Norm
ZPO §239Kopf
SZ 25/234
Spruch
Ein prozessuales Anerkenntnis kann sowohl bei der ersten Tagsatzung als auch bei der Streitverhandlung, es kann mündlich oder schriftlich erfolgen und muß nicht an bestimmte Worte geknüpft sein; es bindet das Gericht, wie es auch den Anerkennenden bindet, und kann nicht widerrufen werden.
Entscheidung vom 4. September 1952, 3 Ob 514/52.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Die Klägerin begehrt die Verurteilung beider Beklagten zur ungeteilten Hand zur Bezahlung des Betrages von 20.869.60 S, welches Begehren im Zuge des Rechtsstreites auf Zahlung eines Betrages von 82.080 S erweitert wurde, mit der Begründung, es sei das ihr gehörige Haus in Sch. dadurch abgebrannt, daß der Zweitbeklagte, dem der Erstbeklagte 7000 kg ungelöschten Kalk zur Verwendung an einer Baustelle zusandte, diesen Kalk in einem an das Haus der Klägerin anstoßenden Schuppen unsachgemäß einlagerte; dieser Kalk habe sich selbst entzundet und so den Brand an ihrem Haus verursacht. Der Zweitbeklagte sei deshalb rechtskräftig vom Bezirksgericht Kitzbühel nach § 459 StG. verurteilt worden und hafte daher für den durch seine Fahrlässigkeit entstandenen Schaden. Der Erstbeklagte hafte, weil er sich eines untauglichen Gehilfen bedient und überdies keine Vorsorge dafür getroffen habe, daß die von ihm nach Sch. gesandte Kalkmenge ordnungsgemäß eingelagert werde. In der Klagebeantwortung führten beide Beklagten aus, daß ebenso wie im Rechtsstreit 3 Cg 47/50, der von anderen Klägern gegen dieselben Beklagten aus dem gleichen Rechtsgrunde anhängig gemacht wurde, nicht bestritten werde, daß das Haus der Klägerin aus dem Verschulden des Zweitbeklagten in Brand geraten sei und daß die Beklagten daher dem Gründe nach für den Schaden der Klägerin haften, daß aber die Höhe des Anspruches bestritten und nur die Verpflichtung zum Ersatz eines Schadens in der Höhe von 1869.60 S anerkannt werde. Auch bei der ersten Streitverhandlung am 22. Juni 1946 erklärten die Beklagten, lediglich die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich des den anerkannten Betrag von 1869.60 S übersteigenden Betrages zu beantragen. Erst im Zuge des Rechtsstreites bestritten die Beklagten ihr Verschulden an dem Brand und behaupteten, daß nach dem Gutachten eines in einem anderen Rechtsstreit vernommenen Sachverständigen der Brand nicht durch Selbstentzundung des Kalks entstanden sei.
Das Prozeßgericht erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß der Anspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe, weil die Beklagten den Anspruch dem Gründe nach anerkannt haben.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Eine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt die Revision in der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Beklagten den Klagsanspruch dem Gründe nach anerkannt haben und daß dieses Anerkenntnis unwiderruflich sei.
Wie bereits ausgeführt, haben die Beklagten in der Klagebeantwortung ausdrücklich erklärt, nicht zu bestreiten, daß das Haus der Klägerin durch ein Verschulden des Zweitbeklagten in Brand geraten sei und daß beide Beklagten dem Gründe nach für den der Klägerin entstandenen Schaden haften und nur die Höhe der Forderung bestreiten, weil das Haus nur mit 6000 S versichert gewesen sei und die Klägerin von der Versicherungsanstalt einen Betrag von 4130.40 S ersetzt bekommen habe, so daß sie nur 1869.60 S schulden. Auch in der Streitverhandlung haben sie erklärt, die Klagsabweisung nur hinsichtlich des den anerkannten Betrag von 1869.60 S übersteigenden Klagebegehrens zu beantragen. In der Klagebeantwortung beziehen sich die Beklagten ausdrücklich auf ihre in der bei dem gleichen Gericht anhängigen Rechtssache 3 Cg 47/50 abgegebene Erklärung bei der Streitverhandlung vom 27. Oktober 1944, inhaltlich deren sie ausdrücklich anerkennen, daß der Brand durch den eingelagerten Kalk entstanden sei und daß die Beklagten dem Gründe nach für den den dortigen Klägern entstandenen Schaden aufzukommen haben. Daraus ergibt sich aber, daß die Beklagten nicht nur zugestanden haben, es habe der Zweitbeklagte den Brand fahrlässigerweise verursacht und es hafte auch der Erstbeklagte für den entstandenen Schaden wegen Verwendung eines untüchtigen Besorgungsgehilfen und Unterlassung der Vorsorge für eine sichere Unterbringung des Kalks, sondern daß sie den geltend gemachten Anspruch dem Gründe nach anerkennen.
