritten Person betrieben wird.
Die Kündigung spricht vom Kündigungsgrund der "Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz" der Klägerin (ohne den Kündigungsgrund ziffernmäßig zu benennen) und meint, daß die beklagte Partei entweder in N. ein Kaffeehaus in dem an einen Gemischtwarenhändler vermieteten Lokal oder in diesem Lokal den Gemischtwarenhandel selbst betreiben könne.
Das Erstgericht beurteilt die Kündigung als eine solche nach dem ersten Absatz des § 19 MietG., dies in der Erwägung, daß sich die Kündigung auf die Gefährdung der Existenz der klagenden Partei stütze, und daß auch die Gesundheit des Gatten der Klägerin gefährdet sei, wenn er gezwungen werde, in den gesundheitsschädlichen Räumen sein Photogewerbe weiter auszuüben. Das Erstgericht hat jedoch aus folgenden Gründen die Kündigung aufgehoben: Obwohl festgestellt sei, daß das Arbeiten in den derzeitigen Betriebsräumen des Gatten der Klägerin für diesen gesundheitsschädlich sei, so stehe doch fest, daß der Gatte der Klägerin sehr oft auswärts sei und in seinem Betrieb ein Auto laufen habe, ferner, daß er sich auf auswärts stattfindende Schulaufnahmen spezialisiert habe und daß die Hofräumlichkeiten im Hause Nr. 21 praktisch leerstehen, früher vom Gatten der Klägerin benützt wurden, der während des Krieges noch 5 - 10 Angestellte (gegenüber heute 3 - 4 Hilfskräfte) beschäftigte. Das Erstgericht hielt dafür, daß es den dringenden Eigenbedarf der Klägerin unter diesen Umständen verneinen müsse, weil die Verlegung des Ateliers aus dem Hofgebäude des Hauses Nr. 19 auch in anderer Form zu bewerkstelligen sei und somit der bedrängten Lage des Gatten der Klägerin auch anders gesteuert werden könne, als durch Kündigung des Pachtvertrages der Beklagten. Es seien, so meint das Erstgericht, in jedem Falle Reparaturen und Adaptierungen notwendig, sie seien aber auch dann notwendig, wenn die Klägerin selbst das Kaffeehausgewerbe betreiben wolle, und insbesondere auch dann, wenn sie das Kaffeehaus, das bisher von der Beklagten geführt wurde, nunmehr selbst als "Espresso" betreiben wolle. Die Begründung der Kündigung sei schon deshalb schwer verständlich, weil entweder der Gesundheitszustand und die Unbenützbarkeit der Räume des Photobetriebes das Entscheidende seien oder der schlechte Geschäftsgang, der aber zufolge der Art, wie der Gatte der Klägerin sein Photogewerbe ausübe, zu verneinen sei, weshalb eine Umstellung des Photobetriebes auf einen Kaffeehausbetrieb nicht in Frage komme. Beide Forderungen aber, das Betreiben eines zweiten Gewerbes und die Erlangung von besseren Räumen für das Photogewerbe seien miteinander nicht vereinbar, weshalb der Kündigung schon deshalb der Erfolg versagt werden müsse, weil die Klägerin das bisherige Photogeschäft (Straßenlokal) als Espresso verwenden wolle und die bisherigen Kaffeehausräumlichkeiten der Beklagten als Photogeschäft. Zu all dem komme aber zufolge der erstgerichtlichen Feststellungen, daß die Interessenabwägung ergeben habe, daß der Beklagten nicht zugemutet werden könne, in N., dem Nachbardorf von L., einen Gemischtwarenhandel an Stelle eines Kaffeehauses zu betreiben, für den derzeit ein Raum gar nicht zur Verfügung stehe.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und zog aus ihnen auch die gleichen rechtlichen Folgerungen. Es bemühte sich jedoch, eine Verteilung der Räume für das Photogewerbe vorzunehmen, um den Geschäfts- und Gesundheitsbedürfnissen des Gatten der Klägerin gerecht zu werden und um gleichzeitig der beklagten Partei die Beibehaltung des Kaffeehausbetriebes zu sichern. Dieser Vorschlag ging dahin, daß dann, wenn das "Stöckl" (Gebäude) im Hofe des Hauses Nr. 21, das bisher unbenützt sei, in ein Atelier umgewandelt werde, den Angestellten des Gatten der Klägerin noch immer die bisherigen Arbeitsräume samt Atelier verblieben. In diese Räume wäre nach Meinung des Berufungsgerichtes zweckmäßigerweise eine entsprechende Heizanlage einzubauen, um den Gatten der Klägerin vor gesundheitlichem Schaden zu bewahren. Die Vornahme dieser Arbeiten sei aber der Klägerin bzw. ihrem Gatten deshalb zuzumuten, weil sie einerseits aus dem Photogeschäftslokal ein Espresso machen wollten, anderseits aus dem Verkaufsgeschäft der Beklagten das neue Verkaufsgeschäft des Gatten der Klägerin. Wer daher solche Umbauten vornehmen wolle, könne auch an anderer Stelle der Liegenschaften Umbauten vornehmen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und erklärte die Kündigung für rechtswirksam.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zufolge § 502 Abs. 4 ZPO. bleibt nur der Revisionsgrund der Z. 4 des § 503 ZPO. beachtlich.
