TE OGH 1953/2/18 3Ob89/53

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Veröffentlicht am 18.02.1953
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Norm

Zivilprozeßordnung §530 Abs1 Z7
Zivilprozeßordnung §542

Kopf

SZ 26/46

Spruch

Wird die Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage in die Entscheidung über das wiederaufgenommene Verfahren aufgenommen, so können nur beide Urteile gemeinsam angefochten werden. Ist im wiederaufgenommenen Verfahren ein neuer Tatbestand hervorgekommen, der die Stattgebung der Wiederaufnahmsklage rechtfertigt, so darf die Wiederaufnahmsklage von der höheren Instanz nicht deshalb abgewiesen werden, weil das Parteivorbringen und die Beweislage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage die Bewilligung der Wiederaufnahme nicht gerechtfertigt hat.

Entscheidung vom 18. Feber 1953, 3 Ob 89/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

In der Rechtssache der am 15. Feber 1940 geborenen mj. Erika P. gegen Viktor Z. wegen Feststellung der außerehelichen Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes des Bezirksgerichtes Klagenfurt trug das Gericht dem Beklagten, obwohl dieser im Genusse des Armenrechtes stand, den Erlag eines Kostenvorschusses zur Durchführung der Blutgruppenuntersuchung auf. Da der Vorschuß nicht erlegt wurde, ging das Gericht ohne Anordnung einer neuen Verhandlung am 1. September 1949 mit der Fällung des stattgebenden Urteiles vor. Dieses ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 27. Dezember 1951 brachte Viktor Z. eine Wiederaufnahmsklage nach § 530 Z. 7 ZPO. ein, in der er geltend machte, daß das Kind dem inzwischen ausgewanderten Johann M. ähnlich sehe, der der Kindesmutter in der kritischen Zeit beigewohnt habe.

Das Gericht erster Instanz stellte am 24. Jänner 1952 durch Augenschein fest, daß das beklagte Kind gut genährt und blondhaarig ist und daß sich weder eine Ähnlichkeit noch eine Unähnlichkeit zum Beklagten erkennen lasse. Auf dieser Grundlage gab der Erstrichter dem Wiederaufnahmebegehren mit Urteil statt. Im wiederaufgenommenen Verfahren führte er Zeugenbeweise über die behauptete Ähnlichkeit des Kindes mit Johann M. durch. Außerdem wurde ein Gerichtsarzt über die Zeugungsfähigkeit des Wiederaufnahmsklägers und über die Blutgruppenzugehörigkeit der Beteiligten durchgeführt. Der Sachverständigenbeweis ergab keine Zeugungsunfähigkeit des Klägers, wohl aber die Unmöglichkeit seiner Vaterschaft auf Grund der Blutfaktoren M und N. Über die behauptete Ähnlichkeit des Kindes zu Johann M. enthält das Urteil des Erstrichters keine weitere Feststellung.

Das Gericht nahm jedoch als erwiesen an, daß die Kindesmutter Elisabeth P. in der kritischen Zeit mit mehreren Männern Geschlechtsverkehr hatte. Der Kläger habe ihr laut Feststellung des Erstrichters in der Zeit vom Juli bis November 1948 wiederholt beigewohnt.

Auf Grund des Ergebnisses der Blutgruppenuntersuchung gelangte das Bezirksgericht zur Abweisung der Vaterschaftsklage.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf und führte aus, daß ohne Vornahme der erbbiologischen Untersuchung über das Wiederaufnahmebegehren nicht entschieden werden könne. Falle dieses Beweismittel für den Kläger positiv aus, empfehle sich eine Wiederholung der Blutgruppenuntersuchung, allenfalls die Vernehmung eines zweiten Sachverständigen, um Verwechslungen und Irrtümer auszuschließen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers zum Teil Folge und trug dem Berufungsgericht auf, teilweise neu zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da das Erstgericht der Wiederaufnahmsklage stattgegeben hat, war das Verfahren neuerlich ohne Rücksicht auf das seinerzeit erlassene, nunmehr aufgehobene Urteil durchzuführen. Das Erstgericht war daher auch berechtigt, eine Blutgruppenuntersuchung anzuordnen und das Ergebnis dieser Blutgruppenuntersuchung der neuerlich ergehenden Entscheidung zugrunde zu legen. Das hat das Erstgericht auch getan und auf Grund des Sachverständigenbeweises das Klagebegehren abgewiesen, da das Erstgericht gemäß § 542 ZPO. beschlossen hat, die Entscheidung über die Zulassung der Wiederaufnahme in die Entscheidung über die Hauptsache aufzunehmen, war eine gesonderte Anfechtung der die Wiederaufnahme bewilligenden Urteile nicht zulässig.

