Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Strobele als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Wahle und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hohenecker, Dr. Schuster und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Wien Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Georg Müller, Rechtsanwalt, Wien II., Gredlerstraße 5, wider die beklagte Partei R***** und Co., ***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Franz Tlapek, Rechtsanwalt, Wien I., Schottengasse 4, wegen 275.272,20 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 1. September 1952, GZ 1 R 588/52-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16. April 1952, GZ 9 Cg 10/52-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, binnen 14 Tagen der Beklagten die mit S 4.188,98 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies die auf Zahlung von 275.272,20 S gerichtete Schadenersatzklage, ohne Beweise durchzuführen, ab. Nach der Behauptung der Klägerin habe diese dadurch einen Schaden erlitten, dass der dem Frachtführer T***** von der Klägerin überlassene Krupp-Lastkraftwagen anlässlich einer Fernfahrt für die Beklagte infolge eines von dieser und T***** begangenen Schmuggels beschlagnahmt worden sei, wodurch die Schulden T***** an die Klägerin uneinbringlich geworden seien. Das Verhalten der Beklagten könne aber nicht als kausal angesehen werden, weil T***** die von der Beklagten vorgeschlagene Schmuggelfahrt freiwillig unternommen und daher nur seinerseits den angeblichen Schaden verursacht habe. Da T***** selbständiger Unternehmer gewesen sei, könnten auch die § 1313a und 1315 ABGB nicht angewendet werden. Es sei daher ohne Belang, ob die Beklagte von den Schmuggelfahrten wirklich Kenntnis gehabt habe. Wenn die Klägerin zur Begründung ihres angeblichen Schadenersatzanspruchs noch vorgebracht habe, dass die Beklagte dem Frächter T***** zu geringe Fuhrlöhne bezahlt habe, wodurch dessen Fahrten unrentabel geworden seien, so könne die Klägerin auch aus diesem Grund keinen Schadenersatz von der Beklagten verlangen. Denn es wäre nach Ansicht des Erstgerichtes Sache des T***** gewesen, Schritte zu unternehmen um zum rechtmäßigen Fuhrlohn zu kommen.
Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. T*****, der nach der Behauptung der Klägerin dieser größere Beträge schulde und durch die Begehung eines Schmuggels die Beschlagnahme des ihm von der Klägerin überlassenen Krupp-Lastkraftwagens verschuldet habe, hafte der Klägerin aus dem Rechtstitel des Darlehensvertrages für die ganze noch aushaftende Schuld und aus dem Titel des Schadenersatzes für den Wert des beschlagnahmten Kraftwagens. Aus dem letztgenanten Titel könnte auch der Angestellte der Beklagten A***** nach § 1301 ABGB haften, wenn er sich am Schmuggel beteiligt haben sollte. Er könne aber nach Ansicht des Berufungsgerichtes wegen der Uneinbringlichkeit der Darlehensforderung der Klägerin nicht haftbar gemacht werden, weil die Täter nicht die Absicht gehabt hätten, gerade die Forderung der Klägerin durch ihr Delikt notleidend zu machen. Schon bei A***** sei daher die Kausalkette in dieser Richtung unterbrochen und auch die Beklagte könnte nach § 1315 ABGB für die Uneibringlichkeit der Darlehensforderung nicht haftbar gemacht werden. Dies käme nur dann in Frage, wenn von der Klägerin der Wert des beschlagnahmten Lastkraftwagens als Schaden geltend gemacht worden wäre. Denn dann wäre das Verhalten des A***** und allenfalls das der Beklagten für den Verlust kausal. Einen derartigen Schaden wolle aber die Klägerin, die sich nur auf die Uneinbringlichkeit ihrer Forderung gegenüber T***** gestützt habe, nicht in Anspruch zu nehmen. Mit Rücksicht auf das eigene Vorbringen der Klägerin müsse die Klage daher abgewiesen werden.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin, worin der Revisionsgrund unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht und der Revisionsantrag gestellt wird, die Urteile der Untergerichte aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Der Annahme des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe nur den Schaden geltend gemacht, der durch die Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen gegen T***** entstanden sei, kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat den Sachverhalt in ausführlicher Weise geschildert und zum Ausdruck gebracht, dass sie den Krupp-Lastkraftwagen dem T***** zu dem Zweck überlassen habe, damit dieser durch Fuhrlöhne in die Lage versetzt werde, seine Schulden an sie zu bezahlen. Die Klägerin hat auch vorgebracht, dass sie sich das Eigentum am Kraftwagen vorbehalten habe, offensichtlich damit sie in der Lage wäre, ihn als Sicherheit zu benützen. Wenn die Klägerin weiter darauf hingewiesen hat, dass durch den Verlust des Kraftwagens dessen Finanzierung und die Abdeckung der notleidenden Kredite T***** unmöglich geworden sei, wollte sie zum Ausdruck bringen, dass sie durch die Beschlagnahme des Kraftwagens auch direkt und nicht nur auf dem Umweg über den Erwerbsverlust T***** und dessen Zahlungsunfähigkeit geschädigt worden sei. Denn es kann dem Vorbringen der Klägerin immerhin entnommen werden, dass ihr Schaden auch dadurch entstanden sei, dass ihr das Sicherungsobjekt für die Finanzierung des Kraftwagens, nämlich dieser selbst, verloren gegangen sei.