Die Revision, die gleich der Berufung den Standpunkt einnimmt, eine Interessenabwägung habe überhaupt nicht stattzufinden, und wenn sie stattfinde, könne sie immer nur zugunsten der Klägerin ausfallen, trifft damit nicht den entscheidenden Punkt dieses Rechtsstreites, viel eher trifft ihn die Bemerkung der Revision, daß der § 7 der Verordnung v. 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, keine Anwendung zu finden habe. Hiemit bezieht sich die Revision unter anderem auf die Entscheidungen SZ. XXII/87, SZ. XXII/97 und zuletzt SZ. XXIII/14, die in dem Satze gipfeln, daß jedes Pachtverhältnis, das ein gewerbliches Unternehmen welcher Art immer zum Gegenstand habe, den Kündigungsbeschränkungen der §§ 19 ff. MietG. unterliege; allerdings zieht die Revision daraus den Schluß auf Zulassung einer allfälligen Kündigung gemäß § 19 Abs. 1 MietG., dem nicht gefolgt werden kann.
Die Entscheidung SZ. XXII/97 hat ausgesprochen, daß der Kündigungstatbestand der Z. 12 des § 19 Abs. 2 MietG. nicht zur Anwendung komme, wo eine Gemeinschaft zwischen den Streitteilen, sei es eine Wohnungs- oder eine Geschäftsgemeinschaft, nicht vorliege. Hiezu meint die Revisionswerberin, daß bei einer Vermietung von Räumen seitens des Hausherrn nur ein Untermietverhältnis begrundet werden könne, niemals aber ein Hauptmietverhältnis; darauf aufbauend verweist die Revision auf das Spruchrepertorium Nr. 30 (neu), wonach bei geltendgemachtem Eigenbedarf der Untervermieter lediglich nachzuweisen habe, daß er den Mietgegenstand dringend benötige, sodaß eine Berücksichtigung der Interessen des Untermieters ebensowenig zulässig sei, wie eine Unterscheidung des Untermietverhältnisses, je nachdem eine räumliche Gemeinschaft mit dem Untervermieter vorliege oder nicht. Auf diese Weise will die Revision dartun, daß es bei Annahme eines Untermietverhältnisses zwischen den Streitteilen gemäß § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG. einer Interessenabwägung gar nicht mehr bedürfe; benötige daher - was im vorliegenden Falle schon nachgewiesen wurde - die Klägerin den Mietgegenstand dringend, so sei nur eine aufrechte Erledigung der Kündigung denkbar.
