TE OGH 1952/6/10 4Ob53/52

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Veröffentlicht am 10.06.1952
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Norm

Vertragsbedienstetengesetz §32 (2) litg
Vertragsbedienstetengesetz §52 (5)

Kopf

SZ 25/159

Spruch

Auslegung der §§ 32 Abs 2 lit g und 52 Abs. 5 Vertragsbedienstetengesetz 1948.

Entscheidung vom 10. Juni 1952, 4 Ob 53/52.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Kläger sind seit dem Jahre 1945 Vertragsbedienstete der Bundespolizeidirektion Wien. Ihre Dienstverträge wurden am 20. Dezember 1948 gemäß § 52 Abs. 1 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 auf unbestimmte Zeit erneuert und es wurden die Kläger auf Dienstposten der neuen Personalstände für Kanzleidienst, Entlohnungsschema I, Entlohnungsgruppe d, übernommen. Mit Schreiben vom 4. Mai 1951 und 3. März 1951 wurden ihre Dienstverhältnisse im Zuge der Verringerung des Personals gemäß § 32 Abs. 2 lit. g Vertragsbedienstetengesetz 1948 gekundigt.

Das Erstgericht hat dem auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung und des Fortbestandes der Dienstverhältnisse der Kläger gerichteten Klagebegehren Folge gegeben.

Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der beklagten Partei das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens geändert.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der von den Klägern in erster Linie geltend gemachte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die von beiden Vorinstanzen getroffene Feststellung, daß sich der Arbeitsumfang bei der Dienststelle der Kläger, der Bundespolizeidirektion Wien, geändert habe und damit eine Änderung in der Organisation des Dienstes verbunden gewesen sei, findet, wofern man den Begriff der Änderung der Organisation des Dienstes so auslegt, wie es die Vorinstanzen getan haben, in den Ergebnissen des Beweisverfahrens Deckung. Wenn die Revision der Kläger gegenüber den Beweisergebnissen, auf die das Berufungsgericht seine Feststellung gegrundet hat, auf andere, allenfalls für eine andere Feststellung verwendbare Beweisergebnisse verweist, so bekämpft sie damit die Beweiswürdigung, vermag aber nicht eine Aktenwidrigkeit darzutun.

Der Oberste Gerichtshof vermag allerdings der beklagten Partei bei der Auslegung des im § 32 lit. g Vertragsbedienstetengesetz 1948 verwendeten, schon im Vertragsbedienstetengesetz 1934 vorkommenden, aus § 73 Dienstpragmatik herübergenommenen Begriffes der "Änderung in der Organisation des Dienstes" nicht zu folgen. Wie schon der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 16. Dezember 1927, Slg. NF. 922, ausgesprochen hat, bedeutet eine Verringerung des Personalstandes noch keine Änderung in der Organisation des Dienstes. Man kann nicht behaupten, daß damit, daß zur Bewältigung einer bestimmten Arbeitslast statt fünf Beamten nur drei verwendet werden, sich die Organisation des Dienstes geändert hätte. Zu einer Änderung der dienstlichen Organisation ist mehr erforderlich:

Auflassung von Abteilungen, deren Zusammenlegung, Übergang von einer dezentralisierten Geschäftsbehandlung zu einer zentralisierten oder dergleichen mehr. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites ist es aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ganz und gar belanglos, ob sich die Organisation des Dienstbetriebes bei der Bundespolizeidirektion Wien geändert hat, weil ja nach § 32 lit. g Vertragsbedienstetengesetz 1948 die Änderung des Arbeitsumfanges für sich allein einen Kündigungsgrund zu bilden vermag, allerdings nur dann, wenn diese Änderung die Kündigung notwendig macht.

Auch die Auffassung der Kläger, daß deshalb, weil im Text der Kündigungsschreiben von einer Verringerung des Personalstandes die Rede sei, die beklagte Partei, um die Berechtigung ihrer Kündigung darzutun, auch nachweisen müsse, daß sie die Kündigung im Zuge der Verringerung des Personalstandes vorgenommen habe, trifft nicht zu. Der Beisatz im Kündigungsschreiben bezeichnet nur die aus der Änderung des Arbeitsumfanges gezogene Folgerung. Im übrigen würde ja auch eine Ausscheidung von nur drei Bediensteten eine Verringerung des Personalstandes bedeuten.

Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes muß gebilligt werden, daß die Notwendigkeit einer aus einer Änderung des Arbeitsumfanges sich ergebenden Personalreduktion für sich allein den Kündigungsgrund nach § 32 lit. g des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 zu erfüllen vermag. Allerdings hat das Vertragsbedienstetengesetz 1948 die Kündigungsmöglichkeiten zumindest gegenüber der Kategorie der nichtständigen Vertragsbediensteten in der Weise eingeschränkt, daß es eine Kündigung der in das Vertragsbedienstetengesetz übernommenen Angestellten nur aus wichtigen Gründen zuläßt. Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß, solange noch nichtständige Vertragsbedienstete im Sinne des Vertragsbedienstetengesetzes 1934, also nicht übernommene Vertragsbedienstete dieser Kategorie, vorhanden sind, eine Kündigung von übernommenen Vertragsbediensteten grundsätzlich unzulässig wäre. Ein solcher Schluß läßt sich auch nicht aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der §§ 32 und 52 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 ziehen, insbesondere nicht deshalb, weil der im § 52 Abs. 1 dieses Gesetzes vorgesehene Endtermin für die Erneuerung der Dienstverhältnisse noch nicht gekommen ist. Es besteht daher derzeit noch gar keine Verpflichtung zur Kündigung von Dienstverhältnissen im Sinne des § 52 Abs. 5 des bezeichneten Gesetzes. Daher kann nicht gefolgert werden, es könne von der Kann-Bestimmung des § 32 Abs. 2 lit. g nicht Gebrauch gemacht werden, weil zunächst die Muß-Bestimmung des § 52 Abs. 5 Vertragsbedienstetengesetz 1948 vollzogen werden müsse.

Anmerkung

Z25159

Schlagworte

Kündigung von Vertragsbediensteten, Vertragsbedienstete, Kündigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1952:0040OB00053.52.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19520610_OGH0002_0040OB00053_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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