TE OGH 1953/4/8 2Ob139/53

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Veröffentlicht am 08.04.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §305
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §784
Außerstreitgesetz §97
Außerstreitgesetz §98
Außerstreitgesetz §104
Außerstreitgesetz §106
Außerstreitgesetz §162

Kopf

SZ 26/90

Spruch

Ermittlung des wirklichen (gemeinen) Wertes eines Unternehmens unter Berücksichtigung des good will im Falle einer Inventur.

Entscheidung vom 8. April 1953, 2 Ob 139/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Gmunden; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Der Erblasser Robert B. hat in seinem Testament seine Tochter Agnes B. zu seiner Universalerbin eingesetzt, seiner Gattin Anna B. sein in seinem Alleineigentum stehendes, unter der Firma Mathias B. betriebenes Textilwarengeschäft vermacht und die Kinder seines vorverstorbenen Sohnes Ferdinand B., die mj. Birgit und Christa B. auf den Pflichtteil gesetzt mit der Bestimmung, daß dieser Pflichtteil von seiner Erbin und der Legatarin im Verhältnis der reinen Anfälle aus dem Nachlaß zu leisten ist. Agnes B. hat auf Grund des Testamentes zu dem Gesamtnachlaß die unbedingte Erbserklärung abgegeben. Bei der am 25. Juni 1952 vom Erstgericht gepflogenen Abhandlung wurde ein Inventar errichtet, bei dem unter den Aktiven das "reine Betriebsvermögen der protokollierten Firma Mathias B. laut Bilanz des Buchsachverständigen" mit einem Betrage von 325.097.44 S aufgenommen erscheint. Daraufhin hat die Alleinerbin Agnes B. die Inventur und Schätzung des Handelsgeschäftes beantragt.

Das Erstgericht hat den Antrag abgewiesen.

Das Rekursgericht hat ihm stattgegeben.

Der Oberste Gerichtshof hat den von der erblasserischen Witwe angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was die vom Revisionsrekurs in Zweifel gezogene Berechtigung der unbedingt erbserklärten Alleinerbin zur Antragstellung und Rekurserhebung anlangt, geht dieselbe schon aus ihrer Verpflichtung zur Erstattung einer Pflichtteilsausweisung nach § 162 AußstrG. (in Verbindung mit § 167 AußstrG.) hervor, umsomehr, als die Aufteilung des zu leistenden Pflichtteiles nach dem Testamente im Verhältnis der reinen Anfälle aus dem Nachlaß an die Erbin Agnes B. und die Legatarin Anna B. zu erfolgen hat. Die Erbin hat auch ihr Recht, eine Berichtigung oder Ergänzung des mangelhaft errichteten Inventars zu verlangen, durch Unterlassung der sofortigen Rüge des Mangels nicht verwirkt, da eine diesbezügliche gesetzliche Vorschrift fehlt und die Inventierung und Schätzung des Nachlasses ja nicht etwa Gegenstand eines Übereinkommens zwischen den Beteiligten ist. Dieses Recht der Erbin wird auch nicht nach dem Umkehrschluß durch das den Noterben in § 784 ABGB. gewährte Recht, der Nachlaßschätzung beizuwohnen und seine Erinnerungen dabei zu machen, ausgeschlossen, weil § 784 ABGB. nur die Rechte des Noterben bei der Ausmessung seines Pflichtteiles abgrenzt und die Rechte der anderen an der Nachlaßschätzung beteiligten Personen überhaupt nicht behandelt, so daß nach dem Zusammenhang, in dem die gedachte Vorschrift über die Rechte des Noterben bei der Nachlaßschätzung steht, diese Vorschrift durchaus nicht dahin verstanden werden kann, daß diese Rechte des Noterben nur dem Noterben und neben ihm keiner anderen Person zustehen sollen, was die Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Umkehrschlusses wäre.