Richtig sind die Ausführungen der Revision nur insofern, als der § 7 der genannten Verordnung auf die Verpachtung eines Unternehmens keine Anwendung zu finden hat. Diesbezüglich vermag der Oberste Gerichtshof die gegenteiligen schon genannten SZ.-Entscheidungen und die darin zitierten anderen Entscheidungen (s. auch MietSlg. 875, 878 - 881, 1515) nicht mehr aufrechtzuhalten. Mit der herrschenden Praxis der allgemeinen Zivilsenate des Obersten Gerichtshofes - von SZ. XXII/42 abgesehen - hat der arbeitsgerichtliche Senat des Obersten Gerichtshofes in seiner Entscheidung 4 Ob 74/51 vom 20. September 1951 gebrochen und den Satz verneint, daß auch Unternehmenspachten als Raumpachten im Sinne des § 7 KSch-AusfV. anzusehen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat gleichfalls schon im Erk. v. 3. Juli 1946, Slg. NF. 10/A, die bisher herrschende Auffassung des Obersten Gerichtshofes abgelehnt. In der späteren Entscheidung v. 17. Mai 1950, Slg. NF. 1453/A, hat es der Verwaltungsgerichtshof offenbar mit Rücksicht auf die inzwischen bekannt gewordene Praxis des Obersten Gerichtshofes unterlassen, sich zu der konkreten Frage zu äußern, weil für den Verwaltungsgerichtshof unbeschadet der als Privatrechtsnorm anzusehenden Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung für die damals zu entscheidende Frage der Zur-Kenntnisnahme, Genehmigung oder Löschung eines Gewerbepächters nur öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte maßgebend waren.
Die Entscheidung 4 Ob 74/51 ging von folgenden Erwägungen aus:
Der Begriff der Pachtung von Räumen (Raumpachtung), der in der Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung verwendet wird, ist der österreichischen Rechtssprache fremd. Er stammt aus dem deutschen Recht und hängt damit zusammen, daß im deutschen Recht die Begriffe Pacht und Miete anders voneinander abgegrenzt werden, als im österreichischen Recht. Während nach österreichischer Auffassung die Bestandnahme eines leeren Raumes zum Zwecke des Betriebes eines Gewerbes als Miete zu qualifizieren ist, und zwar nach der überwiegenden Judikatur auch dann, wenn es sich um Gebäude oder Räume handelt, die für einen bestimmten Gewerbebetrieb eingerichtet sind, stellt die deutsche Lehre und Rechtsprechung auf den Verwendungszweck des Raumes ab und behandelt auch die Bestandüberlassung eines Raumes, ja sogar eines leeren Raumes, als Pacht, wenn die Räume nach ihrer baulichen Beschaffenheit, der erforderlichen Eigenart und nach ihrer Einrichtung und Ausstattung geeignet sind, Grundlage eines Gewerbebetriebes zu sein (Staudinger - Kiefersauer 10 zu § 581 BGB.). Die deutsche Theorie spricht in diesen Fällen von "Raumpacht". Da diese Räume keine Mietobjekte sind, haben § 3 des Zweiten Teiles, Kapitel III, der Verordnung des Reichspräsidenten vom 8. Dezember 1931, DRGBl. I S. 699, und Art. 9 der Durchführungsverordnung vom 23. Dezember 1931, DRGBl. I S. 796, verfügt, daß die Bestimmungen über die außerordentlich begünstigte Kündigung von Raummieten auf Pachtverhältnisse und Unterpachtverhältnisse über gewerbliche Räume "entsprechende" Anwendung zu finden hätten. Die Theorie war sich dabei darüber klar, daß die Verpachtung eines Unternehmens nicht als Raumpacht anzusehen sei (Staudinger a. a. O.).
Um aber die Abgrenzung der dem Mieterschutz unterliegenden Raumpachten von den Unternehmungspachtungen klarzustellen, bestimmte Abs. 2 des vorzitierten Art. 9 der DV.: "Ist ein wirtschaftliches Unternehmen verpachtet und ist dem Pächter hiebei auch der Gebrauch von Gebäuden oder Gebäudeteilen überlassen, so liegt ein Pachtvertrag über gewerbliche Räume im Sinne des § 3 der Verordnung des Reichspräsidenten" (vom 8. Dezember 1931, DRGBl. I S. 699) "nicht vor, wenn sich die Überlassung des Unternehmens als die Hauptleistung des Verpächters darstellt. Dies ist im Zweifel anzunehmen, wenn dem Pächter die Befugnis erteilt ist, die Firma des Verpächters fortzuführen".
