Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1295Kopf
SZ 26/75
Spruch
Sessellift einer Eisenbahn gleichzuhalten.
Entscheidung vom 18. März 1953, 2 Ob 972/52.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Kläger, der während der Benützung eines der beklagten Partei gehörigen Sesselliftes verletzt worden war, begehrte von dieser einen Betrag von 10.410 S als Schmerzengeld und einen weiteren von 10.389 S als Ersatz für Verdienstentgang sowie Arzt- und Heilungskosten. Das Verfahren wurde auf den Grund des Anspruches eingeschränkt.
Das Erstgericht erkannte den gesamten Anspruch dem Gründe nach als zu Recht bestehend.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Zwischenurteil im Ausspruch über den Ersatz des Verdienstentganges und der Arzt- und Heilungskosten, hob es jedoch in Ansehung des Schmerzengeldes zwecks Erörterung der Verschuldensfrage auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei, die nur gegen den bestätigenden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung gerichtet war, nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In erster Linie ist zu prüfen, ob der fragliche Sessellift einer Eisenbahn im Sinne des § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes gleichzuhalten sei. Kann diese Frage bejaht werden, so steht die in diesem Gesetz verankerte Gefährdungshaftung der Beklagten für den an sich unbestrittenen Betriebsunfall außer Zweifel, ohne daß es erst eines Analogieschlusses bedurfte. Und nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist sie zu bejahen, weil der allgemeine Eisenbahnbegriff einer weiten Auslegung bedarf (Friese, Reichshaftpflichtgesetz, 1950, S. 7).
Vor allem behauptet die Revisionswerberin zu Unrecht, daß ihr Sesselliftbetrieb nicht als ein dem Verkehr dienendes Unternehmen angesprochen werden könne. Sie konzediert selbst, daß der Sessellift zur Personenbeförderung bestimmt ist, und das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, daß er sogar als ein Massenbeförderungsmittel gewertet werden muß. Ob und inwieweit nun der Gepäcksbeförderung Schranken gesetzt sind, ist - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - belanglos, weil es nicht auf die Beförderung von Personen und Sachgütern, sondern auf die Beförderung von Personen oder Sachen ankommt (vgl. Friese, a. a. O., S. 7); übrigens ist eine bloß beschränkte Gepäcksbeförderung vielen Verkehrsmitteln eigen. Die Revisionswerberin kann aber auch nicht mit Fug behaupten, daß ihr Sessellift nur eine ganz unbedeutende Strecke zurücklege, um schließlich zu sagen, daß er mit dem Personenaufzug eines Hauses zu vergleichen sei. Die Revisionswerberin selbst spricht in diesem Zusammenhang von einer "ziemlich beschränkten Strecke". Das mag relativ stimmen, kann aber über die nicht ganz unbedeutende Entfernung, die der fragliche Sessellift gerichtsbekanntermaßen zu überwinden hat, nicht hinwegtäuschen. Der gegenständliche Sesselliftbetrieb muß daher als ein dem Verkehr dienendes Unternehmen angesehen werden.
Richtig verstanden, darf aber auch das dem allgemeinen Eisenbahnbegriff eigene Schienenmerkmal bei der Sesselliftanlage der Beklagten nicht in Abrede gestellt werden. Es ist heute nicht mehr bestreitbar, daß Seil- und Schwebebahnen Schienenbahnen sind (vgl. schon Ehrenzweig, Obligationsrecht, S. 640; ferner Friese, a. a. O., S. 8, 12 ff.; Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 1952, S. 181; Finger, Eisenbahngesetze, 1952, S. 1 ff., 16 ff.), und es wäre völlig ungerechtfertigt, die gegenständliche Seilförderungsanlage in rechtlicher Hinsicht anders zu behandeln. Der wirtschaftlich und rechtlich gravierende Unterschied zwischen einer vollkommen ausgebauten Seilbahn und einer Sesselliftanlage kann ja nur darin erblickt werden, daß die Sesselliftanlage, vielleicht weniger kostspielig, eher eine geringere Betriebssicherheit gewährleistet. Die konstruktiv abgewandelte Verwendung des Seils bei der Drahtseilbahn einerseits und beim Sessellift anderseits läßt jedoch weder den gleichbleibenden, verkehrstechnischen Zweck noch die Tatsache in den Hintergrund treten, daß in beiden Fällen die Fortbewegung auf einer metallenen Grundlage beruht und in ihrer Führung an sie gebunden bleibt. Damit ist auch der letzte Versuch der Revisionswerberin, ihren Sesselliftbetrieb im Vergleich zu einem Eisenbahnbetrieb als weniger gefahrvoll hinzustellen, mißlungen.
Aber selbst dann, wenn man der eben entwickelten, weiteren Auslegung desSchienenbahnbegriffes nicht das Wort sprechen wollte, müßte die in den Haftpflichtgesetzen verankerte, besondere Gefährdungshaftung kraft Analogie auf alle ungefähr gleichermaßen gefährlichen Betriebe ausgedehnt werden. Dieser Analogieschluß, gegen den sich die Revisionswerberin vergeblich zur Wehr setzt, entspricht sowohl der neueren Lehre als auch der Rechtsprechung Österreichs (vgl. etwa nur Klang - Wolff, Kommentar VI, S. 34, oder die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10. September 1947, SZ. XXI/46); die von der Revisionswerberin zur Stützung ihres gegenteiligen Standpunktes angezogene jüngere Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. Juni 1950, SZ. XXIII/188, betrifft ein ganz anderes Rechtsgebiet und kann der Beklagten keine Dienste leisten.
Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z26075Schlagworte
Betriebsunfall, Sessellift, Eisenbahn, Sessellift, Haftpflicht, Sessellift, Schadenersatz, Sessellift, Seilbahn, Sessellift, Sessellift, Eisenbahn, Unfall SesselliftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0020OB00972.52.0318.000Dokumentnummer
JJT_19530318_OGH0002_0020OB00972_5200000_000