TE OGH 1953/1/14 2Ob21/53

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Veröffentlicht am 14.01.1953
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Norm

Zivilprozeßordnung §482
Zivilprozeßordnung §503 Z4

Kopf

SZ 26/11

Spruch

Ist im erstinstanzlichen Verfahren das Begehren auf Nichtigerklärung eines Vertrages auf einen behaupteten Willensmangel gestützt worden, kann im Rechtsmittelverfahren ein anderer Mangel im Zusammenhang mit einer neuen tatsächlichen Behauptung nicht geltend gemacht werden.

Entscheidung vom 14. Jänner 1953, 2 Ob 21/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin hat nach dem Inhalte des Übergabsvertrages vom 10. Juli 1951 in ihrem Eigentum gestandene, im Grundbuch X eingetragene Liegenschaftsanteile, den Beklagten ins Eigentum übertragen und sich auf Lebensdauer das freie und uneingeschränkte Fruchtgenußrecht vorbehalten.

In der am 29. Feber 1952 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit des Übergabsvertrages und die Wiederherstellung des früheren Grundbuchsstandes; sie begrundete ihr Begehren damit, daß sie nur die Absicht gehabt habe, ein Testament zu errichten, in dem die Beklagten unter der Voraussetzung, daß sie bei Lebzeiten der Klägerin auf der Wirtschaft fleißig arbeiten und für sie gut sorgen würden, zu Erben der Wirtschaft eingesetzt werden sollten, daß der Übergabsvertrag nicht ihrem Willen entsprochen habe und von ihr in Unkenntnis seines tatsächlichen Inhaltes unterzeichnet worden sei, zumal sie weder lesen noch schreiben könne und der Erklärung des Vertragsverfassers, des Notars Dr. Karl P., es sei alles so gemacht, wie sie gewollt habe, vertraut habe.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.

In ihrer Berufungsschrift bekämpfte die Klägerin, die inzwischen einen neuen Vertreter bestellt hatte, das erstgerichtliche Urteil u.

a. auch in der Richtung, daß das Prozeßgericht die Nichtigkeit des Übergabsvertrages nicht deshalb ausgesprochen habe, weil er in Wirklichkeit eine Schenkung auf den Todesfall darstelle und als solche in einem Notariatsakt hätte beurkundet werden müssen.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Beziehung wendet sich die Revisionswerberin ausschließlich dagegen, daß das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf die Bestimmung des § 482 ZPO. eine Prüfung der Gültigkeit des Übergabsvertrages wegen des behaupteten Formmangels abgelehnt hat. Wenn es auch nach dieser Gesetzesstelle nicht ausgeschlossen ist, daß im Berufungsverfahren ein neuer rechtlicher Gesichtspunkt geltend gemacht werden kann (E. v. 6. Oktober 1936, JBl. 1937, S. 61), so muß diesem doch das bisherige tatsächliche Vorbringen zugrunde gelegt bleiben. Da die Nichtigkeit des Vertrages von der Klägerin in erster Instanz - wie oben dargelegt worden ist - aus einem angeblichen Willensmangel abgeleitet worden ist und ihr die Klage begrundendes Vorbringen nur diesen Mangel umfaßt hat, bleibt sie auch im Berufungsverfahren an dieses Vorbringen gebunden und darf nicht einen anderen Mangel geltend machen, mag er auch ebenfalls die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge haben; denn damit wird - entgegen dem Verbot des § 482 Abs. 2 ZPO. - zunächst eine neue Tatsachenbehauptung aufgestellt und ein neuer Klagegrund ausgeführt. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht dieses Vorbringen in der Berufungsschrift nicht berücksichtigt.

Anmerkung

Z26011

Schlagworte

Berufung, Neuerungsverbot, Neuerungsverbot, Rechtsgrund, Rechtsmittelverfahren, Neuerungsverbot, Tatsachen, neue - im Rechtsmittelverfahren, Vertrag, Anfechtung, Vorbringen im Berufungsverfahren, neues -, Willensmangel, Aufhebung eines Vertrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0020OB00021.53.0114.000

Dokumentnummer

JJT_19530114_OGH0002_0020OB00021_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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