Die 3. Verordnung zur Ausführung der Verordnung über den Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1670, hat auch die Raumpacht unter Kündigungsschutz gestellt (§ 9). Die gleiche Bestimmung enthielt § 7 der gleichzeitig für die Ostmark erlassenen Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung, offenbar in der Absicht, auch hier die Rechtsgleichheit mit dem Altreich herzustellen. Dazu kam, daß das Reichsgericht (E. v. 13. November 1941, RGZ. 168, 46) entschieden hat, daß rücksichtlich des Kündigungsschutzes die Unternehmenspachtungen als Raumpachten zu behandeln seien.
Da in Österreich die Reichspräsidentenverordnung und die dazu erlassene Durchführungsverordnung nie gegolten haben, ist bei der Auslegung der am 5. September 1939 für die Ostmark erlassenen Kündigungsschutz- Ausführungsverordnung, DRGBl. I S. 1671, diese Ansicht des Reichsgerichtes nicht anwendbar. Solange Österreich vom Deutschen Reich okkupiert war, war eine Auslegung verständlich, die bemüht war, das in Österreich geltende Recht dem deutschen Recht anzugleichen und daher auch den Begriff Raumpacht auf Unternehmensverpachtung im Sinne der deutschen Praxis zu erstrecken. Nach der Befreiung Österreichs darf aber das in Österreich geltende Recht, auch wenn es vor der Befreiung erlassen worden ist, nur mehr im Zusammenhang mit den österreichischen Rechtsvorschriften ausgelegt werden. Der Umstand, daß eine hier geltende Rechtsnorm zum Zwecke der Angleichung an das deutsche Recht eingeführt worden ist, darf nicht mehr dazu führen, daß man in eine Rechtsnorm etwas hineinzuinterpretieren versucht, was sich aus dieser Rechtsnorm nicht ergibt, zumal dann nicht, wenn eine solche Auslegung zu wirtschaftlich und sozial untragbaren Ergebnissen führt. Das ist aber hier der Fall.
Bei der Unternehmenspacht ist Gegenstand des Bestandverhältnisses nicht der Raum, in dem das Unternehmen betrieben wird, sondern das Unternehmen selbst. Der Raum ist eine Pertinenz des Pachtgegenstandes, aber nicht selbst Bestandgegenstand. Die Unternehmenspacht ist von der Raumpacht wesensverschieden. Es können daher die Vorschriften über Raumpachtverhältnisse nicht auf die Verpachtung von Unternehmungen angewendet werden. Soweit gewerbliche Räume, z. B. Räume, die nur für einen Fabriksbetrieb (wie z. B. der Fall einer Spodium- und Leimfabrik in 1 Ob 888/51 vom 19. Dezember 1951) oder ein Warenhaus usw. geeignet sind, kündigungsrechtlich dem Mieterschutz unterliegen, beruht das auf dem Willen des Gesetzgebers, dem Pächter eine wesentliche sachliche Grundlage, einen "Produktionsfaktor" seines eigenen Unternehmens zu erhalten. Würde man in gleicher Weise den Pächter eines Unternehmens schützen, so würde man ihm dadurch das Recht auf die dauernde Nutzung eines fremden Unternehmens gewährleisten. Ein solcher Mieterschutz würde den Begriff des Raumschutzes erheblich überschreiten und den Schutz des Raumpächters auf Rechtstellungen erstrecken, die völlig anders geartet sind. Eine solche Ausdehnung des Mieterschutzes würde jede Unternehmensverpachtung praktisch unmöglich machen, weil der Eigentümer des Unternehmens dauernd darauf verzichten müßte, je wieder das Unternehmen in Eigenbetrieb zu nehmen.
