TE OGH 1953/3/3 4Ob40/53

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Veröffentlicht am 03.03.1953
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Norm

Angestelltengesetz §26 Z2
Angestelltengesetz §26 Z6
Angestelltengesetz §27

Kopf

SZ 26/55

Spruch

Dem Dienstnehmer kann trotz des befristeten Verzichtes auf den Auflösungsgrund der Nichtzahlung ein weiteres Zuwarten nicht mehr zugemutet werden, wenn feststeht, daß der Dienstgeber fristgemäß nicht wird zahlen können.

Entscheidung vom 3. März 1953, 4 Ob 40/53.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht stellte fest, daß wegen Zahlungsschwierigkeiten des Karl K. die Gehälter wiederholt erst nach Fälligkeit mit Verspätung ausbezahlt worden seien. Die Bezahlung sei normal in der Weise erfolgt, daß für den vergangenen Monat am 1. des folgenden Monats ein Teilbetrag und zirka acht Tage später der Rest bezahlt worden sei. Am 1. Juli 1949 sei für die Angestelltengehälter kein Geld da gewesen. Da die finanzielle Lage des Karl K. den Klägern nicht mehr vertrauenserweckend erschienen sei, haben sich die Kläger mit der Gewerkschaft beraten, die sie dann dahin belehrt habe, daß sie bei Nichtzahlung des Gehaltes gemäß § 26 AngG. austreten könnten. Wegen der finanziellen Lage des Karl K. hätten die Kläger im Juli 1949 ihr Geld innerhalb einer kurzen Frist haben wollen. Am 4. Juli 1949 sei deshalb der Drittkläger als Sprecher für die anderen Kläger bei der Gattin des Karl K. gewesen und habe ihr mitgeteilt, daß die Kläger ihre Gehälter bis 5. Juli 1949, 12 Uhr, haben müßten, widrigens sie gemäß § 26 AngG. austreten würden, was zur Kenntnis genommen worden sei. Am 5. Juli 1949 um zirka 8 Uhr 30 habe Karl K. den Zweitkläger (Invalider mit Prothese) in der Weise tätlich mißhandelt, daß er ihm einen Stoß versetzt und so zu Fall gebracht habe. Darauf haben die anderen Kläger die Arbeit mit der Erklärung niedergelegt, daß sie sich auch bedroht fühlen, und haben ihren Arbeitsplatz verlassen. Sie seien aber auch wegen Nichtzahlung des Gehalts ausgetreten, ohne die gestellte Frist bis 12 Uhr des gleichen Tages noch abzuwarten. Ferner wurde noch festgestellt, daß im Geschäft keine Möglichkeit bestanden habe, durch Abverkauf usw. das nötige Geld für die Lohnauszahlung zu beschaffen und auch sonst keine Anstalten zur Beschaffung des Geldes getroffen worden seien, die Kläger also gewußt haben, daß sie am 5. Juli 1949 bis 12 Uhr kein Geld bekommen würden. Dennoch nahm das Erstgericht in rechtlicher Beziehung an, daß der Austritt des Dritt- bis Achtklägers ungerechtfertigt gewesen sei, weil ihn der Vorfall mit dem Zweitkläger nicht begrunden könne und bis 12 Uhr Stundung der Gehaltszahlung gewährt gewesen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Forderungen der Kläger für die Zeit vom 12. Juli bis 27. Juli 1949 in der ersten Klasse der Konkursforderungen als zu Recht bestehend erkannte.

Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, das Erstgericht habe übersehen, daß Dritt- bis Achtkläger trotz des gestellten Ultimatums bis 12 Uhr mittags schon früher auszutreten berechtigt gewesen seien, wenn sie sehen konnten, daß von Karl K. keine Anstalten getroffen worden seien, die erforderlichen Geldmittel zu beschaffen und ihre Ansprüche bis zu dem gestellten Termin zu befriedigen. Durch die Aussagen des Dritt- und des Fünftklägers sei erwiesen, daß Karl K. dem Zweitkläger gegenüber die Äußerung gemacht habe, er habe kein Geld und er werde ihm das Geld schicken, ohne zu sagen, wann er das Geld schicken werde. Daraus gehe eindeutig hervor, daß Karl K. nicht in der Lage gewesen sei, bis zu dem gestellten Termin die erforderlichen Barmittel zur Befriedigung der rückständigen Gehaltsansprüche der Kläger zu erhalten. Karl K. habe zu diesem Faktum nicht vernommen werden können, da er trotz ausgewiesener Zustellung zur Vernehmung nicht erschienen sei (§ 381 ZPO.). Das Berufungsgericht gehe daher von den Angaben der vernommenen beiden Kläger aus und habe dies umso eher tun können, als Karl K. bereits bei seiner Vernehmung vor dem Erstgericht angegeben habe, daß es "unter Umständen" möglich gewesen wäre, in der Zeit zwischen 9 bis 12 Uhr noch Waren zu verkaufen, er sich aber nicht erinnern könne, nach dem gestellten Ultimatum Schritte zum Verkauf der nötigen Papiermenge unternommen zu haben. Daraus sei klar ersichtlich, daß Karl K. bis zum Mittag des 5. Juli 1949 nicht in der Lage gewesen sei, die Ansprüche der Kläger zu befriedigen und auch keine Anstalten dazu getroffen habe. Da den Klägern dieser Umstand bekannt gewesen sei und sie insbesondere aus der Äußerung des Karl K. gegenüber dem Zweitkläger schließen mußten, daß sie zu dem gestellten Termin ihre Bezüge nicht erhalten würden, hätten sie von dem im § 26 Z. 2 AngG. gewährleisteten Recht Gebrauch machen und den vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis erklären können, der auch von dem 3. und 5. Kläger im Namen aller Kläger zum Ausdruck gebracht worden sei, nachdem sich die Kläger vorher hierüber besprochen hatten. Der Austritt des 3. bis 8. Klägers sei daher zu Recht erfolgt.

Die Revision des Masseverwalters des Beklagten blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß der Austritt um 9 Uhr im vorliegenden Fall trotz der Erklärung, bis Mittag zuwarten zu wollen, gemäß § 26 Z. 2 AngG. gerechtfertigt gewesen sei, weil feststehe, daß auch zu Mittag eine Bezahlung nicht möglich gewesen sei, ist unbedenklich. Der Sinn der §§ 26 und 27 AngG. geht dahin, den Dienstvertragsparteien die sofortige Vertragslösung zu ermöglichen, wenn dem Auflösenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Hat nun im Falle der Nichtzahlung des Entgelts der Dienstnehmer für eine bestimmte Frist auf die Geltendmachung des Auflösungsgrundes verzichtet, so ist ihm trotz eines solchen Verzichts ein weiteres Zuwarten jedenfalls dann nicht mehr zuzumuten, wenn feststeht, daß der Dienstgeber auch bei Fristablauf nicht bezahlen kann. Der Zweck des Zuwartens kann nur der sein, durch das Zuwarten die Auflösung des Dienstvertrags zu ersparen und die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu ermöglichen. Ist aber diese Möglichkeit weggefallen und - wie hier die Untergerichte festgestellt haben - klar geworden, daß auch bei Ablauf der Zuwartefrist der Dienstgeber nicht bezahlen wird oder kann, so ist ein weiteres Zuwarten zwecklos geworden. Die juristische Konstruktionsfrage, ob in dem Klarwerden der Unmöglichkeit der Erfüllung bei Ablauf der Zuwartefrist ein neu eingetretener Auflösungsgrund zu erblicken oder ob dadurch die Zuwartezusage gegenstandslos geworden ist, kann dabei für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.

Anmerkung

Z26055

Schlagworte

Arbeitslohn, Nichtzahlung des, Auflösung eines Dienstvertrages, Unterlassen der Lohnzahlung, Dienstnehmer, Auflösung wegen Nichtzahlung des Lohnes, Dienstvertrag Unterlassung der Lohnzahlung, Lohn, Nichtzahlung des -, Nichtzahlung des Arbeitslohnes, Vertragsauflösung, Verzicht auf Auflösung eines Dienstvertrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00040.53.0303.000

Dokumentnummer

JJT_19530303_OGH0002_0040OB00040_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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