TE OGH 1953/1/13 4Ob5/53

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Veröffentlicht am 13.01.1953
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Norm

Arbeitsgerichtsgesetz §25 Abs1 Z1
Zivilprozeßordnung §467
Zivilprozeßordnung §496 Z2

Kopf

SZ 26/10

Spruch

In der Berufungsschrift im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren sind das sonst vorgeschriebene tatsächliche Vorbringen und die Beweismittel, durch die die Wahrheit der Berufungsgrunde erwiesen werden kann, entbehrlich.

Das Berufungsgericht darf im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Sache nur dann nicht an das Prozeßgericht zurückverweisen, wenn sich der Mangel des Verfahrens aus Tatsachen ergibt, die erst im Berufungsverfahren neu vorgebracht wurden.

Entscheidung vom 13. Jänner 1953, 4 Ob 5/53.

I. Instanz: Arbeitsgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger, der nach seiner Behauptung in der Zeit vom 21. Feber 1949 bis 21. März 1952 Provisionsvertreter beim Beklagten war, macht Entgeltsansprüche in der Höhe von 38.257.79 S geltend und verlangt, daß ihm der Beklagte Rechnung lege, damit die ihm zustehenden indirekten Provisionsansprüche festgestellt werden könnten.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Gegen das erstgerichtliche Urteil erhob der Kläger durch einen Rechtsanwalt Berufung, in der er das Berufungsgericht bezeichnete, das angefochtene Urteil anführte, die bestimmte Erklärung abgab, inwieweit das Urteil angefochten werde, und den Berufungsantrag stellte, das Urteil dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 467 Z. 1, 2, 3 ZPO.).

Das Berufungsgericht gab der Berufung, die es als vorschriftsmäßig ansah, Folge, hob das erstgerichtliche Urteil wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens nach § 496 Z. 2 ZPO. auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. Es seien die vom Kläger schon in erster Instanz beantragten Zeugen über die Höhe der vereinbarten Provision ebensowenig vernommen worden, wie die Parteien, was zur Beurteilung der Rechtsgrundlagen der klägerischen Ansprüche sehr wesentlich sei. Mit Rücksicht darauf, daß die erwähnten Beweismittel schon in erster Instanz beantragt worden seien und es sich daher um einen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens handle, sei das Berufungsgericht trotz der im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden vollen Berufung befugt, nicht selbst die Beweise durchzuführen, sondern das angefochtene Urteil des Erstgerichtes aufzuheben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Meinung des Rekurswerbers, die Berufungsschrift weise formelle Mängel auf, die ihre sachliche Behandlung verhindere, kann nicht gefolgt werden. Der Kläger hat in seiner Berufungsschrift zwar keinen Berufungsgrund angeführt. Dazu war er aber nach § 25 Abs. 1 Z. 1 ArbGG. befugt. Denn nach dieser Gesetzesstelle bedarf es, soweit es sich nicht um Bagatellsachen handelt, der Anführung von Berufungsgrunden in der Berufungsschrift nicht. Das Gesetz spricht nicht ausdrücklich davon, ob auch das nach § 467 Z. 4 ZPO. für die Berufungsschrift im allgemeinen vorgeschriebene tatsächliche Vorbringen und die Beweismittel, durch die die Wahrheit der Berufungsgrunde erwiesen werden könne, im arbeitsgerichtlichen Verfahren entbehrlich sind. Allein aus der Möglichkeit, die Anfechtungsgrunde, also die zusammenfassende Bezeichnung der einzelnen Beschwerdetatsachen, wegzulassen, folgt notwendigerweise auch die Befugnis, diese Tatsachen selbst in die Berufungsschrift nicht aufzunehmen und beides der Berufungsverhandlung vorzubehalten. Denn wenn Berufungsausführungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgeschrieben wären, aus denen sich die Berufungsgrunde, die damit in innigstem Zusammenhang stehen, notwendigerweise ergeben müßten, wäre die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 1 ArbGG., die die Anführung von Berufungsgrunden erläßt, illusorisch. Der von Stagel, Die Rechtsmittel im arbeitsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ. 1952, S. 539, erhobene Einwand, es sei dem Berufungsgericht mangels Kenntnis der Beschwerdepunkte die der Berufungswerber geltend machen wolle, nicht möglich, die notwendigen prozeßleitenden Verfügungen vor der Berufungsverhandlung zu treffen, wodurch sich Verzögerungen des Verfahrens ergäben, ist nicht stichhaltig, denn im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit seiner vollen Berufung und der zwingend vorgeschriebenen Berufungsverhandlung (§ 25 Abs. 1 Z. 2) ist das Schwergewicht des Berufungsverfahrens in diese verlegt. Noch in der Berufungsverhandlung kann die Berufung ausgeführt und können Neuerungen vorgebracht werden. Dadurch soll das Rechtsmittelverfahren erleichtert und die Mundlichkeit der Berufungsverhandlung verstärkt werden.

Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers mit Recht sachlich behandelt.

Es ist dem Berufungsgericht auch darin beizustimmen, daß das erstgerichtliche Verfahren mangelhaft geblieben ist, denn der Kläger hat sich zum Beweis der angeblich in der Höhe von 5% vereinbarten Provision auf mehrere Zeugen berufen, die das Erstgericht ebensowenig wie die Parteien vernommen hat. Der bloße Hinweis auf die beiden Urkunden konnte nicht genügen, weil daneben mündliche Abmachungen getroffen worden sein könnten.

Das Berufungsgericht war auch befugt, das erstgerichtliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Nur dann, wenn sich der Mangel des Verfahrens aus Tatsachen ergibt, die erst im Berufungsverfahren neu vorgebracht wurden, darf das Berufungsgericht die Sache nicht an das Prozeßgericht zurückverweisen, sondern muß das ergänzende Verfahren selbst durchführen, denn dann liegt ein Aufhebungsgrund nach § 496 ZPO. überhaupt nicht vor. Hier aber handelt es sich um echte Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens. In einem solchen Fall steht der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Prozeßgericht nichts im Wege (OGH.-E. vom 2. Juli 1949, SZ. XXII/101, vom 8. Jänner 1952, JBl. 1952, S. 386).

Anmerkung

Z26010

Schlagworte

Arbeitsgericht, Berufungsschrift, Aufhebung, arbeitsgerichtliches Verfahren, Berufung, arbeitsgerichtliches Verfahren, Berufungsschrift, arbeitsgerichtliches Verfahren, Berufungsverfahren, arbeitsgerichtliches, Beweisanbietung, arbeitsgerichtliche Berufungsschrift, Mangelhaftigkeit, Aufhebung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Rückverweisung, arbeitsgerichtliches Verfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00005.53.0113.000

Dokumentnummer

JJT_19530113_OGH0002_0040OB00005_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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