Norm
ABGB §802Kopf
SZ 25/254
Spruch
In der Aufnahme einer Nachlaßschuld in das Inventar in Abwesenheit des Gläubigers liegt weder ein deklaratives noch ein konstitutives Anerkenntnis.
Entscheidung vom 1. Oktober 1952, 3 Ob 487/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Maria K., die Großmutter der Beklagten, war Eigentümerin des Hauses Klagenfurt, J.straße. Dieses Gebäude erlitt im Winter 1944/45 durch Bombentreffer erhebliche Beschädigungen. Der Kläger, Eigentümer des Nachbarhauses, ließ die Schäden für Maria K. beheben. Maria K. ist am 1. April 1949 gestorben. Zu ihrem Nachlaß gehörte das erwähnte Haus. Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 17. Oktober 1949 wurde der Nachlaß zu 3/4 der Beklagten, der Enkelin der Erblasserin, und zu 1/4 dem erblasserischen Witwer Alois K. eingeantwortet.
Der Kläger meldete die Forderung von 6000 S zur Verlassenschaft nach Maria K. an. Die Forderung wurde in der Verlassenschaftsabhandlung vom 8. Juni 1949 in der "anerkannten" Höhe von 6000 S in das Inventar aufgenommen.
Die Beklagte hat auf diese Forderung als Teilerbin einen Betrag von 2000 S vor Einbringung der Klage bezahlt. Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des weiter auf sie als Teilerbin entfallenden Betrages von 2500 S. Die Beklagte bestritt die Höhe des Anspruches und wendete ein, daß mit dem bezahlten Betrag von 2000 S alle Ansprüche des Klägers, der die Arbeiten aus rein nachbarlicher Hilfsbereitschaft habe vornehmen lassen, abgegolten seien. Ein gültiges Anerkenntnis liege nicht vor.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren Folge gegeben, im wesentlichen mit der Begründung, daß die Forderung des Klägers in der Höhe von 6000 S von der Beklagten in der Verlassenschaftsabhandlung anerkannt worden sei.
Auf die Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Erstgericht hat der Aufnahme der Schuld der Erblasserin an den Kläger in das Nachlaßinventar in dem "anerkannten" Betrag von 6000 S die Bedeutung eines selbständigen Verpflichtungsgrundes beigelegt. Mit Recht hat das Berufungsgericht diese Auslegung abgelehnt. Ein konstitutiver Anerkenntnisvertrag - ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das dem Vergleich im Sinne der §§ 1380 ff. ABGB. nahe verwandt ist - würde die Absicht der Erklärenden voraussetzen, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen; davon kann aber bei einer in Abwesenheit des Gläubigers vorgenommenen Aufnahme einer Nachlaßschuld in das Inventar keine Rede sein.
Wenn überhaupt, könnte daher der Aufnahme der Nachlaßschuld in das Inventar nur die Bedeutung einer sogenannten deklarativen oder unechten Anerkennung beigelegt werden. Nach herrschender Lehre (vgl. Klang, 2. Aufl., zu § 1497 ABGB., S. 652) ist allerdings auch zu einem unechten Anerkenntnis erforderlich, daß die Anerkennungserklärung dem Gläubiger selbst oder seinem Vertreter gegenüber abgegeben wird. An dieser Voraussetzung mangelt es im vorliegenden Fall, weil der Gerichtskommissär, wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat, bei der Verlassenschaftsabhandlung nicht als Gläubigervertreter fungiert (vgl. Klang a. a. O. Note 10). Selbst wenn man sich aber der in den Entscheidungen GlU. 12631 und EvBl. 1934 Nr. 376 vertretenen gegenteiligen Ansicht anschlösse, es also genügen ließe, daß die Anerkennung in einer Art und Weise vor sich ging, daß der Gläubiger hievon Kenntnis erlangen konnte, wäre für den Standpunkt der klagenden Partei nicht viel gewonnen. Denn ein deklaratorisches Anerkenntnis, das die Schuld lediglich bestätigen soll, erlaubt dem Gläubiger allerdings, sich auf die Anerkennung zum Beweis seiner Forderung zu berufen; dem anerkennenden Schuldner steht es aber frei, dieser Anerkennung durch den Beweis des Nichtbestehens der Schuld zu entkräften (SZ. XII/104, GlU. 9780; Ehrenzweig, System, Allgemeiner Teil 1951, S. 360).
Eine weitergehende Bedeutung hätte die Anerkennung einer Nachlaßschuld bei der Verlassenschaftsabhandlung nur dann, wenn sie im Zuge einer Gläubigerkonvokation auf einer Liquidierungstagfahrt nach Einvernahme des Gläubigers und des Erben gemäß § 136 AußstrG. erklärt würde.
Wie das Berufungsgericht daher zutreffend ausgeführt hat, war das Verfahren in erster Instanz, das sich wegen der Aufnahme der Nachlaßschuld in das Inventar mit der vom Berufungsgericht als streitentscheidend erkannten Frage nicht befaßt hat, mangelhaft.
Anmerkung
Z25254Schlagworte
Anerkenntnis nicht durch Aufnahme der Nachlaßschuld in das Inventar, Inventar, Aufnahme einer Nachlaßschuld kein Anerkenntnis, Nachlaßschuld, Aufnahme ins InventarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0030OB00487.52.1001.000Dokumentnummer
JJT_19521001_OGH0002_0030OB00487_5200000_000