TE OGH 1953/3/4 1Ob112/53

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Veröffentlicht am 04.03.1953
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hohenecker, Dr. Schmeisser, Dr. Schuster sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Stanzl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „C*****" Handelsgesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Günther Rintelen, Rechtsanwalt in Wien I, wider die beklagte Partei Hans J. G*****, vertreten durch Dr. Hans Beck, Rechtsanwalt in Wien IV, wegen S 12.074 sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 8. Dezember 1952, GZ 1 R 976/52-29, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. Juni 1952, GZ 11 Cg 463/51-20, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Rekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten, der ihr Gesellschafter und Geschäftsführer gewesen sei, die Rückzahlung eines Darlehens von S 12.074.

Der Beklagte wendet insbesondere ein, es handle sich um einen Betrag, den zwar formell er einem gewissen S***** schuldig gewesen sei, aber aus einem Geschäft, das in Wahrheit für die Gesellschaft geschlossen gewesen sei. Weiter sei mit der Gesellschaft vereinbart worden, dass dieser Betrag gegen Autospesen aufgerechnet werde, die dem Beklagten für die Gesellschaft entstanden seien; die Gesellschaft habe also auf die Geltendmachung der Forderung verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Wenige Wochen nach der Unterfertigung des nun geltend gemachten Schuldscheins, also bald nach dem 6. 6. 1950 und jedenfalls noch im Jahre 1950 sei es zu einem Übereinkommen zwischen dem Beklagten einerseits und den Gesellschaftern Karl H*****, Dr. Peter Z***** und Dkfm. Alfred B***** andererseits gekommen, wonach der vom Beklagten ausgestellte Schuldschein nicht gegen ihn, der Beklagte aber anderseits seine bereits aufgelaufenen und noch auflaufenden Autospesen für die Klägerin nicht gegen diese geltend machen sollte. Dieses Übereinkommen habe auch der damals nicht anwesende Gesellschafter V*****, der zuvor schon sein Einverständnis zu einer solchen Vereinbarung erteilt habe, genehmigt. Nicht zugestimmt habe allenfalls Franz R*****, der aber damals nur 20 % der Geschäftsanteile besessen habe, soferne er nicht durch Dr. Peter Z***** vertreten gewesen sei. Dies sei aber der Fall gewesen. Protokolliert sei die Vereinbarung als Gesellschaftsbeschluss offenbar nicht worden, weil sonst das Protokoll vorgelegt worden wäre, und ebensowenig habe ein Geschäftsführer eine formelle Erklärung gegenüber dem Beklagten abgegeben. Eine solche sei nie behauptet worden. Nach diesen Feststellungen sei die Schuld des Beklagten, wenn sie je zu Recht bestanden habe, verglichen worden und es bestehe daher der Klageanspruch nicht zu Recht, selbst wenn der Gesellschafter R***** nicht zugestimmt hätte, da er nur 20 % der Geschäftsanteile in Händen gehabt habe und sich somit dem Mehrheitsbeschluss habe beugen müssen. Der Mangel der Protokollierung und einer formellen Entlastungserklärung sei belanglos, da es sich um eine interne Gesellschafterangelegenheit gehandelt habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Dabei sprach das Berufungsgericht aus, dass das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei. Zu den erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen nahm das Berufungsgericht nicht Stellung. Sowohl beim klägerischen Anspruch wie bei dem Anspruch des Beklagten auf Ersatz seiner Autospesen handle es sich um rein schuldrechtliche und nicht um Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis. Einem Übereinkommen des Beklagten mit einem oder mehreren Gesellschaftern komme keine Bedeutung zu. Entscheidend sei, ob eine Vereinbarung mit einem Geschäftsführer der Klägerin vorliege. Zur Person der Geschäftsführer der Klägerin ergebe sich aus den Registerakten, dass bis 21. 7. 1950 Karl H***** Geschäftsführer gewesen sei. Vom 21. 7. 1950 bis 31. 10. 1950 seien V***** und der Beklagte zu Geschäftsführern bestellt gewesen. Vom 31. 10. 1950 an sei V***** allein Geschäftsführer gewesen und im Februar 1951 durch Dr. D***** und später durch Dkfm. K***** abgelöst worden. Bei dieser Vertretungsbefugnis seien die erstgerichtlichen Feststellungen für die Entscheidung unzureichend. Die Vereinbarung wäre zwar gültig, wenn sie bis 21. 7. 1950 mit H***** abgeschlossen wäre; dies stehe aber nicht fest. In der Zeit vom 21. 7. bis 31. 10. 1950 sei wegen der bestandenen Kollektivvertretung des Beklagten und V***** eine Vereinbarung nur möglich gewesen, wenn die Klägerin die Vornahme des Rechtsgeschäftes gestattet hätte, was aber die Fassung eines Beschlusses der Generalversammlung zur Voraussetzung gehabt hätte, weil eine schriftliche Zustimmungserklärung sämtlicher Gesellschafter (§ 34 Abs 1 GesmbHG) vom Beklagten nicht einmal behauptet worden sei. Soweit es aber auf einen Beschluss der Gesellschafter in der Generalversammlung ankäme, durch welchen das Selbstkontrahieren des Beklagten gestattet worden wäre, treffe die Rechtsrüge der Berufung zu, dass von einer Generalversammlung gemäß §§ 34 ff GesmbHG nur dann die Rede sein könne, wenn wenigstens der äußeren Gestalt nach der Beschluss einer Gesellschafterversammlung vorliege. Diese Voraussetzung sei aber nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht gegeben. Es handle sich danach vielmehr