Norm
ABGB §1295 (1)Kopf
SZ 25/84
Spruch
Einmaliges Versagen einer sonst tüchtigen Person begrundet noch nicht deren Untüchtigkeit.
Zur Haftung bei Unfällen am Aufzug (Sturz in den Aufzugschacht).
Entscheidung vom 2. April 1952, 2 Ob 255/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin erhob Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten, gestützt auf einen Unfall, den sie am 23. November 1948 durch Sturz in einen Aufzugschacht erlitten und der verschiedene schwere Körperverletzungen nach sich gezogen hatte. Der Aufzug gehörte der Weingroßhandlung des Erstbeklagten und wurde damals von dessen Angestellten, dem Zweitbeklagten, bedient. Sie erhob zunächst Klage nur gegen den Erst- und Zweitbeklagten, brachte in der Folge aber auch eine Klage gegen den Drittbeklagten mit der Begründung ein, daß die erst- und zweitbeklagte Partei ihre Haftpflicht mit der Begründung abgelehnt hätten, daß die drittbeklagte Partei den Aufzug instandzusetzen hatte und ihnen dabei keine weiteren Vorschriften erteilte, und weil der Unfall auf diese Unterlassung zurückzuführen sei. Der Zweitbeklagte ist wegen des Vorfalles rechtskräftig gemäß § 335 StG schuldig erkannt worden.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und erkannte ihn gegen alle drei beklagten Parteien zu Recht bestehend.
Das Berufungsgericht verweigerte der Berufung der erst- und zweitbeklagten Partei den Erfolg, gab aber der Berufung der drittbeklagten Partei Folge und erkannte gegen diese den Klagsanspruch als nicht zu Recht bestehend.
Der Oberste Gerichtshof gab weder der Revision der Klägerin noch der des Erst- und Zweitbeklagten Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
A. Zur Revision der Klägerin.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Wiederaufnahme des Betriebes des seit 1939 stillgelegten Aufzuges im Sinne der zur Unfallzeit geltenden Bestimmung der Verordnung über die Einrichtung und den Betrieb von Aufzügen vom 15. Juni 1953, RMinBlatt Nr. 12, S. 46, (im folgenden kurz AVO genannt) dem Sachverständigen im Sinne des § 11 der Verordnung als dem Technischen Überwachungsverein in Wien anzuzeigen war. Es ist unentscheidend, ob, rein technisch betrachtet, die vom Drittbeklagten auf Weisung des Erstbeklagten 1946/47 vorgenommenen Arbeiten zur Wiederaufnahme des Aufzugbetriebes im Sinne des § 3 I. AVO sich als eine "wesentliche Veränderung der vorhandenen Aufzuganlage" darstellen. Denn im besonderen Fall ergibt sich die Anzeigepflicht daraus, daß der Aufzug im Zeitpunkt des Inkrafttretens der AVO (§ 19 ebenda) seit mehreren Jahren außer Betrieb war und darum seine Beschaffenheit dem Technischen Überwachungsverein unbekannt sein mußte, der ja erst auf Grund dieser Vorschrift ins Leben gerufen worden war. Dies auch dann, wenn eine Stillegungsanzeige seinerzeit erstattet worden war, auf Grund welcher der Technische Überwachungsverein den Aufzug als außer Betrieb befindlich führte. Da nun § 13 AVO eine laufende Überwachung von Aufzügen, u. zw. periodische in längstens vierjährigen Fristen und überdies zwischendurch auch noch unvermutete Besichtigungen anordnet, um festzustellen, ob die Anlagen sich in einem betriebsfähigen, den Vorschriften der AVO entsprechenden Zustande befinden, mußte die 1947 erfolgte Wiederaufnahme des Betriebes infolge der seit 1939 eingetretenen Änderung der einschlägigen Vorschriften und der zur Überwachung und Prüfung zuständigen Organe wie eine Neuanlage dem Technischen Überwachungsverein angemeldet werden.
Diese Pflicht traf gemäß § 3 I. Absatz 2 AVO nur den Erstbeklagten als Aufzugbesitzer. Eine Anzeigepflicht des Aufzugfabrikanten oder des Unternehmers, der seine Ausbesserung bzw. Wiederinstandsetzung besorgt hat, statuiert die Vorschrift nicht. Aus der Unterlassung der Anmeldung der Wiederinbetriebsetzung kann darum dem Drittbeklagten keine Schadenersatzpflicht erwachsen.