Die Beklagte konnte daher nur beide Urteile gemeinsam anfechten, was auch geschehen ist. In einem solchen Falle kann sich die Überprüfung des der Wiederaufnahmsklage stattgebenden Urteiles nicht darauf beschränken, das angefochtene Urteil nur in der Richtung zu überprüfen, ob der im Zeitpunkt der Urteilsfällung vorliegende Tatbestand die Stattgebung der Wiederaufnahmsklage gerechtfertigt hat. Ist im wiederaufgenommenen Verfahren ein neuer Tatbestand hervorgekommen, der die Stattgebung der Wiederaufnahmsklage rechtfertigt, so darf die Wiederaufnahmsklage nicht deshalb abgewiesen werden, weil das Parteivorbringen und die Beweislage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage die Bewilligung der Wiederaufnahme nicht gerechtfertigt hat.

Das ist aber diesmal der Fall. Der im wiederaufgenommenen Verfahren durchgeführte Sachverständigenbeweis, laut welchem die Vaterschaft des Beklagten ausgeschlossen ist, rechtfertigt als neu hervorgekommener Umstand die Wiederaufnahme. Es kann infolgedessen die Wiederaufnahmsklage nicht mehr abgewiesen werden, weil, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, bloße Parteibehauptungen im Zeitpunkt der Fällung des Wiederaufnahmsurteiles bei richtiger Anwendung des Prozeßgesetzes zur Bewilligung der Wiederaufnahme nicht ausgereicht haben. Die Überprüfung der Einhaltung der Prozeßvorschriftenbezweckt, die Herbeiführung eines richtigen Urteiles zu sichern. Es widerspricht aber dem Sinn und Zweck eines Rechtsmittels, eine an sich richtige Entscheidung nur deshalb aufzuheben oder abzuändern, weil ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften unterlaufen ist.

Der Umstand, daß in der Wiederaufnahmsklage gar nicht behauptet wurde, daß der Wiederaufnahmswerber nicht der Vater sein kann, weil er einer anderen Blutgruppe angehört als das Kind, ist daher nach dem Vorangeführten bedeutungslos. Ebensowenig steht der Bestätigung des Wiederaufnahmsurteiles entgegen, daß das Berufungsgericht derzeit von der Richtigkeit der Zugehörigkeit von Vater und Kind zu verschiedenen Blutgruppen noch nicht überzeugt ist, weil bisher keine Kontrollprobe vorgenommen worden ist; denn zur Bewilligung der Wiederaufnahme ist nicht die Herstellung eines vollen Beweises erforderlich, es genügt, daß prima facie wesentliche Bedenken gegen das im Vorverfahren ergangene Urteil vorliegen und daher eine erneute Überprüfung im wiederaufgenommenen Verfahren erforderlich ist.

Das Berufungsverfahren hätte daher richtigerweise den Punkt 1 des erstrichterlichen Urteiles (Bewilligung der Wiederaufnahme) bestätigen müssen. Die Aufhebung dieses Punktes war demnach rechtlich verfehlt, weshalb dem Rekurs gegen die Aufhebung in diesem Punkte Folge zu geben war.

Dagegen war die Aufhebung im Punkte 2 gerechtfertigt, weil dem Berufungsgericht beizustimmen ist, daß bei der Durchführung der Blutprobe immer mit der Möglichkeit von Fehlern bei der Durchführung des Beweises gerechnet werden muß und daher die Vornahme einer Kontrolluntersuchung geboten ist. Eine erbbiologische Untersuchung wird nur dann in Frage kommen, wenn die Blutuntersuchung die Vaterschaft des Beklagten nicht ausschließt.

Anmerkung

Z26046

Schlagworte

Anfechtung des verbundenen Urteils im Wiederaufnahmsprozeß, iudicium rescindens, Verbindung mit iudicium rescissorium, Neue Tatsachen, Wiederaufnahmsverfahren, Stattgebung der Wiederaufnahme, Verbindung von iudicium rescindens und iudicium rescissorium, Wiederaufnahmsklage, verbundene Verfahren, Anfechtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00089.53.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19530218_OGH0002_0030OB00089_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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