um einen Nicht- oder Scheinbeschluss, der auch ohne Anfechtung nichtig sei, welche Nichtigkeit von Jedermann in jeder Weise geltend gemacht werden könne. Dem Erstgericht werde daher aufgetragen, zunächst den genauen Zeitpunkt des Übereinkommens festzustellen. Sollte das Erstgericht zum Ergebnis kommen, dass das Übereinkommen in der Zeit der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten abgeschlossen worden sei, dann müsste auf die weiteren Einwendungen des Beklagten eingegangen werden. Dasselbe treffe dann zu, wenn das Erstgericht zum Ergebnis käme, dass eine genauere zeitliche Feststellung in dieser Hinsicht nicht getroffen werden könnte, wobei noch zu bemerken sei, dass die Beweislast für die Behauptung, es sei das Übereinkommen zu einer Zeit zustande gekommen, in der es namens der Klägerin wirksam geschlossen werden konnte, den Beklagten treffe. Für den Fall aber, dass das Erstgericht nunmehr zum Ergebnis käme, dass das Übereinkommen zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sei, in welchem noch H***** Geschäftsführer oder V***** bereits alleiniger Geschäftsführer gewesen sei, müsse das Erstgericht noch auf das Vorbringen der Klägerin im Einzelnen eingehen.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes liegt der Rekurs der beklagten Partei mit den Anträgen vor, den Beschluss abzuändern, eventuell aufzuheben und dem Berufungsgericht neue Entscheidung aufzutragen oder die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Rekurs ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Die Annahme, von der der Rekurs ausgeht, dass das Erstgericht festgestellt habe, sämtliche Gesellschafter der klagenden Partei einschließlich jener Gesellschafter, welche zugleich Geschäftsführer gewesen seien, wären dahin übereingekommen, dass der Schuldschein vom 6. 6. 1950 gegen den Beklagten nicht geltend gemacht werden solle, wogegen der Beklagte auf seine Forderungen gegen die klagende Partei verzichtet habe, trifft nicht zu. Das Erstgericht hat eine solche Vereinbarung mit den Gesellschaftern Karl H*****, Dr. Peter Z***** und Dkfm. Alfred B***** als erwiesen angenommen sowie, dass V*****, diese Vereinbarung nachträglich genehmigt habe. In zwiespältiger Weise wird ausgesprochen, dass Dr. Z***** auch R***** vertreten habe. Eine ausdrückliche Feststellung, dass die Genannten sämtliche Gesellschafter gewesen seien, fehlt aber überhaupt, ebenso wie eine Feststellung, wann die Vereinbarung bzw Genehmigung stattgefunden habe. Bei dem lebhaften Gesellschafterwechsel, wie er sich aus den Registerakten ergibt, können ergänzende Feststellungen auch nicht ohneweiters getroffen werden. Da das Berufungsgericht von seiner noch zu prüfenden Rechtsansicht ausgehend, zu diesen Fragen in tatsächlicher Beziehung nicht Stellung genommen hat, brechen zur Zeit alle Schlüsse in sich zusammen, die der Rekurs daraus zieht, dass eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter vorliege. Ist die vom Beklagten behauptete Verzichts- und Aufrechnungsvereinbarung zu einer Zeit zustandegekommen, in der der Beklagte zusammen mit V***** Geschäftsführer der Klägerin war (21. 7. bis 30. 10. 1950), so läge ein Fall des sogenannten Selbstkontrahierens vor. Hierzu vertritt die beklagte Partei die Meinung, dass dieses Selbstkontrahieren durch sämtliche Gesellschafter genehmigt und damit für die klagende Partei rechtsverbindlich geworden sei; das Rekursgericht lehnt jedoch diese Auffassung deswegen ab, weil ein formeller Gesellschafterbeschluss fehle. In dieser Beziehung kann dem Rekursgericht nicht gefolgt werden. Über die Form der Gestattung oder der Genehmigung des Selbstkontrahierens bei Kapitalgesellschaften enthält das österreichische Recht keine ausdrücklichen Bestimmungen. Dass die Genehmigung durch einen Gesellschafterbeschluss erteilt werden kann, ist aber nicht zweifelhaft und wird auch vom Rekursgericht angenommen. Oberstes Willensorgan der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist stets die Gesamtheit der Gesellschafter, die in Versammlungen oder schriftlich beschließen (§§ 34 ÖGesmbHG, 48 DGmbHG; Franz Scholz, Kommentar zum GmbHG, Köln 1951, § 37 Anm 1). Die Einhaltung der Bestimmungen über die Einberufung der General-(Gesellschafter-)versammlung und über das schriftliche Verfahren kann in einem Fall wie dem vorliegenden dann nicht von Bedeutung sein, wenn ein einstimmiger Beschluss sämtlicher Gesellschafter vorliegt. Es ist nicht einzusehen, warum nicht durch die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, mag sie auch nicht in einer Generalversammlung oder schriftlich gegeben sein, ein vom Geschäftsführer geschlossenes Geschäft genehmigt werden könnte. Die Vorschriften über Einberufung und Abhaltung der Generalversammlung sowie über die schriftliche Abstimmung können für einen solchen Fall nur als Ordnungsvorschriften gewertet werden, die das einwandfreie Zustandekommen des Gesellschaftswillens vor allem auch eines allfälligen Mehrheitswillens als Gesellschaftswillen gewährleisten sollen. Wenn ohndies Willensübereinstimmung sämtlicher Gesellschafter besteht und erklärt ist, wäre es eine überflüssige Formalität, auch noch die Einhaltung der Formvorschriften für die Generalversammlung oder die schriftliche Abstimmung zu verlangen. Diese Formvorschriften sinken in einem solchen Fall zur Bedeutung bloßer Beweisbestimmungen herab.