Die Revision will nun mit dem Erstrichter eine Haftpflicht des Drittbeklagten auf die festgestellte Unterlassung stützen, den Erstbeklagten anläßlich der vorgenommenen Instandsetzungsarbeiten auf seine Anmeldepflicht hinzuweisen. Sie will ihn aber darüber hinaus auch für die unrichtige Auskunft seines Erfüllungsgehilfen W. haftbar machen, es bedürfe bei einer bloßen Wiederinbetriebnahme keiner Anmeldung der Kommissionierung. Nun hat das Erstgericht allerdings festgestellt, daß der Drittbeklagte den Erstbeklagten auf die bestehende Anmeldungspflicht aufmerksam zu machen unterlassen hat, weil er eine solche nach seiner Auslegung des § 3 I AVO nicht für erforderlich hielt, da weder eine Neuanlage noch eine wesentliche technische Veränderung gegeben sei, und daß auch der Vertreter des Drittbeklagten W. eine diesbezügliche Erklärung dem Erstbeklagten gegenüber abgegeben hat. Allein die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dieses Verhalten des Drittbeklagten und seines Erfüllungsgehilfen nicht rechtswidrig und unfallkausal sei, ist zutreffend. Wenngleich das Beweisverfahren ergeben hat, daß üblicherweise die Lieferfirma den Aufzugkäufer auf die bestehenden Anmeldungsvorschriften aufmerksam macht, ja diese sogar in seinem Namen erfüllt, so gilt dies doch nur für Neuanlagen, nicht für Instandsetzungsarbeiten. In keinem Fall handelt es sich um einen Handelsbrauch nach § 346 HGB., sondern nur um eine Gefälligkeit. Es kann nicht Sache des Lieferanten sein, dafür zu sorgen, daß die vorgeschriebene Anmeldung durch den Aufzugbesitzer stattfinde, oder die Erfüllung der Anmeldepflicht durch diesen zu überwachen. Er darf vielmehr annehmen, daß der Aufzugbesitzer die in sein Fach fallenden gewerbepolizeilichen Bestimmungen kenne und befolge, zumal dieser ja kein Neuling in der Branche war. Dies gilt umsomehr, wenn die im Jahre 1939 erfolgte Stillegung des Aufzuges angemeldet worden war, was doch offenbar nur durch den Aufzugbesitzer geschehen sein konnte, und wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes die Erbauung eines zweiten (elektrischen) Aufzuges durch den Drittbeklagten im Jahre 1947 ordnungsgemäß dem Technischen Überwachungsverein vom Erstbeklagten durch den Drittbeklagten angemeldet worden war. Es bestand darum für den Drittbeklagten keine Verpflichtung, den Erstbeklagten gelegentlich der Instandsetzung des Aufzuges zur Wiederaufnahme des Betriebes besonders auf die Anmeldungspflicht hinzuweisen.
Wenn der Drittbeklagte aber selbst oder durch seinen Erfüllungsgehilfen W. den Standpunkt einnahm, es liege hier kein Fall einer Anmeldepflicht vor, so kann ihm trotz der im vorstehenden dargetanen Unrichtigkeit dieser Ansicht daraus doch keine Haftpflicht erwachsen. Denn der Drittbeklagte ist zwar in allen technischen, die Herstellung oder Ausbesserung eines Aufzuges betreffenden Fragen als Sachverständiger im Sinne der §§ 1299, 1300 ABGB. anzusehen und als solcher für Kunstfehler oder nachteiligen Rat haftbar. Er ist es aber nicht in Angelegenheit des Gewerbe- und Gewerbepolizeirechtes oder der Straßenpolizeiordnung, die hier auch mitspielt, da der Unfall sich im Straßenniveau einer öffentlichen Verkehrsstraße ereignete, in deren Gehsteig der Aufzug einmundet (§§ 46, 47 Straßenpolizeiordnung). Wenn der Drittbeklagte die Bestimmungen der AVO über die Anmeldepflicht unrichtig ausgelegt hat, welche eine ausdrückliche Bestimmung für den vorliegenden Fall nicht enthält, so besteht doch kein Kausalzusammenhang zwischen seiner Unterlassung, den Erstbeklagten auf die Anmeldepflicht hinzuweisen oder selbst einer gegenteiligen Informationserteilung, und dem Unfall. Hat doch selbst der Sachverständige zugegeben, daß die Auslegung der AVO auch für ihn, der ein behördlich autorisierter und beeideter Ingenieurkonsulent für Maschinenbau und gerichtlicher Sachverständiger ist, schwierig erscheint und daß er, wenn vor dem Unfall über das Vorliegen einer Anmeldepflicht befragt, eine solche voraussichtlich verneint hätte. Dem Aufzugfabrikanten bzw. Ausbesserer kann darum aus einer unrichtigen Auslegung des § 3 AVO keine Haftpflicht erwachsen. Es wäre Aufgabe des anmeldungspflichtigen Erstbeklagten gewesen, wenn seine eigenen Kenntnisse der Normen nicht ausreichen, sich an die allein zuständige Stelle, den Technischen Überwachungsverein, allenfalls an die zuständige MagAbtlg. 35 zu wenden, von der er verläßliche und ihn deckende Auskunft über das Bestehen einer Anmeldepflicht erhalten haben würde. Er kann sich nicht mit der Unterlassung einer dem Drittbeklagten gar nicht obliegenden Belehrungspflicht, aber nicht einmal mit einer ihm von einem Erfüllungsgehilfen des Drittbeklagten erteilten unrichtigen Auskunft exkulpieren.
