TE OGH 1953/3/18 2Ob157/53

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Veröffentlicht am 18.03.1953
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Norm

Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen ArtVIII Abs1d
Strafgesetz §228 lita
Verwaltungsstrafgesetz §31
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung

Kopf

SZ 26/76

Spruch

Die Verfolgung wegen Winkelschreiberei verjährt nach drei Monaten.

Entscheidung vom 18. März 1953, 2 Ob 157/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Kirchschlag; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Das Erstgericht erkannte Guido K. für schuldig, es zu seinem Geschäftsbetriebe gemacht zu haben, Löschungsquittungen und Kaufverträge für Parteien, teils gegen Bezug eines Entgeltes, im übrigen aber zumindest in gewinnsüchtiger Absicht errichtet zu haben, und verhängte über ihn eine Geldstrafe von 300 S. Es nahm als erwiesen an, daß Guido K. in den Jahren 1949 bis 1952 mindestens 23 Löschungsquittungen und vier Kaufverträge verfaßt habe. Für die Errichtung eines Kaufvertrages habe er eine Entlohnung durch Lieferung von Hühnerfutter verlangt. Im übrigen sei die gewinnsüchtige Absicht aus der Menge der errichteten Rechtsurkunden zu folgern.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und stellte das gegen Guido K. wegen Verdachtes der Winkelschreiberei eingeleitete Verfahren ein. Aus der Menge der von Guido K. errichteten Urkunden sei nicht ohne weiteres der Schluß auf eine gewinnsüchtige Absicht gerechtfertigt, weil es sich hiebei um eine bei dem Erstgericht seit längerer Zeit bestehende Übung gehandelt habe. Die Errichtung von Löschungsurkunden sei nicht besonders zeitraubend gewesen und deshalb in Kauf genommen worden, um eine Belastung durch die Erledigung der auf mangelhafte Urkunden gestützten Gesuche zu vermeiden. Die Verfolgung wegen der Errichtung der Kaufverträge sei jedoch wegen Verjährung ausgeschlossen. Alle Kaufverträge seien vor dem 5. November 1951 abgeschlossen worden, die Ladung zur Vernehmung des Guido K. jedoch erst am 29. Oktober 1952 ergangen. Winkelschreiberei sei wie eine Verwaltungsübertretung zu behandeln, die gemäß § 31 Abs. 2 VStG. in drei Monaten verjähre.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer in Wien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Von den 23 Löschungsurkunden, deren Errichtung dem Guido K. zur Last gelegt werden, ist die letzte am 4. April 1952 verfaßt worden. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Verurteilung wegen Errichtung der Löschungsquittungen und der Kaufverträge zulässig ist, ist somit zunächst von entscheidender Bedeutung, ob die Vorschriften des § 31 VStG. im vorliegenden Falle zur Anwendung kommen. Das Rekursgericht hat richtig erkannt, daß die Verfolgung wegen Winkelschreiberei nach Ablauf der im § 31 Abs. 2 VStG. genannten Zeit von drei Monaten ausgeschlossen ist. Aus dem Wortlaut des § 3 der Justizministerialverordnung, betreffend die Behandlung der Winkelschreiberei, ist für die Beantwortung dieser Frage nichts zu gewinnen, weil es sich bei der Ausübung der im § 3 genannten Strafgewalt nicht um eine Strafgewalt gegen Angehörige eines bestimmten Berufes wegen Verletzung von Berufspflichten handelt und jedermann dieser als Disziplinargewalt bezeichneten Strafgewalt des Gerichtes unterworfen ist. Die Erwägungen, auf Grund derer in Disziplinarsachen eine Verjährung abgelehnt wird, können daher nicht Platz greifen. Die bestehenden besonderen Vorschriften gegen die unbefugte Parteienvertretung sind für das Verfahren vor den Gerichten die Ministerialverordnung, RGBl. Nr. 114/1857, für das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes die Bestimmung des § 2 des Bundesgesetzes Nr. 244/1925. Soweit diese besonderen Vorschriften keine Anwendung finden, gelten für die Verfolgung von Winkelschreibern die Bestimmungen des Art. VIII Abs. 1 d des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen. Die Tatbestände in allen diesen Vorschriften sind, wie es die Natur der Sache erfordert, annähernd gleich. Es ergibt sich kein Anhaltspunkt, daß der Gesetzgeber die Verjährung für die Tatbestände nach der Justizministerialverordnung, RGBl. Nr. 114/1857, anders regeln wollte als für die Tatbestände nach den anderen Vorschriften gegen die Winkelschreiberei. Es ist auch nicht einzusehen, warum die Verfassung einer Löschungsquittung oder eines Kaufvertrages in bezug auf die Verjährung wesentlich anders zu behandeln wäre, als die Verfassung einer Urkunde für den Gebrauch vor einer Verwaltungsbehörde. In beiden Fällen handelt es sich um die unbefugte Ausübung eines Geschäftsbetriebes, die den befugten Parteienvertretern vorbehalten ist.Die von dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer vertretene Rechtsansicht würde dazu führen, daß das Verbrechen des Betruges, begangen durch Fälschung einer Urkunde, zwar nach dem Ablauf der gesetzlichen Frist der Verjährung unterläge, nicht aber die Übertretung der Winkelschreiberei, begangen durch Errichtung dieser Urkunde. Wenn der Gesetzgeber auf die Verfolgung von Verbrechen, worauf lebenslange Kerkerstrafe gesetzt ist, nach 20 Jahren verzichtet (§ 228 lit. a StG.), so kann nicht mit Grund angenommen werden, daß ihm daran gelegen sei, sich auch nach Ablauf dieser Zeit noch die Verfolgung wegen Winkelschreiberei vorzubehalten.

Anmerkung

Z26076

Schlagworte

Verfolgung der Winkelschreiberei, Verjährung, Verjährung, Winkelschreiberei, Winkelschreiberei, Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0020OB00157.53.0318.000

Dokumentnummer

JJT_19530318_OGH0002_0020OB00157_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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