Diese Ausführungen zu 4 Ob 74/51 sind noch in mehrfacher Richtung ergänzungsbedürftig:
a) Das Reichsgericht hat in der erwähnten Entscheidung ausgeführt, daß die Unterscheidung zwischen Unternehmenspacht und Raumpacht seit § 9 der 3. Verordnung zur Ausführung der Verordnung über den Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1670, keine Rolle mehr spielt, und daß jede Pachtung, welche auch Räume umfaßt, geschützt ist. Aus dem Fehlen einer Bestimmung im Sinne des Art. 9 der Verordnung über die außerordentliche Mietkündigung vom 23. Dezember 1931, DRGBl. I S. 796, läßt sich aber noch nicht der Schluß ziehen, daß § 9 der 3. Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung (nur für Deutschland gültig) den Kündigungsschutz auf Unternehmenspachtung ausdehnt, weil dort nur von Raumpacht die Rede ist. Es handelt sich also nur darum, ob in der Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung eine Lösung des Problems, wie ein einheitlicher Bestandvertrag, der sich sowohl auf kündigungsfreie Objekte als auch auf kündigungsgeschützte Objekte erstreckt, zu behandeln ist, enthalten ist. Dafür, daß sich in einem solchen Fall grundsätzlich der Kündigungsschutz automatisch auf das sonst schutzfreie Objekt ausdehnt, fehlt ein Anhaltspunkt im Gesetz.
b) Ferner ist zu untersuchen, welchen Standpunkt die österreichische Lehre und Rechtsprechung aus der Zeit vor 1939 zur Frage des Mieterschutzes bei Verpachtung eines Unternehmens samt Lokalitäten eingenommen haben. Dieser ging dahin, daß das Mietengesetz nicht anwendbar sei, da es sich auch bezüglich der Lokalitäten um einen Pachtvertrag, nicht aber Mietvertrag handelte, und daß der Bestandvertrag über Geschäftslokalitäten allein, auf den sich gleichfalls § 7 KSch-AusfV. bezieht, aber hiebei ein Unternehmen nicht erwähnt, ohnehin schon vorher als Mietvertrag durch das Mietengesetz geschützt war. Diese Rechtsansicht, die sich auf § 1 erster Absatz ff. MietG. stützt, ist durch die Entscheidungen Anw.- Ztg. 1932 S. 296; ZBl. 1932 Nr. 270; SZ. XVI/208; ImmobilienZtg. 1935 Nr. 377; EvBl. 1936 Nr. 233; ZBl. 1936 Nr. 468; ImmobilienZtg. 1937 Nr. 39 und Nr. 63 belegt.
In Österreich bezog sich der Kündigungsschutz immer nur auf Bestandverhältnisse über Räumlichkeiten, nie aber auf Unternehmen. Dem Kündigungsschutz für Geschäftsräume liegt der Gedanke zugrunde, daß die Lokalitäten als notwendige Grundlage des eigenen Unternehmens erhalten bleiben sollen, damit nicht der Unternehmer der Gefahr ausgesetzt wird, daß sein Unternehmen durch Entziehung der Verfügung über die Räume vernichtet werde. Bei der sogenannten Raumpacht - als Teil der Unternehmenspacht - handelt es sich aber um einen Bestandvertrag über Lokalitäten, die für ein bestimmtes Unternehmen, nämlich das gleichzeitig verpachtete, eingerichtet und nur zum Zwecke des Betriebes dieses Unternehmens in Bestand gegeben wurden. Mit dem Wegfall des Bestandverhältnisses über das Unternehmen entfällt aber für derartige Räume der Grund für den Kündigungsschutz, da die Räume für ein bestimmtes Unternehmen eingerichtet und gewidmet sind und das Unternehmen bei Entzug der Räume dem Untergang ausgesetzt wäre. Der Bestandnehmer hat die Räume nur zum Betriebe eines bestimmten Unternehmens gepachtet. Wenn er zufolge der Auflösung des Unternehmenspachtvertrages dieses Unternehmen nicht mehr betreiben darf, muß er sich um ein anderes Unternehmen umsehen, zu dem regelmäßig wieder eine räumliche Unterlage gehören wird. Bilden die Räume bloß einen Teil eines verpachteten Unternehmens, so teilen sie das Schicksal des Unternehmens.
