Norm
JN §54 (1)Kopf
SZ 25/172
Spruch
Eine nachträgliche Änderung des vom Kläger nach § 56 Abs. 2 JN. in der Klage angegebenen Streitwertes ist unzulässig.
Entscheidung vom 16. Juni 1952, 1 Ob 491/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
In der Klage wird begehrt, daß die Beklagte einen Viertelanteil der Liegenschaft Grundbuch R. EZ. 1130 dem Kläger zurückerstatte und in diesem Umfang in die Einverleibung von dessen Eigentumsrecht willige. Der Wert des Streitgegenstandes wurde vom Kläger gemäß §§ 56 Abs. 2 und 59 JN. mit 10.000 S angegeben. In der Streitverhandlung wendete die Beklagte unter anderem die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes ein. Darauf "berichtigte" der Kläger in seinem Schriftsatz ONr. 5 den Streitwert von 10.000 S auf 4000 S mit der Begründung, daß der erstgenannte Betrag nur infolge eines Fehlers bei der Übertragung des Stenogrammes der Klage in Reinschrift angegeben worden sei.
Das Erstgericht gab der Unzuständigkeitseinrede der Beklagten statt und wies die Klage zurück. Die Streitwertberichtigung des Klägers sei nicht zu berücksichtigen, weil schriftliche Eingaben im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht beachtet werden könnten. Zugleich sprach das Erstgericht der Beklagten die mit 607.80 S bestimmten Prozeßkosten zu.
Infolge Rekurses des Klägers änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Unzuständigkeitseinrede verworfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wurde. Die Änderung des Streitwertes im Verfahren müsse aus prozeßökonomischen Gründen berücksichtigt werden. Auf die von beiden Seiten mit Rekurs bemängelte Höhe der vom Erstgericht bestimmten Prozeßkosten ging das Rekursgericht entsprechend seiner Rechtsauffassung nicht ein.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es handelt sich im vorliegenden Fall um einen nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand, dessen Wert und Interesse der Kläger nach §§ 56 Abs. 2 und 59 JN. in der Klage anzugeben hatte. Er bezifferte sie mit 10.000 S. Da das Gesetz eine nachträgliche Änderung dieser Wertangabe nicht vorsieht, war der Kläger zu einer "Berichtigung" nicht befugt. Das Gericht war vielmehr an die ursprüngliche Bewertung gebunden und mußte nach ihr gemäß § 54 Abs. 1 JN. die sachliche Zuständigkeit beurteilen.
Der Hinweis des Klägers auf gegenteilige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ist nicht zutreffend. Denn diese Entscheidungen befassen sich nur mit der Frage, welche Wirkung der faktischen Verschiebung des Wertes infolge von Umständen, die während des Verfahrens eintreten, zukommt. Insbesondere die ausführlich begrundete Entscheidung vom 22. September 1925, Rspr. 1926, Nr. 5, deren Argumente auf Schell, Sachverhaltsänderung und Zuständigkeitsentscheidung, AnwZ. 1924 S. 88, zurückgehen, vertritt die Ansicht, daß dann, wenn ein Gericht, das zur Zeit der Klagseinbringung unzuständig war, durch nachträgliche Änderung des Sachverhaltes zuständig wird, diese Änderung bei der Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede berücksichtigt werden müsse. Denn andernfalls müßte der Kläger die Klage beim gleichen Gericht, das die Klage zurückgewiesen hatte, neuerlich einbringen und er wäre von der Möglichkeit, die Überweisung der Rechtssache gemäß § 261 Abs. 6 ZPO. zu beantragen, ausgeschlossen. In anderen Entscheidungen wird zum Ausdruck gebracht, daß auch bei der Frage, ob das Bagatellverfahren angewendet werden soll, auf Änderungen des Sachverhaltes während des Verfahrens Rücksicht genommen werden müsse.
Die auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden Ausführungen der erwähnten Entscheidungen treffen auf den vorliegenden Fall nicht zu. Hier handelt es sich nicht um sachliche Veränderungen während des Verfahrens. Ein Irrtum des Klagevertreters soll vielmehr auf dem Wege gutgemacht werden, daß der ursprünglich angegebene Wert des Streitgegenstandes nicht mehr gelten soll und ein neuer an dessen Stelle zu treten habe, ohne daß eine sachliche Verschiebung eingetreten wäre. Dazu hat der Kläger nicht das Recht. Für ihn sprechen auch Zweckmäßigkeitserwägungen nicht. Denn der Kläger konnte, als er den Irrtum in der Bewertung erkannte, die Überweisung der Rechtssache an den Gerichtshof beantragen. Daß der Kläger die Klage möglicherweise mit der Angabe eines geringeren Streitwertes neuerdings beim Erstgericht wird einbringen wollen, kann kein Grund sein, den Streitwert der vorliegenden Klage zu verändern.
Das Rekursgericht hat die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten zu Unrecht verworfen. Es wäre dem Rekurs des Klägers vielmehr in dieser Richtung nicht Folge zu geben gewesen. Dem Revisionsrekurs war deshalb stattzugeben und der erstgerichtliche Beschluß in der Hauptsache wieder herzustellen.
Bei der Entscheidung über den Revisionsrekurs hatte der Oberste Gerichtshof auch auf die beiden Kostenrekurse der Parteien gegen den erstgerichtlichen Beschluß Rücksicht zu nehmen. Der der Beklagten ist unberechtigt. Ihr Antrag Nr. 6, das Erstgericht möge über ihre Unzuständigkeitseinrede und ihre Kostenforderung mit Beschluß entscheiden, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht nötig, da sie schon in der Streitverhandlung vom 14. Jänner 1952 alle Argumente in der Zuständigkeitsfrage hatte vorbringen können. Auch die "Streitwertberichtigung" des Klägers Nr. 5 war kein ausreichender Anlaß für den Antrag Nr. 6, weil die Frage, ob diese Berichtigung zu berücksichtigen sei, zur rechtlichen Beurteilung der Sache gehört und Schriftsätze im bezirksgerichtlichen Verfahren unzulässig sind. Was den Kostenrekurs des Klägers betrifft, ist er insofern im Recht, als das Erstgericht infolge eines Additionsfehlers die Kosten von 607.80 S um 200 S zu hoch bemessen hat. Im übrigen ist die Kostenbestimmung nicht zu bemängeln.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO ..., 12 RATar.
Anmerkung
Z25172Schlagworte
Streitwert, keine nachträgliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00491.52.0616.000Dokumentnummer
JJT_19520616_OGH0002_0010OB00491_5200000_000