Dem Rekursgerichte ist aber auch darin beizupflichten, daß die Vorschrift des § 106 AußstrG. nicht dahin ausgelegt werden darf, daß ein buchmäßiger Vermögensstand in das Nachlaßinventar aufzunehmen ist, wenn dadurch auch der in § 97 Abs. 1 AußstrG. angegebene Zweck des Inventars, den Wert des Unternehmens klar aufzuzeigen, vereitelt wird. § 106 AußstrG. schreibt eingangs vor, die Beschaffenheit der Handelsbücher "in dem Inventar zu bemerken", so daß also die Buchführung zu prüfen ist. Auf protokollierte Kaufleute finden die Vorschriften über die Führung von Handelsbüchern nach §§ 38 ff. HGB. Anwendung. Sonach ist in diesem Falle die ordnungsmäßige Führung der Handelsbücher zu prüfen. Der in § 106 AußstrG. vorgesehene Buchabschluß zur Ermittlung des Vermögensstandes beinhaltet bei protokollierten Kaufleuten die Aufstellung eines kaufmännischen Inventars und einer Bilanz im Sinne des § 39 Abs. 1 und 2 HGB. Bei der Aufstellung des Inventars und der damit verbundenen Bewertung der Aktiven des Unternehmens ist im Falle des § 106 Abs. 1 AußstrG. nun zu achten, daß im Sinne des § 97 Abs. 1 AußstrG. der wirkliche Wert, nämlich der gemeine Wert (§ 103 Abs. 3 AußstrG. mit § 305 ABGB.), ermittelt wird und nicht etwa ein buchmäßiger, durch steuerrechtlich zulässige Abschreibungen vom Anschaffungspreis errechneter Wert, weshalb schon bei der Aufstellung des Geschäftsinventars in der Regel die Beiziehung eines Buchsachverständigen nicht genügen, sondern sich die Beiziehung von branchensachverständigen Schätzleuten zur allfälligen Berichtigung der buchmäßigen Werte als notwendig erweisen wird. Der Vornahme einer solchen Schätzung stehen bei einem Einzelkaufmann keinerlei rechtliche Hindernisse entgegen (ZBl. 1919 Nr. 98 und insbesondere SZ. IV/140, vgl. Demelius, Das kaufmännische Nachlaßverfahren in Österreich, 1931, S. 74 ff., und Nödl, Die Nachlaßfeststellung von Handelsvermögen, NotZ. 1950, S. 104 ff.). Schließlich wird durch § 106 Abs. 1 AußstrG. auch nicht die Aufnahme eines über den durch Vergleichung der Aktiven und Passiven gewonnenen Vermögensstand (das buchmäßige Kapital) des Unternehmens hinausgehenden, immateriellen Unternehmenswertes, des "good will" ausgeschlossen und dieser Unternehmenswert muß berücksichtigt werden, wenn das Inventar im Sinne des § 97 Abs. 1 AußstrG. den Wert des Vermögens richtig wiedergeben soll (SZ. II/66, VIII/136, VIII/203, X/116, XX/38, NotZ. 1926 S. 83, 1928 S. 61, 1932 S. 89, 1937 S. 46, vgl. Graschopf, Das Unternehmen als solches als Nachlaßwert, NotZ. 1931 S. 145, Klang - Weiss, Kommentar, 2. Aufl. zu § 531 ABGB., S. 14 f. und S. 24 f., Demelius, a. a. O. S. 87). Im Sinne dieser Ausführungen hat das Rekursgericht mit Recht die Inventur und Schätzung des zum Nachlaß gehörigen Handelsgeschäftes dem Erstgerichte aufgetragen, schon weil in der dem Nachlaßinventar zugrunde gelegten Vermögensaufstellung des Buchsachverständigen (deren Überprüfung an Hand der Handelsbücher durch den Gerichtskommissär ebenso unterlassen worden zu sein scheint wie die Überprüfung der Handelsbücher selbst) der den Hauptteil der Aktiven bildende Warenbestand lediglich kalkulatorisch errechnet und der Idealwert des Unternehmens überhaupt nicht berücksichtigt worden ist. Ob der Schätzung zwei Sachverständige beizuziehen sind oder bloß einer, ist nach § 103 AußstrG. zu beurteilen (NotZ. 1918 S. 34) und richtet sich nach dem Wert der jeweils zu schätzenden Gegenstände. Soweit zu schätzende Waren nicht mehr vorhanden sind, ist "ihr Zustand durch Untersuchung der Verlassenschaftsschriften und der vorhandenen Urkunden (Fakturen), allenfalls durch Vernehmung festzustellen" (§ 98 Abs. 1 AußstrG.).

Anmerkung

Z26090

Schlagworte

good will eines Unternehmens, Inventar, Unternehmenswert, Nachlaß Wert eines Unternehmens, Schätzung, Wert eines Unternehmens, Unternehmen, Wert bei Inventur, Wert eines Unternehmens bei Inventur

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0020OB00139.53.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19530408_OGH0002_0020OB00139_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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