Es kann daher die Rechtsansicht, wie sie sich aus den Entscheidungen SZ. XXII/87, SZ. XXII/97 und SZ. XXIII/14 ergibt, nur insoweit aufrechterhalten werden, als sich § 7 der KSch-AusfV. nicht auf die Verpachtung von Räumen als Teil eines Unternehmens beziehen kann, sondern nur auf die Bestandverträge über Räume, die für Zwecke des Betriebes eines Unternehmens geeignet und eingerichtet sind. Die Vorschrift des § 7 ist daher bedeutungslos, soweit das Mietengesetz ohnehin schon einen Schutz für derartige Bestandverträge bietet. Die Erlassung des § 7 hatte somit nur die Bedeutung eines Aktes der Vorsicht für den Fall, als das österreichische Recht einen Kündigungsschutz nicht vorgesehen hätte.
c) Ferner sei auch noch auf die 5. Verordnung zur Ausführung der Verordnung über Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume vom 14. August 1940, DRGBl. I S. 1104, verwiesen, die im § 2 Abs. 1 vom Kündigungsschutz für gewerbliche genützte unbebaute Grundstücke spricht und verfügt, daß die für Räume maßgebenden Vorschriften über den Kündigungsschutz auch bei Miet- und Pachtverhältnissen über gewerblich genützte unbebaute Grundstücke entsprechend anzuwenden sind. Auch durch diese Verordnung ist für die Anwendung des Mieterschutzes auf Unternehmenspachten nichts gewonnen. Der Oberste Gerichtshof hat vielmehr in der Entscheidung vom 18. Oktober 1950, 1 Ob 231/50 (MietSlg. 1516), ausgesprochen, daß Pachtverträge über Grundstücke, die zum Erwerbsgartenbau verpachtet werden, Landpachtverträge nach § 1 Abs. 2 RPSchO. sind, die der Reichspachtschutzordnung unterliegen, und nicht Raumpachtverträge sind, selbst wenn auf diesen Grundstücken ein Gewächshaus errichtet ist. Die Entscheidung kam daher zum Schlusse, daß Pachtschutz den Mieterschutz ausschließe. Im gleichen Sinne ergingen die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 408/51 und 1 Ob 573/51 (MietSlg. 2074).
d) Die Bestimmung des § 7 lautet ausdrücklich: "Die Vorschriften des Mietengesetzes über Kündigungsbeschränkungen und die Vorschriften dieser Verordnung gelten für Pachtverhältnisse und Unterpachtverhältnisse über Räume entsprechend". Hiezu bemerkt Stagel in der Einführung dieser Verordnung bei Pfundtner - Neubert
II b 7 S. 9: "Der § 7 dehnt schließlich den Kündigungsschutz des Mietengesetzes und den Geltungsbereich der §§ 1 und 6 auch auf Pachträume aus. Die Verordnung gilt nur für die Ostmark ohne die mit ihr vereinigten nördlich anschließenden sudetendeutschen Gebiete. Die technisch verschiedene Gestaltung des Mieterschutzes im Altreich, in der Ostmark und in den sudetendeutschen Gebieten macht es erforderlich, für jedes dieser Rechtsgebiete eine eigene Verordnung zu erlassen". Ferner Stagel, ebendort S. 16: Auch wenn ein Gewerbebetrieb selbst samt den Betriebsräumen gepachtet ist, unterliegt das Pachtverhältnis den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes und der Verordnung. In der sudetendeutschen Verordnung (siehe Anm. 1 zu § 1 am Ende) kommt dies klar zum Ausdruck: Sie übernimmt den § 7 des sudetendeutschen Gesetzes über den Schutz der Mieter vom 28. März 1928 (Slg. d. G. und V. Nr. 44), der besagt, daß die Kündigungsvorschriften des Gesetzes "auch auf Pachtverträge über den Betrieb eines Gewerbes in gemieteten Räumen Anwendung finden".
Gleicher Auffassung ist Stagel auch in DJ. 1939, S. 1609, was auch die Entscheidung 2 Ob 248/48 = JBl. 1949, S. 131, letzter Absatz, mit dem Beifügen erwähnt, "daß bei einer anderen Auslegung des § 7 ... für diesen überhaupt kein Raum wäre". Es scheint also, daß Stagel unter Raumpachtverträgen auch Unternehmenspachten verstehen wollte, doch findet diese nicht näher begrundete Auslegung im Wortlaut der Verordnung keine Stütze.