Es kann darum von einer näheren Auseinandersetzung mit der von der Revision herangezogenen Norm der §§ 1295, 1299, 1300 ABGB. und ihrer Auslegung abgesehen werden. Der mittelbar Geschädigte ist jedenfalls nur dann berechtigt, Schadenersatz zu fordern, wenn die Handlung auch ihm gegenüber widerrechtlich ist, d. h. eine Norm verletzt, die auch seine Interessen zu schützen bestimmt ist (Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 72; SZ. IX/76). Damit ist aber schon alles Nötige zu dem weiteren Haftgrund gesagt, den das Erstgericht darin erblickt, daß der Drittbeklagte gelegentlich der 1946/47 vorgenommenen Instandsetzungsarbeiten keine Instruktionen über die zur Sicherung der offenen Schachtmundung beim Aufzugbetrieb nötigen Sicherheitsmaßregeln erteilt hat. Das Erstgericht hat im Anschluß an das Sachverständigengutachten in den aufgestellten und durch eine Stange verspreizten Schachtdeckeln selbst dann, wenn diese Verspreizung gut funktioniert haben sollte, keine genügende Umwehrung im Sinne des § 5 IV AVO erblickt. Das Nichtvorhandensein der in der AVO (§ 9) vorgesehenen Aufzugschilder erklärte das Erstgericht jedoch für belanglos, weil der Drittbeklagte zu Unrecht in der Aufstellung der verspreizten Schachtdeckel an sich schon eine genügende Umwehrung erblickte. Ebenso hat das Erstgericht festgestellt, daß zur Unfallzeit die Schachtöffnung weder beleuchtet noch bewacht war und daß an der Unfallstelle damals schlechte Sicht herrschte, weil die beiden nächsten eingeschalteten öffentlichen Beleuchtungskörper je 30 Schritt entfernt und das Wetter diesig war. Eine Umwehrung im technischen Sinn sei nicht vorhanden gewesen.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob in der Aufstellung der beiden zirka 70 cm hohen, durch eine Stange verspreizten Schachtdeckel schon eine hinreichende Umwehrung, wie sie § 5 IV AVO anordnet, zu erblicken sei, offen gelassen und dabei auf die Verschiedenheit der Auslegung dieser Vorschrift durch den Sachverständigen B. einerseits und die sachverständigen Zeugen (gemeint sind die Zeugen W., P., K. und S.) anderseits hingewiesen. Es ging von der richtigen Ansicht aus, daß die Anordnung einer in concreto notwendigen Sicherung, da das zur Unfallzeit geltende Recht keine Detailvorschriften enthält, sondern sich damit begnügt, anzuordnen, daß die Umwehrung das Herangelangen von Menschen an die Fahrschachtmundung verhindern (§ 5 IV) und den anerkannten Regeln der Wissenschaft und Technik entsprechen müsse (§ 4), Sache des Technischen Überwachungsvereins gewesen wäre. Wenn dieser nicht in die Lage kam, vor Wiederinbetriebsetzung der Anlage eine Kommissionierung vorzunehmen und dabei die erforderlichen Sicherungsmethoden vorzuschreiben, so sei dies die Folge der Unterlassung der Anmeldung durch den Erstbeklagten. Dem Drittbeklagten könne die Unterlassung einer Instruktion an den Erstbeklagten umsoweniger angelastet werden, als es sich dabei nicht um eine Vorschrift handelt, die mit der Konstruktion des Aufzuges zusammenhängt, sondern um eine den Betrieb des fertigen und schon installierten Aufzuges regelnde Norm. Auch hier fehle der Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang.
