Norm
ABGB §1012Kopf
SZ 25/99
Spruch
Die urteilsmäßige Verpflichtung zur Rechnungslegung ist erfüllt, wenn eine formell vollständige Rechnung gelegt wurde. Der darüber hinaus bestehende Anspruch auf vollständige und wahrheitsgemäße Rechnungslegung kann - abgesehen von der Möglichkeit der Klage auf Eidesleistung nach Art. XLII EGzZPO. - prozessual nicht erzwungen werden, sondern berechtigt nur zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen.
Entscheidung vom 23. April 1952, 1 Ob 307/52.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Handelsgerichtes Wien vom 5. Dezember 1950 bewilligte dieses Gericht mit Beschluß vom 4. August 1951 zur Erwirkung der Rechnungslegung aus dem zwischen den Parteien am 8. August 1947 abgeschlossenen Schnittholzgeschäft die Exekution nach § 354 EO. Im vorliegenden Oppositionsprozeß brachte der Verpflichtete als Kläger vor, daß er am 29. August 1951, also nach Entstehung des Exekutionstitels, Rechnung gelegt habe. Eine andere Art, Rechnung zu legen, sei ihm nicht möglich, weil keinerlei Belege vorhanden seien. Der Beklagte habe dadurch, daß er den Kläger aus dem Holzgeschäft auf Bezahlung von 24.000 S geklagt habe (dritter Rechtsstreit), diese Unmöglichkeit anderweitiger Rechnungslegung anerkannt.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Rechnung vom 29. August 1951 beziehe sich so wie die frühere vom 6. Dezember 1948 nicht auf das im Exekutionstitel angeführte Schnittholz-, sondern ein davon abhängiges Rundholzgeschäft. Der exekutive Anspruch des Beklagten sei nicht erloschen.
Infolge Berufung des Klägers bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes. Es billigte dessen Rechtsansicht, daß die Rechnung dem Exekutionstitel nicht entspreche. Wenn es dem Kläger von vornherein unmöglich gewesen sein sollte, eine Rechnung über das Schnittholzgeschäft zu legen, würde es sich nicht um eine nach Erlassung des Exekutionstitels entstandene Tatsache im Sinne des § 35 EO. handeln. Die Einwendung, daß in der Einbringung einer Leistungsklage auf restliche 24.000 S ein Verzicht auf die Fortführung der Exekution liege, und daß die Leistungsklage nichts anderes als eine Interessenklage nach § 368 EO. darstelle, sei an sich verspätet vorgebracht worden, weil sie erst in der Berufung erwähnt worden sei. Aber auch wenn die Einwendung zu berücksichtigen wäre, ergäbe sich daraus, daß der Beklagten den (dritten) Prozeß führe, kein Verzicht auf die Exekution.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision (das Berufungsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes mit mehr als 10.000 S angenommen) des Klägers Folge gegeben und die Exekution für unzulässig erklärt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wenn jemand den Auftrag übernommen hat, ein bestimmtes Geschäft auf Rechnung eines anderen vorzunehmen und hiezu einen Geldbetrag erhalten hat, so erwächst ihm die Pflicht, über das Geschäft und den erhaltenen Geldbetrag Rechnung zu legen. Hat er das Geschäft nicht ausgeführt oder mit dem Gelde des Auftraggebers ein anderes Geschäft vorgenommen, das er als auf Rechnung des Auftraggebers erfolgt gelten lassen will, so besteht die Rechnungslegung eben darin, daß er einbekennt, das aufgetragene Geschäft unterlassen und ein anderes Geschäft ausgeführt zu haben. Aus der vom Kläger nach Erlassung des Exekutionstitels gelegten Verrechnung vom 29. August 1951 ergibt sich die Behauptung des Klägers, daß er das ihm aufgetragene Schnittholzgeschäft nicht vorgenommen hat, daß er sich aber für berechtigt hält, den erhaltenen Betrag, ohne überhaupt ein Geschäft abgeschlossen zu haben, auf Grund der Schwankungen in den Durchschnittspreisen für Rundholz abzurechnen, wobei er noch auf ein Übereinkommen vom 13. Juli 1949 hinweist, durch das die Abrechnungsgrundlagen verschoben worden sein sollen. Damit hat der Kläger eine formell vollständige Abrechnung gelegt. Denn der Beklagte ist damit in die Lage versetzt, seine Ansprüche auf Grundlage dieser Verrechnung dem Kläger gegenüber geltend zu machen. Er kann die Verrechnung eines Verlustes, der nicht tatsächlich eingetreten ist, sondern nur auf Grund von Durchschnittspreisen dargestellt wird, ebenso wie die Heranziehung der Durchschnittspreise für Rundholz statt für Schnittholz ablehnen und vom Kläger den vollen Betrag samt dem Gewinn zurückverlangen, der bei ordnungsmäßiger Ausführung des Geschäftes hätte erzielt werden können, wenn er glaubt, hiezu auf Grund des zwischen ihm und dem Kläger bestandenen Auftragsverhältnisses berechtigt zu sein.