Ein Anerkenntnis kann sowohl bei der ersten Tagsatzung als auch bei der ersten Streitverhandlung, es kann mündlich oder schriftlich erfolgen und muß nicht an bestimmte Worte geknüpft sein. Das Anerkenntnis ist eine einseitige, daher keiner Annahme bedürftige aber durch Abgabe unwiderruflich gewordene Erklärung der Prozeßpartei an das Gericht. Die Wirkung des Anerkenntnisses ist keine des Privatrechtes, sondern eine prozessuale. Es hat eine entscheidende Bedeutung für den Urteilsinhalt, da durch das Anerkenntnis dem Gericht jede Tatsachenfeststellung, jede Benützung festgestellter Tatsachen, jede Prüfung vor; Tatsachen auf ihre Richtigkeit oder Möglichkeit abgeschnitten wird. Diese Wirkung tritt nach Ansicht einzelner Gelehrter sogar hinsichtlich der Prüfung der materiellrechtlichen Grundlagen, insbesondere der Schlüssigkeit der gegnerischen Parteibehauptungen, ein. Das Anerkenntnis ersetzt nicht nur die Feststellungen und Behauptungen, sondern es bindet das Gericht, wie es auch den Anerkennenden bindet. Ein Anerkenntnis im Rechtsstreit ist keine bloße Wissenserklärung, kein Geständnis im Sinne des § 266 ZPO., sondern eine Willenserklärung; ein Widerruf eines solchen Anerkenntnisses ist in der Zivilprozeßordnung nicht vorgesehen. Eine Erörterung der Frage, ob das Anerkenntnis, soweit es materiellrechtliche Wirkungen hat, nach den Bestimmungen des materiellen Rechtes angefochten werden kann, ist entbehrlich, weil eine ausdrückliche Anfechtung des Anerkenntnisses aus Gründen des materiellen Rechtes (Irrtum) in erster Instanz gar nicht erfolgte. Es liegen aber auch die Voraussetzungen für die Anfechtung wegen Irrtums nach § 872 ABGB. nicht vor, weil weder das Anerkenntnis noch ein diesem zugrunde liegender Irrtum von der Klägerin veranlaßt wurde oder dieser nach den Umständen auffallen mußte und weil der Irrtum auch nicht rechtzeitig aufgeklärt wurde. Daß auch ein Anerkenntnis des Klagsanspruches dem Gründe nach bindend ist, ergibt sich aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der §§ 393 und 395 ZPO., wonach ein Zwischenurteil zulässig ist, wenn über den Grund eines Anspruches entschieden werden kann und auf Grund eines Anerkenntnisses ein Urteil zu fällen ist. Wenn man diese beiden Bestimmungen zusammennimmt, so ergibt sich, daß ein Endurteil zu fällen ist, wenn sich das Anerkenntnis auf den Grund und die Höhe des Anspruches bezieht, daß aber ein Zwischenurteil zu ergehen hat, wenn nur der Grund des Anspruches allein anerkannt wird (GlUNF. 5264, SZ. III/99, Rspr. 1930 Nr. 59, 2 Ob 690/50, b 265/52). Die Untergerichte haben daher ohne Rechtsirrtum angenommen, daß die beiden Beklagten den Klagsanspruch dem Gründe nach anerkannt haben und daß dieses Anerkenntnis nicht widerruflich ist und sowohl das Gericht als auch die Beklagten bindet.
Anmerkung
Z25234Schlagworte
Anerkenntnis prozessuales, bindende Wirkung, Zwischenurteil infolge prozessualen Anerkenntnisses dem Gründe nachEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0030OB00514.52.0904.000Dokumentnummer
JJT_19520904_OGH0002_0030OB00514_5200000_000