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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG über die vorzeitige Alterspension infolge Zumutbarkeit der Beschreitung des gerichtlichen RechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Der Antragsteller war bis zum 31. Oktober 1998 unselbständig erwerbstätig. Im Rahmen eines Sozialplanes bezog er eine - für den Zeitraum zwischen Beendigung des Dienstverhältnisses und Vollendung des 60. Lebensjahres bemessene - Überbrückungshilfe.
1.2. Er beantragt, näher bezeichnete Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG BGBl. Nr. 189/1955 idF des Art1 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 92/2000 bzw. 101/2000, als verfassungswidrig aufzuheben.
Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, die durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 erfolgte Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§253a ASVG) bzw. bei langer Versicherungsdauer (§253b ASVG) widerspreche dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes und sei daher verfassungswidrig.
In eventu wendet sich der Antrag gegen die Übergangsbestimmung des §588 Abs7 ASVG, wonach als Antrittsalter für die vorzeitigen Alterspensionen ua. für männliche Versicherte, die - wie der Antragsteller - vor dem 1. Oktober 1945 geboren sind, weiterhin das 60. Lebensjahr gilt, sofern der Versicherte 540 Beitragsmonate erworben hat, wobei auch (bestimmte) Ersatzzeiten (Zeiten der Kindererziehung - §§227a und 228a ASVG; ferner Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes - §227 Abs1 Z7 und 8 ASVG) zu berücksichtigen sind. Der Antragsteller sieht es als unsachlich an, daß - ebenfalls als Ersatzzeiten geltende (§227 Abs1 Z5 ASVG) - Zeiten, während derer er Geldleistungen nach dem AlVG bezogen hat, im Rahmen des §588 Abs7 ASVG nicht zu berücksichtigen sind.
2. Der Antrag ist unzulässig:
2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der Betroffenen unmittelbar eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem unmittelbar betroffenen Normadressaten aber kommt diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in seiner späteren Judikatur mehrfach, zB in VfSlg. 8148/1977, 8241/1978, 8276/1978 und 8485/1979 bekräftigt hat) für die Antragslegitimation darüber hinaus auch erforderlich, daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.
2.1. Ein solcher zumutbarer Weg steht dem Antragsteller im vorliegenden Fall aber zur Verfügung:
Zur Feststellung der vorzeitigen Alterspension ist ein Verfahren vor der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt (§354 Z1 iVm §367 ASVG) und im Streitfall im Wege einer sukzessiven Zuständigkeit ein gerichtliches Leistungsstreitverfahren (§§64 ff ASGG) vorgesehen. Für den Fall, daß das in zweiter Instanz einschreitende Gericht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers teilt, wäre dieses verpflichtet, im Wege eines Antrags an den Verfassungsgerichtshof (Art89 Abs2 zweiter Satz iVm Art140 Abs1 erster Satz B-VG) ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
Der Antragsteller hätte daher diesen - ihm zumutbaren - Weg zu beschreiten, um die von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeiten im gerichtlichen Instanzenzug geltend zu machen (vgl. zB VfSlg. 9220/1981, 10.592/1985, 12.779/1991).
Dabei ist die Frage, ob und inwieweit das in zweiter Instanz zuständige Gericht sich veranlaßt sieht, der Kritik der Partei an der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung zu folgen, nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 9926/1984). Denn es kommt nicht auf die materiellen Erfolgschancen des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges an, sondern darauf, daß im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit besteht, die vom Antragsteller angenommenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 8552/1979, 9170/1981, 9394/1982, 10592/1985).
3. Der Antrag war daher mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dies konnte ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953).
Schlagworte
Arbeits- u Sozialgerichtsbarkeit, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Sozialversicherung, Pensionsversicherung, VfGH / Individualantrag, Kompetenz sukzessiveEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G139.2001Dokumentnummer
JFT_09989388_01G00139_00