Der Oberste Gerichtshof findet diese Rechtsansicht zutreffend, jene des Erstgerichtes, der die Revision beitritt, verfehlt. Dieses hält an der Ansicht fest, es sei eine wenigstens 1 m hohe Umwehrung vorgeschrieben gewesen. Dies galt wohl nach der zur Zeit der Erbauung des Aufzuges (1922) in Kraft gestandenen Instruktion betreffend Aufstellung und Betrieb von Aufzügen innerhalb des Gemeindegebietes von Wien (Mag.Abtlg. IV, Zl. 338/04, Stadtbauamt DZ. 2763/04, Abt. IX Zl. 2143/04), empfohlen vom k. k. Ministerium für Handel mit Erlaß vom 6. März 1908, Zl. 7116, MVBl. Nr. 6 aus 1908, welche in P. 46 anordnete, daß die Schachtöffnungen bei offenstehenden Deckeln durch 1 m hohe, handsame Schutzvorrichtungen zu sichern sind, die in wirksamer Weise den Absturz von Fußgängern, insbesondere von Kindern verhindern. Diese Instruktion wurde durch die Verordnung der Wiener Landesregierung vom 31. November 1931, LGBl. Nr. 46, und diese wieder durch die Verordnung des Bürgermeisters vom 18. Juni 1936, LGBl. Wien Nr. 27, ersetzt, welche beide für den Betrieb von Aufzügen auch noch die anerkannten Regeln von Wissenschaft und Technik, und überdies die vom österreichischen Normenausschuß für Industrie und Gewerbe herausgegebene Norm (ÖNorm Nr. 2071), betreffend Vorschriften für den Bau und Betrieb von Aufzügen, als verbindlich erklären. Diese ÖNorm 2071 schrieb im § 4 Abs. 5 vor, daß die obere Fahrschachtmundung eines von einer Verkehrsfläche nach abwärts führenden Plattformaufzuges, solange der Schachtdeckel offensteht, auf mindestens 1 m Höhe umwehrt sein muß. Die an Stelle dieser Vorschriften getretene und zur Unfallzeit geltende AVO enthält jedoch eine solche starre Vorschrift nicht, sondern nur die in §§ 4, 5 IV enthaltenen, bereits angeführten Vorschriften.
Welche Umwehrung als zureichend anzusehen gewesen wäre, ist daher trotz des Sachverständigengutachtens eine offene Frage, aber nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes nicht prozeßentscheidend. Der Angriff der Revision auf die genannten Zeugen, welche das Berufungsgericht ganz richtig als sachverständige (vgl. Marginalrubrik zu § 350 ZPO. "sachkundig") bezeichnet, weil sie über zur Zeit der Beweisaufnahme vollzogene Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde gehört, aussagen sollten, ist unbegrundet und soweit ihre Angaben als "Gefälligkeitsaussagen" bezeichnet werden, durchaus ungehörig (§ 86 Abs. 1 ZPO.). Die Zeugen haben allerdings ihren Wirkungskreis durch Abgabe gutachtlicher Äußerungen überschritten, so wie der Sachverständige es getan hat, wenn er über Rechtsfragen, wie die des Mitverschuldens der Klägerin an dem Unfall und über die Verantwortlichkeit des Drittbeklagten sich äußerte. Das Berufungsgericht konnte jedoch jene technische Frage offen lassen, weil keinesfalls der Drittbeklagte verpflichtet war, dem Erstbeklagten Belehrungen über die beim Aufzugbetrieb zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen zu erteilen, sondern davon ausgehen durfte, daß dieser sich im Laufe seiner Gewerbeausübung mit diesen Vorschriften hinlänglich vertraut gemacht habe. Mit dem Betrieb eines von ihr gelieferten oder ausgebesserten Aufzuges hat die Lieferfirma nichts mehr zu schaffen, und es ist ausschließlich Sache des Aufzugbesitzers, für den betriebssicheren Zustand des Aufzuges und die Einhaltung aller einschlägigen Sicherheitsmaßnahmen zu sorgen (§ 10 AVO.). Mit demselben Rechte könnte man vom Automobilhändler fordern, daß er den Käufer eines Kraftfahrzeuges über die Vorschriften des Kraftfahrzeuggesetzes, der Kraftfahrverordnung oder der Straßenpolizeiordnung belehre, und ihn dafür haftbar machen, wenn der Automobilist infolge Unkenntnis oder Übertretung dieser Vorschriften Schaden verursacht. Die Bewachung und Beleuchtung der Schachtöffnung gehört, ebenso wie die gehörige Sicherung derselben, in den alleinigen Pflichtenkreis des Aufzugbesitzers, und es fehlt für den Drittbeklagten somit am Kausal- wie am Rechtswidrigkeitszusammenhang und am Verschulden hinsichtlich jener Unfälle, die sich dadurch ereignen, daß der Aufzugbesitzer die einschlägigen Normen nicht kennt oder einhält.