e) Aber selbst wenn man auf Grund der Bemerkungen Stagels annehmen wollte, daß die Verfasser der Verordnung auch die Unternehmenspachten unter den Raumpachten mitverstehen wollten, so muß folgendes erwogen werden: Im Hinblick auf den Umstand, daß § 7 nur von "Räumen" spricht, sei darauf verwiesen, daß einer Gesetzesbestimmung kein Sinn beigelegt werden kann, der in ihrem Wortlaut überhaupt keinen Ausdruck findet. Die Auslegung kann also ergeben, daß das Gesetz nicht den Gedanken enthält, auf den - im Hinblick auf die Regeln der Sprache - der Gesetzeswortlaut hinweist, sondern einen anderen Gedanken, für dessen Ausdruck die Sprachregeln zwar andere als die wirklich gebrauchten Gesetzesworte bestimmen, wobei jedoch wenigstens eine Andeutung in den Gesetzesworten erblickt werden kann. Um dieses Ergebnis zu erreichen, bedarf es somit der "berichtigenden Auslegung". Im vorliegenden Fall kommt die berichtigende Auslegung als eine ausdehnende Auslegung (von der Raumpacht - zur Unternehmenspacht) in Frage. Es ist aber nicht Analogie anzuwenden, weil diese die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen Tatbestand ist, der durch sie nicht getroffen ist, aber dem getroffenen Tatbestande rechtsähnlich ist. Zwei Tatbestände sind aber rechtsähnlich, wenn der Grund, der den Gesetzgeber veranlaßt hat, den einen Tatbestand einer bestimmten Regel zu unterstellen, auch für den anderen zutrifft. Gedanklich enthält die Analogie eine Verallgemeinerung der analog angewendeten Norm. Die ausdehnende Auslegung führt zu einer Entscheidung nach dem wirklich erklärten, aber sprachlich mangelhaft erklärten Willen des Gesetzgebers, die Analogie zu einer Entscheidung nach dem hypothetischen Willen des Gesetzgebers. Die berichtigende Auslegung ist eine ausdehnende Auslegung, wenn der Sinn des Gesetzes weiter reicht (weiter reichen soll) als sein Wortlaut.
In der weiteren Frage aber, ob der Weg beschritten werden soll, dem § 7 der genannten Verordnung eine berichtigende Auslegung - vom Begriff der Raumpacht zum Begriff der Unternehmenspacht - zu geben, folgt der Oberste Gerichtshof den schon zitierten Ausführungen der Entscheidung 4 Ob 74/51, wonach der Verordnung, deren Wirksamkeit nur mehr im eingeschränkten Maße gilt, eine weitere Auslegung nicht mehr zu geben sei, weil der damit zur Geltung gebrachte Gedanke dem österreichischen Rechtsdenken fremd ist, mag auch in der erwähnten Entscheidung JBl. 1949, S. 131, der Oberste Gerichtshof ausgesprochen haben, daß die Verordnung kein nationalsozialistisches Gedankengut enthält. Für eine berichtigende Auslegung des § 7 dieser Verordnung besteht im österreichischen Rechtsleben kein Bedürfnis.
Auch im Deutschland von heute begegnet die dem § 7 der Verordnung gleichlautende Bestimmung der 3. Durchführungsverordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I, S. 1670 (Dritte KSch-AusfV.) Widerstand:
so hat z. B. das Landgericht Bielefeld in der Entscheidung vom 6. November 1946, NJW. 1947/48, 191, die Ausdehnung des Mieterschutzes über die Raumpachten auf die Unternehmenspachten abgelehnt, ferner hat Bettermann, Kommentar zum MieterschutzG. und seinen Nebengesetzen 1950, § 1 (in den Anmerkungen 84 und 85 a) ausgeführt, daß das Mietengesetz den Raumschutz, nicht aber den Wirtschaftsschutz kennt. Tannert, DRZ. 48, 2. Beiheft, kennt grundsätzlich keinen Mieterschutz bei der Unternehmerpacht, sofern nicht das Unternehmen im Verhältnisse zur Raumüberlassung wirtschaftlich völlig nebensächlich und unbeachtlich ist. Noch extremer ist Schoan (Betriebsberater 48 Nr. 336 und 49 Nr. 238), der jeden Pachtvertrag über ein Unternehmen dem Mieterschutz entziehen