Norm
ZPO §233 (2)Kopf
SZ 25/312
Spruch
Im Eheverfahren kann auch der Widerkläger des Vorprozesses, der seine Widerklage vor Urteilsfällung ohne Stellung eines Mitschuldantrages zurückgezogen hat, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 530 ZPO. die Wiederaufnahmsklage einbringen.
Entscheidung vom 26. November 1952, 2 Ob 341/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat die Klage auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Ehescheidungsverfahrens zurückgewiesen, weil der Wiederaufnahmskläger in dem Verfahren, dessen Wiederaufnahme nunmehr beantragt wird, seine (Wider-) Klage zurückgezogen hat, wodurch er konkludent zu verstehen gab, daß er auf die Geltendmachung seiner Ehescheidungsgrunde verzichte.
Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und die Einleitung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage angeordnet.
Der Oberste Gerichtshof hat den Beschluß des Rekursgerichtes bestätigt.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Den Ausführungen des Revisionsrekurses, daß zwei Verfahren anhängig waren, kann nicht beigepflichtet werden. Es ist richtig, daß die auf Verschuldenstatbestände gestützte Scheidungsklage des Ehemannes zurückgezogen wurde und daß der Ehemann gegen das von der Ehefrau angestrengte Scheidungsbegehren von der prozessualen Möglichkeit, das Mitverschulden einzuwenden, keinen Gebrauch gemacht hat. Aber daraus folgt noch nicht, daß zwei verschiedene Verfahren anhängig waren. Die beiden auf Scheidung der Ehe gerichteten Klagen wurden mit Beschluß vom 10. Dezember 1948 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden; beide Klagen waren auf das gleiche Ziel gerichtet. Der Ausspruch, daß die Ehe geschieden wird, konnte nur einmal ergehen, weil eine bereits geschiedene Ehe nicht noch einmal geschieden werden kann.
Wenn der Ehemann nunmehr behauptet, in Kenntnis von neuen Tatsachen oder Beweismitteln gekommen zu sein, die ihn davon abgehalten hätten, seine Scheidungsklage zurückzuziehen, so geht das damit beantragte Wiederaufnahmsverfahren nicht über den möglichen Prozeßstoff des seinerzeitigen Scheidungsverfahrens hinaus. Es wird damit nur die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung der Hauptsache behauptet, wenn die neuen Tatsachen im früheren Verfahren hätten vorgebracht und benützt werden können.
Daß die Wiederaufnahmsklage im Eheverfahren zulässig ist, wird ungeachtet der rechtsgestaltenden staatsrechtlichen Wirkungen von Scheidungsurteilen in Lehre und Rechtsprechung bejaht.
Wird die Wiederaufnahmsklage für zulässig gehalten, dann besteht kein Anhaltspunkt, die Wiederaufnahmsmöglichkeiten einschränkend auszulegen. So hat der Oberste Gerichtshof die Wiederaufnahmsklage auch dann für zulässig erachtet, wenn einer der Ehegatten sich wieder verheiratet hatte (2 Ob 243/52, 1 Ob 567/49), und an der vom Reichsgericht in der Entscheidung RG. 171, 39 ausgesprochenen Möglichkeit einer Wiederaufnahmsklage zwecks Abänderung der Verschuldensfrage festgehalten (vgl. außer der vom Rekursgericht angeführten Entscheidung SZ. XXIII/6 noch 1 Ob 701/50 und 2 Ob 757/51).
Anmerkung
Z25312Schlagworte
Ehescheidung Wiederaufnahmsklage trotz zurückgezogener Widerklage Mitschuldantrag, Rückziehung im Hauptprozeß kein Hindernis für Wiederaufnahmsklage Widerklage, Zurückziehung der - im Eheprozeß hindert nicht Wiederaufnahmsklage Wiederaufnahmsklage trotz Zurücknahme der Widerklage im EheprozeßEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0020OB00341.52.1126.000Dokumentnummer
JJT_19521126_OGH0002_0020OB00341_5200000_000