Nur die unterlassene Anbringung der sogenannten Aufzugschilder (ÖNorm 2071, § 17 und später § 9 AVO) könnte der drittbeklagten Partei angelastet werden. Aber auch hier fehlt der Kausalzusammenhang, da der Erst- und Zweitbeklagte zugaben, daß ein Organ des Drittbeklagten dem Zweitbeklagten die Bedienung des Aufzuges erklärt hat.
Der Drittbeklagte kann darum weder aus der Unterlassung entsprechender Anweisungen an den Zweitbeklagten bzw. Erstbeklagten, noch aus der eventuell unrichtigen Auskunftserteilung über die Zulänglichkeit der Umwehrung durch Aufstellung der verspreizten Schachtdeckel für die Unfallsfolgen haftbar gemacht werden.
Die Revision der Klägerin erweist sich darum als unbegrundet. B. Zur Revision des Erst- und Zweitbeklagten.
Schon das Erstgericht hatte den Zweitbeklagten im Hinblick auf das den Zivilrichter bindende rechtskräftige Urteil des Strafgerichtes haftbar erklärt und zugleich ein Mitverschulden der Klägerin an dem Unfall abgelehnt. Den Erstbeklagten machte es verantwortlich, weil er dem Zweitbeklagten keine Weisungen wegen des Betriebes des Aufzuges nach Einbruch der Dunkelheit erteilt, für die Aufzugbeleuchtung keine Vorsorge getroffen und sich um den Betrieb nicht gekümmert bzw. denselben unkontrolliert dem Zweitbeklagten überlassen habe. Darin sah das Erstgericht eigenes Verschulden des Erstbeklagten.
Das Berufungsgericht billigte wohl diese Rechtsansicht, machte den Erstbeklagten aber auch noch sowohl nach § 1311 ABGB. wie mittelbar für das Verschulden des Zweitbeklagten als Besorgungsgehilfen nach § 1315 ABGB. haftbar. Erstbeklagter habe ein Schutzgesetz, nämlich die AVO, übertreten und könne sich dieser Haftung nicht durch Überlassung der Ausführungsmaßnahmen beim Aufzugbetrieb an einen Dritten befreien, wenn dieser die Sicherheitsmaßnahmen unterlasse. Diese Haftung sei aber von Auswahl- oder Überwachungsverschulden unabhängig und es entfalle darum auch die Notwendigkeit, Unfallkausalität und Verschulden des Übertreters der AVO strenge nachzuweisen. Auf die Unkenntnis der AVO könne er sich aber gemäß § 2 ABGB. überhaupt nicht berufen. Für das Verschulden des Zweitbeklagten machte das Berufungsgericht den Erstbeklagten im Sinne der neueren Rechtsprechung zu § 1315 ABGB. haftbar, weil ein einziger Fall von Untüchtigkeit, die ja durch die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung nachgewiesen sei, genüge, um den Besorgungsgehilfen als untüchtig und den Dienstgeber als haftbar erscheinen zu lassen. Auch das Berufungsgericht lehnte die Annahme eines Mitverschuldens oder gar, wie die Revision des Erstbeklagten will, eines Alleinverschuldens der Klägerin an dem Unfall ab ...
Der Oberste Gerichtshof tritt der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über die Anwendbarkeit des § 1311 ABGB. mit Einschränkungen, denen der Vorinstanzen über das Eigenverschulden des Erstbeklagten vollständig bei, lehnt aber dessen Auslegung des § 1315 ABGB. ab.