will, gleichgültig, welche Rolle die Räume im Rahmen der Gesamtheit spielen. Aber selbst Roquette, DR. 1942, S. 224, der am weitesten in der Anwendung des Mieterschutzgesetzes auf die Unternehmenspacht geht, lehrt den Satz, "daß alle gewerblichen Pachtverträge unter Kündigungsschutz stehen", doch nur für den Fall, daß in einem gewerblichen Pachtvertrage Räume oder unbebaute Grundstücke zum Pachtgegenstand gehören. Der steigende Widerspruch in Theorie und Praxis hat dazu geführt, daß diese Verordnung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland mit Verordnung vom 27. November 1951 (BGBl. I S. 926) mit Wirkung vom 1. April 1952 aufgehoben und somit den Miet- und Pachtverhältnissen über Geschäftsräume der Mieterschutz genommen wurde. Hiemit deckt sich rechtspolitisch die Ansicht Klang's (Vortrag in der Juristischen Gesellschaft vom 5. Dezember 1951, siehe ÖJZ. 1952, Heft 4): "Dringend wäre auch die Aufhebung des § 7 der Verordnung zur Ausführung der Verordnung über den Kündigungsschutz für Pacht- und Mieträume vom 5. September 1939, der notwendige zeitweise Verpachtungen aus Sorge um die Schwierigkeiten bei Auflösung des Pachtvertrages verhindert; nebenbei bemerkt, gibt es einen Pachtvertrag über Räume gar nicht, vielmehr wird der Betrieb verpachtet ... ". Denselben Standpunkt vertritt Klang in seinem Kommentar, 2. Aufl. zu § 1091, S. 30.
Abschließend hält der Oberste Gerichtshof noch folgenden verfahrensrechtlichen Hinweis für angebracht:
Die Untergerichte sind gleich den Parteienvertretern davon ausgegangen, daß es sich im vorliegenden Falle um eine Kündigungsstreitigkeit aus einem Mietverhältnisse handelt, auf das die Bestimmungen "über den Schutz der Mieter" Anwendung zu finden haben (§ 502 Abs. 4 ZPO.). Der Oberste Gerichtshof hingegen hat die Anwendung des Mieterschutzes - im vorliegenden Falle bei einer Unternehmenspacht - grundsätzlich verneint. Dies kann jedoch nicht dazu führen, daß die Revision deshalb, weil nach Ansicht des Revisionsgerichtes der Mieterschutz keine Anwendung zu finden hat, als unzulässig anzusehen sei, zumindest aber - vor dem Ausspruch der Zurückweisung der Revision - das Berufungsgericht zur ergänzenden Entscheidung aufzufordern wäre, ob der Streitgegenstand (Kündigung), über den das Berufungsgericht entschieden hat und der nicht ausschließlich in einer Geldsumme besteht, an Geld oder Geldeswert 10.000 S nicht übersteigt (§§ 500 Abs. 2, 502 Abs. 3 ZPO.).
Die materiellrechtliche Frage kann anläßlich der Frage der Zulässigkeit der Revision nicht entschieden werden.
Die Frage der Revisibilität kann daher nur davon abhängig sein, ob das Berufungsgericht formalrechtlich den § 502 Abs. 4 ZPO. angewendet hat.
Diese Erwägungen führen daher zur Stattgebung der Revision und in weiterer Folge zur Aufrechterhaltung der Kündigung.
Unter einem hat der erste Senat die Eintragung nachstehenden Rechtssatzes unter Nr. 35 in das Spruchrepertorium beschlossen:
"§ 7 KSch-AusfV. vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, ist auf Bestandverträge über Räume, die für Zwecke des Betriebes eines Unternehmens geeignet und eingerichtet sind, beschränkt, insoweit nicht bereits ein Kündigungsschutz für derartige Bestandverträge vorgesehen ist. Unternehmensverpachtungen unterliegen nicht dem Kündigungsschutz."
Anmerkung
Z25061Schlagworte
Kündigungsschutz bei Unternehmenspacht, Pacht eines Unternehmens kein Kündigungsschutz, Raumpacht, Unterschied gegenüber Unternehmenspacht, Unternehmen Verpachtung unterliegt keinem KündigungsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00707.51.0312.000Dokumentnummer
JJT_19520312_OGH0002_0010OB00707_5100000_000