Sollte der Kläger in Widerspruch zur gelegten Abrechnung tatsächlich mit dem Geld des Beklagten ein Schnittholzgeschäft abgeschlossen haben, das höheren Gewinn als den durchschnittlich zu erzielenden gebracht hat, so hätte der Kläger durch eine formell ordnungsmäßige, inhaltlich aber falsche Rechnungslegung seiner materiellen Rechnungslegungspflicht sicher nicht Genüge geleistet. Der über die formell ordnungsmäßige Rechnungslegung hinaus bestehende Anspruch auf vollständige und wahrheitsmäßige Rechnungslegung kann jedoch prozessual nicht erzwungen werden. Seine Verletzung zieht also nur Schadenersatzansprüche nach sich. Die urteilsmäßige Verpflichtung zur Rechnungslegung ist aber schon erfüllt, wenn eine formell vollständige Rechnung gelegt wurde. Es ergibt sich dies aus der Natur der Sache. Soweit der Gläubiger nachzuweisen vermag, daß die Rechnungslegung falsch ist, bedarf es der Rechnungslegung nicht mehr. Denn dann ist der Gläubiger in der Lage, die Ansprüche, die sich aus den in der Rechnung aufscheinenden Umständen ergeben, unmittelbar geltend zu machen. Kann der Gläubiger nur Gründe anführen, aus denen sich die Vermutung einer falschen Rechnungslegung ergibt, dann ist ihm durch Art. XLII EG. z. ZPO. das Mittel an die Hand gegeben, von dem Rechnungsleger, der "vermutlich von der Verschweigung einzelner Rechnungsposten Kenntnis hat", die Leistung eines Eides zu verlangen. Dies ist das einzige, wenn auch unzuverlässige Mittel, den Rechnungsleger dazu zu zwingen, das bekanntzugeben, was er verschweigen will. Die weitere Verhängung von Ordnungsstrafen ist kein geeignetes Mittel, weil es an der Möglichkeit fehlt zu überprüfen, ob die vom Verpflichteten allenfalls auch zum Teil abgeänderten Angaben nun der Wahrheit entsprechen (vgl. auch § 259 DBGB).
Der Klage war also Folge zu geben, weil der Kläger den Rechnungslegungsanspruch formell ordnungsgemäß durch die gelegte Rechnung erfüllt hat. Es ist dabei ohne Belang, daß bereits im Hauptprozeß eine Abrechnung vorgelegen ist, die nach den entwickelten Grundsätzen vielleicht bereits als Erfüllung des Abrechnungsanspruches hätte gewertet werden können und die nur der Ergänzung durch Belege bedurft hätte. Dies war damals notwendig, weil der Kläger noch nicht auf Grund von Durchschnittspreisen, sondern auf Grund der Preise eines angeblich tatsächlich abgeschlossenen Geschäftes abrechnen wollte.
Anmerkung
Z25099Schlagworte
Eid nach Art. XLII EGzZPO. aus Anlaß der Rechnungslegung, Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO., Rechnungslegung, Rechnungslegung im ExekutionsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00307.52.0423.000Dokumentnummer
JJT_19520423_OGH0002_0010OB00307_5200000_000