Letztere war nicht zu allen Zeiten einheitlich. Während der Oberste
Gerichtshof bis 1938 überwiegend (GlUNF 4392, 4568, 5836, 6516,
6692, GH. 1918 S. 259, SZ. X/3, SZ. XVIII/76, SZ. XX/99a. M. GlUNF
1798, 4213) in Übereinstimmung mit der Lehre (Ehrenzweig,
Obligationenrecht 1928, S. 44; Klang, Kommentar, 2. Auflage, zu §
1315 ABGB., S. 93; Stubenrauch (8) II 673 Anm. 1) die Ansicht
vertrat, einmaliges Versagen einer sonst tüchtigen Person beweise
noch nicht Untüchtigkeit, gelangte er im Anschluß an die
Kriegsentscheidung DR. 1945, EvBl. 29, in mehreren neueren
Entscheidungen (2 Ob 155/49 = SZ. XXII/110; 2 Ob 127/50 = EvBl. 1950
Nr. 503; 3 Ob 701/50 = EvBl. 1951 Nr. 69 u. a. m., dagegen an der
älteren Auslegung festhaltend 2 Ob 181/50 = JBl. 1950, S. 482 u. a.)
zur Ansicht, daß auch bei einmaliger grobfahrlässiger Verletzung von Berufspflichten Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB. anzunehmen sei. Nunmehr ist der Oberste Gerichtshof unter ausführlicher Begründung wiederum zu seiner jahrzehntelangen früheren Auslegung der fraglichen Gesetzesstelle zurückgekehrt (1 Ob 119/52) und hält an ihr fest, da die erweiternde Auslegung den Kreis der Haftpflicht unangemessen ausdehnen würde. Ausgenommen ist nur der Fall einer aus einem einzigen Verschuldensfall hervorgehenden groben Unkenntnis betriebswichtiger Vorschriften oder Ausbildungsmangel. Da im Verfahren erster Instanz garnicht behauptet wurde (vgl. § 356 StG.), daß dem Zweitbeklagten noch andere, dem Unfall vorangehende Nachlässigkeiten dieser Art zur Last fallen - womit sich der behauptete Feststellungsmangel zu Punkt b erledigt - ist davon auszugehen, daß nur der streitgegenständliche Fall von Fahrlässigkeit und Untüchtigkeit nachgewiesen ist. Auch das Berufungsurteil legt dem Zweitbeklagten nur fehlerhaftes, culposes Verhalten am Unfallstag zur Last. Die gegenteiligen Behauptungen der klägerischen Revisionsbeantwortung erweisen sich darum als unbeachtliche Neuerungen. Eine schon aus einem einzigen Vorfall hervorgehende grobe Unkenntnis der Betriebsregeln ist von den Vorinstanzen nicht festgestellt, weshalb von Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB. hier nicht gesprochen werden kann. Die Revision mißversteht allerdings § 1315 ABGB., wenn sie glaubt, daß es bei Anwendung dieser Gesetzesstelle auf ein Verschulden ankomme. Nach der Neufassung durch die Novelle III stellt § 1315 ABGB. eine reine Gefährdungshaftung dar (Ehmer, Novellen, S. 158; Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 688; Klang, Kommentar, 2. Auflage, zu § 1315 ABGB., S. 95). sodaß der Unternehmer für die Untüchtigkeit des Gehilfen auch haftet, wenn ihm die Untüchtigkeit bei der Anstellung weder bekannt war noch bekannt sein mußte. Andernfalls läge Eigenverschulden (culpa in eligendo) vor. Vorliegend kann der Zweitbeklagte nicht schon deswegen, weil er in diesem Fall die Vorschriften der AVO außer acht gelassen hat, als untüchtig gelten.
Der Oberste Gerichtshof lehnt aber auch die von der Revisionsbeantwortung der Klägerin vertretene Ansicht ab, der Erstbeklagte hafte für den Zweitbeklagten außerdem auch als Unternehmer eines gefährlichen Betriebes. Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung SZ. XXI/46 kann hier nicht angewendet werden, da sie im Anschluß an die Lehre (Ehrenzweig, Obligationenrecht 1928, S. 690) lediglich eine analoge Anwendung sonderrechtlicher Vorschriften über die unbedingte Haftung des Unternehmers gewisser gefährlicher Betriebe, wie Eisenbahn oder Automobil, für das Verschulden jener Personen, deren er sich beim Betrieb seines Unternehmens bedient (vgl. § 4 EVerkOdg., Art. IV EG. zum KFG.), unternimmt. Ein Lastaufzug in einem gewerblichen Betrieb kann aber, wenn die Schutzvorschriften sorgfältig eingehalten werden, nicht als ein mit besonderen Gefahren für die Allgemeinheit verbundenes Unternehmen angesehen werden, dessen Betrieb strengeren Haftgrundsätzen unterstellt werden muß, wie etwa eine Hochspannungsanlage, eine Munitionsfabrik oder eine Fabrik leicht entzundlicher Stoffe oder Gase. Analogie hat immer Gleichheit des Rechtsgrundes und Schutzbedürfnisses zur Voraussetzung. Dies trifft hier nicht zu.