Eine wohl entsprechende Auffassung vertritt das deutsche Schrifttum zudem dem österreichischen Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung weitgehend ähnlichen deutschen Gesetz. So meint Hachenburg, dass die Genehmigung auch als stillschweigende aus dem Verhalten der Gesellschaft erkennbar sein könne (Max Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Berlin und Leipzig 1927, § 36 Anm 13). Scholz (§ 35 Anm 24) führt aus, dass das Geschäft auch stillschweigend seitens der Generalversammlung genehmigt werden könne. Eine Universalversammlung zählt er weitgehend von jeder Förmlichkeit los; die Beurkundung müsse nur des Beweises wegen stattfinden (§§ 51 Anm 10; 15 Anm 62). Das vom Berufungsgericht herangezogene aktienrechtliche Schrifttum ist nicht verwertbar, weil gemäß § 97 AktG der Aufsichtsrat berufen ist, die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern zu vertreten. Im Übrigen wird auch hier eine stillschweigende Genehmigung für ausreichend gehalten (Franz Schlegelberger - Leo Quassowski, Aktiengesetz, Berlin 1939, § 71 Anm 21). Umso mehr muss eine ausdrückliche Zustimmung der sämtlichen Genehmigungsberechtigten ausreichen, die bloß unter Außerachtlassung der für die General-(Gesellschafter-)versammlung geltenden Formvorschriften erteilt wurde.

