TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/25 2003/09/0176

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Veröffentlicht am 25.02.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
VStG §21 Abs1;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des B in F, vertreten durch Dr. Josef Lagler, Rechtsanwalt in 7132 Frauenkirchen, Franziskanerstraße 62, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 29. Oktober 2003, Zl. E 019/10/2003.041/004, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer der Begehung von elf Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend für schuldig befunden, er habe am 23. April 2003 elf namentlich näher bezeichnete Ausländer (jeweils ungarische Staatsangehörige) an einem näher bezeichneten Tatort in F ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung als Hilfskräfte (für Salatschneiden) beschäftigt; hiefür wurden über ihn nach dem dritten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG elf Geldstrafen in Höhe von jeweils 2.000,-- EUR (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils vier Tage) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer verhängt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht. Er macht aber geltend, die belangte Behörde hätte seinen "Notstand im Sinne des § 6 VStG" berücksichtigen und die Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG anwenden müssen.

Die §§ 6 und 21 Abs. 1 VStG lauten:

"§ 6. Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Absehen von der Strafe

§ 21. (1) Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand (der Täter einer Verwaltungsübertretung) sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Wirtschaftliche Nachteile können nur dann Notstand begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeiten selbst unmittelbar bedrohen. Zum Wesen des Notstands gehört es des weiteren, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist, und dass die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band II, zweite Auflage 2000, Seite 124, E 8 wiedergegebene Judikatur).

Ein Arbeitgeber, der das - dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes und dem Schutz der inländischen Arbeitnehmer dienende - Gebot des § 3 Abs. 1 AuslBG, einen ausländischen Arbeitnehmer ohne behördliche Bewilligung nicht zu beschäftigen, nicht einhält, nur um eine wenn auch schwere Gefahr für sein Vermögen abzuwenden, kann sich - von ganz ungewöhnlichen, im Beschwerdefall nicht gegebenen Umständen abgesehen - unter dem Gesichtspunkt der Interessensabwägung dann nicht zu Recht auf Notstand berufen, wenn er Möglichkeiten zur Abwendung der eingetretenen Zwangslage nicht rechtzeitig wahrgenommen hat (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 2. Dezember 1993, Zl. 93/09/0186, vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/09/0290, und vom 19. Dezember 2000, Zl. 98/09/0329).

Davon ausgehend und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers ist fallbezogen schon aus folgenden Erwägungen kein Notstand vorgelegen:

Der Beschwerdeführer hat eine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung bei der zuständigen Bewilligungsbehörde nicht beantragt, und er behauptet nicht, dass er sich zu irgendeinem Zeitpunkt (vor dem Einsatz der von ihm verwendeten Ausländer) an das zuständige Arbeitsmarktservice gewendet habe, um Inländer oder Ausländer für diese Erntearbeiten rechtmäßig beschäftigen zu können. Dass Inländer nicht zur Verfügung gestanden seien, und er die arbeitsmarktbehördliche Genehmigung für Ausländer nicht rechtzeitig erwirken hätte können, behauptet der Beschwerdeführer wohl, er hat diese - nicht offenkundigen und daher beweisbedürftigen - Behauptungen aber nicht nachgewiesen. Von daher steht sachverhaltsmäßig nicht fest, ob die vom Beschwerdeführer nur behauptete "Zwangslage" bzw. Unmöglichkeit, Inländer zu verwenden, vorgelegen ist. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, er habe Dienste der Arbeitsvermittlung in Anspruch genommen, um Inländer als Erntearbeiter anzuwerben und beschäftigen zu können. Der (den vorgelegten Verwaltungsstrafakten entnehmbare) den Ausländern in Aussicht gestellte Stundenlohn von "3,-- EUR" zeigt vielmehr, dass der Beschwerdeführer an der Verwendung inländischer Arbeitskräfte, die zu diesen Arbeitsbedingungen jedenfalls nicht hätten beschäftigt werden dürfen (können), schon aus diesen wirtschaftlichen Überlegungen nicht ernstlich interessiert war. In seiner niederschriftlichen Vernehmung (am 26. Juni 2003) hat der Beschwerdeführer angegeben, "das Anmelden beim AMS dauert ca. 12 Tage". In seiner Beschwerde behauptet er, die Salatpflanzen seien "vor den Osterfeiertagen noch äußerst klein" gewesen, und er habe (damals) davon ausgehen dürfen, dass "die Salatpflanzen in ca. 14 Tagen erntereif sein werden". Von daher hätte der Beschwerdeführer - folgt man seinem Vorbringen - aber zu dem behaupteten Zeitpunkt der Besichtigung der Salatpflanzen eine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung für eine Verwendung von Ausländern als Erntearbeiter beantragen müssen, um 12 Tage später über diese Bewilligung zu verfügen. Der Beschwerdeführer hat - nach seiner Darstellung - allerdings keinen Versuch unternommen, solche Genehmigungen zu erlangen.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer habe die von ihm behauptete "Zwangslage" selbst verschuldet, und er habe ihm zur Verfügung stehende zumutbare Mittel nicht ausgeschöpft.

Die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG kam im Beschwerdefall deshalb nicht in Betracht, weil das Verschulden des Beschwerdeführers - sein Verhalten ist zumindest als grob fahrlässig anzusehen - nicht geringfügig ist, und auch die Folgen der Übertretungen - es wurde eine nicht unerhebliche Anzahl an ausländischen Arbeitskräften unerlaubt und zudem zu rechtswidrigen Lohnbedingungen verwendet - nicht als unbedeutend zu beurteilen sind.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 25. Februar 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003090176.X00

Im RIS seit

23.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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