Der Meinung des Berufungsgerichtes, auf die Frage des Verlustes des Kraftwagens und der damit verbundenen direkten Schädigung der Klägerin könne mangels Geltendmachung nicht eingegangen werden, vermag das Revisionsgericht darum nicht zu folgen.
Nichtsdestoweniger ist im Ergebnis der Entscheidung des Berufungsgerichtes zuzustimmen.
§ 1295 ABGB sagt, dass "jedermann", der berechtigt ist, vom Beschädiger den Ersatz des Schadens zu fordern, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat. In konstanter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird angenommen, dass das Wort "jedermann" nicht wörtlich zu nehmen sei und dass nur ein unmittelbar durch die rechtswidrige Handlung Verletzter - von der Sondervorschrift des § 1327 ABGB abgesehen - Schadenersatz begehren kann (SZ XIII/141; XVI/202 und 223; EvBl 316/1941 u.a.).
Ob jemand als unmittelbar Geschädigter anzusehen ist, richtet sich darnach, ob die Norm, die der Schädiger verletzt hat, den Schutz der Interessen des Beschädigten bezweckt (SZ XIII/141, XV/223 uam). Das Schmuggelverbot, dessen Übertretung der Beklagten zur Last gelegt wird, bezweckt aber nur den Schutz der staatsfinanziellen Interessen, nicht aber die Interessen der klagenden Firma. Wenn also der Beklagten durch die behauptete strafbare Handlung der Klägerin und die mit der Straftat zwangsläufig verbundene Konfiskation des Lastkraftwagens geschädigt worden ist, so ist die Beklagte doch nur als mittelbar geschädigte Person anzusehen, die nach der Judikatur einen Schadenersatz nicht begehren kann. Die klagende Firma kann sich daher nur an ihren Vertragspartner halten, der kraft seines Vertragsverhältnisses zur Klägern verpflichtet war, alles zu unterlassen, was die Rechte der Klägerin beeinträchtigen kann, während die Beklagten in keinem Rechtsverhältnis zur Klägerin stand, da die bloße Zession bzw Anweisung des Frachtführer, die ins Verdienen gebrachten Frachtlöhne direkt an die Klägerin auszuzahlen, die Beklagte nur zur Einhaltung dieser Zession bzw Anweisung verpflichtet, ihm aber keine weitergehenden Verpflichtungen auferlegt.
Dass die Beklagten bei angeblicher Anordnung der Schmuggelfahrten voraussehen konnte, dass der Lastkraftwagen, wenn eine Verurteilung erfolgt, vom Staate konfisziert werden könnte, ist rechtlich bedeutungslos, weil der Übeltäter auch für einen voraussehbaren indirekten Schaden nicht haftet.
Das Berufungsurteil musste daher, wenn auch aus anderen Erwägungen, bestätigt werden.
Der Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E73495 1Ob934.52European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00934.52.1210.000Dokumentnummer
JJT_19521210_OGH0002_0010OB00934_5200000_000