Norm
Arbeitsgerichtsgesetz §1Kopf
SZ 25/309
Spruch
Die Arbeitsgerichte sind nicht zuständig, einstweilige Verfügungen zu erlassen. Die vom unzuständigen Gericht vorgenommenen Sicherungshandlungen bleiben aber aufrecht und nur die Verfahrensfortsetzung obliegt dem zuständigen Gericht.
Entscheidung vom 25. November 1952, 4 Ob 163/52.
I. Instanz: Arbeitsgericht Voitsberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Kläger brachte beim Arbeitsgericht Voitsberg die Klage auf Bezahlung verschiedener Entgeltsforderungen in der Höhe von 16.712.66 S ein und verband damit den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Verwahrung beweglicher Sachen der Beklagten, Veräußerungs- und Verpfändungs- sowie Drittverbot.
Das Erstgericht bewilligte die einstweilige Verfügung.
Aus Anlaß des Rekurses der beklagten Partei hob das Rekursgericht die einstweilige Verfügung und das vorausgegangene Verfahren über diese als nichtig auf und wies den Antrag auf Erlassung einer solchen Verfügung zurück. Arbeitsgerichte seien zur Bewilligung einstweiliger Verfügungen ebensowenig zuständig wie zur Bewilligung der Exekution. Diese Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes müsse in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrgenommen werden und führe zur Nichtigerklärung des darauf bezüglichen Verfahrens.
Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem auf, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Nichtigkeitsgrund über den Rekurs der beklagten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
§ 1 ArbGerG. führt erschöpfend an, für welche Gerichtshandlungen die Arbeitsgerichte sachlich zuständig sind. Dazu gehören bürgerliche Rechtsstreitigkeiten besonderer Art. Über diesen gesetzlich umrissenen Rahmen hinaus besteht die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht. Insbesondere haben sie keine exekutionsrechtlichen Verfügungen zu treffen, wie dies für die Hereinbringungs- und Sicherstellungsexekution im § 30 Abs. 2, 3 ArbGerG. ausdrücklich normiert ist. Nicht anders ist das Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zu behandeln. Auch in dieser Richtung fehlt es an einer besonders angeordneten sachlichen Zuständigkeit für die Arbeitsgerichte. (Vgl. Kapfer, Arbeitsgerichtsgesetz, S. 59, Nedjela - Krejci, Das österreichische Arbeitsrecht, B 1, S. 28, Kollroß, Die Gewerbegerichtsbarkeit Österreichs, S. 55. Die von letzterem erwähnte andersgeartete Regelung im Gesetzentwurf 1936 ist nicht Gesetz geworden. Die auf § 524 Abs. 2 ZPO. - Sicherungsmaßregeln bei Verfahrenshemmung infolge Rekurses - und § 458 ZPO. - einstweilige Vorkehrungen im Besitzstörungsverfahren - gestützte gegenteilige Meinung Stagel's,
Die Rechtsmittel des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, ÖJZ. 1952, S. 547, ist nicht überzeugend. Denn die beschränkte Möglichkeit einstweiliger Vorkehrungen in Einzelfällen läßt eine ausdehnende Anwendung mit Rücksicht auf die Tendenz des Gesetzes, die Tätigkeit der Arbeitsgerichte auf das Erkenntnisverfahren zu beschränken, nicht zu.)
Wenngleich aber das Erstgericht zur Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht zuständig war, hat dies nicht zur Folge, daß die Verfügung selbst und das ganze dazugehörige Verfahren als nichtig aufzuheben wäre. Denn die vom unzuständigen Gericht angeordneten und vollzogenen Sicherungshandlungen bleiben gemäß §§ 138, 261 Abs. 6 ZPO., § 44 Abs. 3 JN., §§ 78, 402 EO. aufrecht und nur die Verfahrensfortsetzung geht auf das zuständige Gericht, an das gemäß § 44 JN. zu überweisen ist, über. Darauf verweisen schon die Entscheidungen vom 12. November 1912, GlUNF. 6134, vom 6. November 1950, 2 Ob 724/50, und vom 18. April 1951, 1 Ob 123, 124/51. Bevor es zur Überweisung zu kommen hat, muß über das gegen die einstweilige Verfügung von der beklagten Partei erhobene Rechtsmittel aber noch von dem bisher zuständigen Rekursgericht sachlich entschieden werden.
Anmerkung
Z25309Schlagworte
Arbeitsgericht, keine Zuständigkeit für einstw. Verfügung„ Sicherungsmaßnahmen bleiben aufrecht, Einstweilige Verfügung keine Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes„ Sicherungsmaßnahmen bleiben aber aufrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0040OB00163.52.1125.000Dokumentnummer
JJT_19521125_OGH0002_0040OB00163_5200000_000