Dagegen ist es richtig, daß die AVO ein Schutzgesetz darstellt, welches zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht (§ 1311 ABGB.). Der Erstbeklagte hat dieses "Gesetz" mehrfach übertreten, vor allem durch die Nichterfüllung der Anmeldepflicht beim Technischen Überwachungsverein. Hiezu wurde schon zur klägerischen Revision alles Nötige gesagt. Ebenso aber durch Unterlassung der Beleuchtung der Schachtöffnung nach eingetretener Dunkelheit, weil nach den Feststellungen des Erstgerichtes die Anschaffung von Beleuchtungskörpern von ihm unterlassen wurde, teils wegen Unkenntnis der Normen der AVO, teils weil er subjektiv eine solche Beleuchtung für entbehrlich ansah. Eine weitere Übertretung liegt aber in der Unterlassung von Anordnungen und Vorsorgen für die Bewachung der Schachtöffnung. Zwar hätte das Beweisverfahren die von der Revision vermißte (Punkt c) Feststellung ermöglicht, daß Erstbeklagter dem Kellermeister die Weisung gegeben hat, daß auf der Straße immer zwei Personen sein müssen. Da aber der Erstbeklagte als Partei selbst zugeben mußte, daß diese Weisung schon deswegen aus betriebstechnischen Gründen erfolgte, damit die Arbeiten des Ver- und Entladens leichter vonstatten gehen, ist damit für ihn nichts gewonnen. Denn die mit den Verladearbeiten beschäftigten Personen haben weder Zeit noch Möglichkeit, sich der Bewachung der Schachtöffnung zu widmen. Sie können dies nur mittelbar, durch ihre Anwesenheit in der Nähe der Öffnung tun, und ihre Aufmerksamkeit nicht voll und ganz dieser Aufgabe widmen. Dies genügt aber nicht, um dem Erfordernis der Bewachung der Schachtöffnung zu entsprechen. Damit erledigt sich auch der Feststellungsmangel zu Punkt c. Die Feststellung, ob die Verspreizung gut funktionierte, ist entbehrlich, weil unabhängig davon jedenfalls eine Haftung des Erst- und Zweitbeklagten begrundet ist.
Daß die Vorschrift des § 1311 ABGB. zweiter Fall eine gemischte Gefährdungshaftung darstellt, ist richtig, ebenso aber, daß die Norm durch ihren Zweck begrenzt wird und darum nur für solche Beschädigungen gehaftet wird, denen das Gesetz vorbeugen wollte, also für kongruente (Ehrenzweig II/1, S. 44, Wolff bei Klang 2. Aufl., zu § 1311 ABGB., S. 83). Mit dieser Einschränkung kann auch der Ansicht zugestimmt werden, daß es eines strengen Nachweises des Kausalzusammenhanges und einer Vorhersehbarkeit der Folgen nicht bedarf, nicht weil die Haftung für eine Übertretung des Schutzgesetzes Verschulden nicht voraussetzt, wie Wolff l. c., S. 82 behauptet, sondern weil das auch in diesem Fall zu fordernde Verschulden (Ehrenzweig 1. c., S. 43, Anm. 33; Randa, S. 62, Zeiller III 739, GlUNF 6958, 6598, 6135 u. a. m.) schon in der Übertretung der Schutznorm liegt, die typischen Unfallsfolgen vorbeugen will, möge nun im Einzelfall der Schaden aus der Übertretung leicht vorhersehbar gewesen sein oder nicht. Vorliegend bestand diese Vorhersehbarkeit zweifellos.
Eine ganz andere Frage, die nicht mit der Haftung des Unternehmers nach § 1311 ABGB. verquickt werden darf, ist die seiner Haftung für die Übertretung des Schutzgesetzes durch seine Besorgungsgehilfen, denen er die Betriebsführung überlassen hat. Der Oberste Gerichtshof lehnt die anscheinend auch vom Berufungsgericht vertretene Ansicht Wolffs 1. c., S. 83 ab, wonach die Haftung des Unternehmers in solchen Fällen ohneweiters auf § 1311 ABGB. gestützt werden könne, weil dieser sich der ihn treffenden Haftung nicht durch Überlassung der zu beobachtenden Maßnahmen an einen anderen haftfrei machen könne, u. zw. auch dann, wenn ihm weder Auswahl- noch Überwachungsverschulden zu Last fällt. Nur der primär Haftpflichtige wird aus der Übertretung des Schutzgesetzes haftbar (SZ. XVIII/150 = Judikat 50 neu). Inwieweit der Unternehmer für eine gleichartige Übertretung einer Schutznorm durch seinen Besorgungsgehilfen Dritten haftet, bestimmt sich nicht nach § 1311 ABGB., sondern nach § 1315 ABGB., eventuell nach sondergesetzlichen Vorschriften, insoweit nicht ohnedies Haftung für Auswahl- oder Überwachungsverschulden, also für eigenes Verschulden des Unternehmers; vorliegt (vgl. auch GlUNF 6958, 6135, 6211, 6193).