Die Anwendung der eben entwickelten Rechtssätze ergibt, dass dem Beklagten die Möglichkeit offen gelassen werden muss, zu beweisen, dass eine übereinstimmende Willenserklärung sämtlicher Gesellschafter auf Genehmigung vorliege. Bei den fluktuierenden Verhältnissen der gegenständlichen Gesellschaft wird allerdings beachtet werden müssen, dass die Zustimmung von jedem Einzelnen dieser sämtlichen Gesellschafter nur für die Zeit vor oder während seiner Gesellschaftereigenschaft während dieser Zeit und nicht etwa nachträglich gegeben werden konnte.

Zuzugeben ist dem Rekurs auch, dass eine zunächst unwirksame Verzichts- und Aufrechnungsvereinbarung durch einen Vertretungsbefugten nachträglich genehmigt worden sein könnte. Auch hierzu liegen keine ausreichenden Feststellungen des Erstrichters vor und fehlt eine Stellungnahme des Berufungsgerichtes. Das Erstgericht nimmt lediglich als erwiesen an, dass das Übereinkommen „V*****, der zuvor schon sein Einverständnis zu einer solchen Vereinbarung erteilt hatte, genehmigt" hat. Über den Zeitpunkt der Genehmigung wird nichts festgestellt, insbesondere nicht, dass sie nach dem 30. 10. 1950, also in der Zeit geschehen sei, in der V***** allein vertretungsbefugt war.

Feststellungen darüber, ob das Grundgeschäft, das dem durch die klagende Partei von S***** rückgelösten Wechsel von S 12.074 zugrunde liegt, von der Gesellschaft als für sie beschlossen genehmigt worden ist, liegen bisher nicht vor. In dieser Beziehung ist eine Stellungnahme durch den Obersten Gerichtshof noch nicht möglich. Was für den Beklagten dadurch gewonnen wäre, wenn die Zahlung durch die Klägerin an S***** nicht als Hingabe einer dem Beklagten versprochenen Darlehensvaluta an S*****, sondern als Übernahme einer Schuld des Beklagten an S***** durch die Klägerin angesehen wird, ist nicht ersichtlich. In dem einen wie in dem anderen Fall wäre der Beklagte zur Bezahlung des Betrages von S 12.074 - vorbehaltlich seiner noch zu klärenden Einwendungen - an die Klägerin verpflichtet. Auch der Hinweis auf die Entscheidung GlU 13.457 geht fehl, weil feststeht, dass die klagende Partei die im Schuldschein vom Beklagten als empfangen bekannten S 12.074 tatsächlich und zwar an S***** geleistet hat. In diesem Fall ist es Sache des Beklagten, zu beweisen, dass diese Leistung nicht für seine Rechnung erfolgte. Dem im Ergebnis unbegründeten Rekurs war daher nicht Folge zu geben. Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E85234 1Ob112.53

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0010OB00112.53.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19530304_OGH0002_0010OB00112_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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