Richtig ist dagegen, daß der Unfall durch das Zusammenwirken einer Reihe von Nachlässigkeiten bzw. Übertretungen der AVO herbeigeführt worden ist, ohne daß feststellbar wäre, welche dieser Nachlässigkeiten den Unfall im einzelnen verursacht hat. Die Beobachtung auch nur einer der Schutznormen wäre allenfalls genügend gewesen, ihn hintanzuhalten.
Die Ausführungen der Revision zur Rechtsrüge, die eine Kausalität einzelner Versäumnisse, vor allem der Unterlassung der Schachtöffnungsbeleuchtung, bezweifeln, sind darum nicht nur unrichtig, sondern auch belanglos, ebenso die Frage der Zulänglichkeit der nur aus der Verspreizung der aufgestellten Schachtdeckel bestehenden "Umwehrung". Es wurden eben vom Erstbeklagten bzw. Zweitbeklagten alle einschlägigen Schutzmaßnahmen außer acht gelassen.
Zutreffend sind die Darlegungen des angefochtenen und des erstgerichtlichen Urteils über das eigene Verschulden des Erstbeklagten, welches als culpa in custodiendo zu werten ist. Er durfte die Bedienung des Aufzuges nicht, wie er zugegeben hat, kontrollos dem Zweitbeklagten überlassen, ohne sich um ihn überhaupt zu kümmern. Dies auch dann nicht, wenn er den Zweitbeklagten seit Jahren als verläßlichen und versierten Kellermeister kannte, der auch in seinen früheren Dienstverwendungen mit Aufzugbetrieben befaßt war. Es ist zwar richtig, daß das Fehlen einer vorgeschriebenen Ausbildung an sich noch nicht Untüchtigkeit dartut und daß es nur darauf ankommt, ob der Gehilfe die zur Betriebsführung nötige Kenntnis besitzt, möge er sie wie immer erworben haben (SZ. XVIII/76). Aber darum durfte der Erstbeklagte doch nicht die ganze Aufzugbedienung dem Zweitbeklagten ohne Instruktion und ohne Überwachung anheimgeben. Die Untergerichte haben festgestellt, daß es sich beim Unternehmen des Erstbeklagten um einen kleineren Betrieb handelt, dessen Umfang es ihm ohneweiters möglich macht, die Arbeit seines Kellermeisters auch in dieser Beziehung zu überwachen, was einem Großunternehmer nicht zugemutet werden kann. Er mußte darum nicht nur Instruktionen über Betrieb und Sicherung des Aufzuges (vgl. Anlage II zu § 10 AVO) geben, sondern auch deren Einhaltung überwachen. Es wurde schon dargelegt, daß er dies verabsäumt hat. Ganz besonders gilt das von der Beleuchtung der Schachtöffnung nach Eintritt der Dunkelheit, die, wie schon das Urteil des Strafgerichtes ausführt, im Sinne des § 335 StG. eine Unterlassung darstellt, die schon nach ihren natürlichen, für jedermann leicht erkennbaren Folgen geeignet war, einen Unfall der prozeßgegenständlichen Art herbeizuführen.
Der Erstbeklagte haftet darum sowohl nach § 1295 ABGB. wie auch nach § 1311 ABGB., nicht aber nach § 1315 ABGB. und noch weniger kraft der sogenannten erweiterten Haftung von Unternehmern gefährlicher Betriebe.
Anmerkung
Z25084Schlagworte
Aufzug, Haftung für Unfall beim -, Besorgungsgehilfe, einmaliges Versagen, Lift, Haftung für Unfall beim -, Schadenersatz für Unfall beim Aufzug, Untüchtigkeit nicht bei einmaligem Versagen des BesorgungsgehilfenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0020OB00255.52.0402.000Dokumentnummer
JJT_19520402_OGH0002_0020OB00255_5200000_000