TE OGH 1953/4/14 4Ob61/53

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Veröffentlicht am 14.04.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1162
Angestelltengesetz §20
Angestelltengesetz §29

Kopf

SZ 26/92

Spruch

Vorzeitige Kündigung nicht wirkungslos, hat nur zur Folge, daß Bezüge bis zum Ablauf der termingemäßen Kündigung gebühren.

Unzulässigkeit der Kündigung während einer sechs Monate nicht übersteigenden Dienstverhinderung infolge Erkrankung oder Unfall.

Entscheidung vom 14. April 1953, 4 Ob 61/53.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin war seit längerer Zeit bei der beklagten Partei als Angestellte bedienstet. Am 31. Jänner 1952, zu einem Zeitpunkte, da sie krank war, wurde ihr Dienstverhältnis von der beklagten Partei zum 30. September 1952 gekundigt. Mit der Begründung, daß nach dem für sie gültigen Dienstvertrag eine Kündigung während der Dauer der Erkrankung unzulässig sei, begehrt sie die Aufhebung der ausgesprochenen Kündigung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß sich aus § 18 des für die Klägerin geltenden Dienstvertrages die Unzulässigkeit einer Kündigung während der Erkrankung des Dienstnehmers nicht herauslesen lasse.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und sprach in Abänderung des erstinstanzlichen Urteiles aus, daß die von der beklagten Partei am 31. Jänner 1952 zum 30. September 1952 ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin unwirksam sei. Das Berufungsgericht ging hiebei von der Bestimmung des § 18 Abs. 1 des Dienstvertrages aus, die lautet: "Der Vertragsangestellte (§§ 3, 1a) erhält im Krankheitsfalle oder bei einem Unfall die vollen Bezüge bis zur Dauer von sechs Monaten. Nach Ablauf dieser Zeit ist eine Kündigung gemäß § 21 zulässig. Solche Dienstnehmer sind während der Kündigungsfrist von der Dienstleistung befreit." Das Berufungsgericht erwog, daß das Angestelltengesetz kein Verbot einer Kündigung während einer Krankheit oder einer sonstigen Dienstverhinderung kenne. § 9 Abs. 1 AngG. bestimme lediglich, daß der Angestellte, dem während der Dienstverhinderung gekundigt wird, auch wenn das Dienstverhältnis infolge der während der Dienstverhinderung erfolgten Kündigung früher endigen sollte, seine Entgeltansprüche für die im § 8 AngG. bestimmte Frist behalte. Der erste Satz des § 18 Abs. 1 des Dienstvertrages fasse die im § 8 Abs. 1 AngG. gestaffelten Fristen einheitlich zusammen. Der zweite Satz dagegen besage, daß nach Ablauf dieser Zeit - das ist somit der Zeit der Dienstverhinderung, für die bis sechs Monate die Bezüge fortbezahlt werden - eine Kündigung nach § 21 des Dienstvertrages zulässig sei. Diese Bestimmung könne keinen anderen Sinn haben, als daß vorher, also während der Dienstverhinderung durch Erkrankung oder Unfall, u. zw. bis zu einer Dauer von sechs Monaten, eine Kündigung des Dienstnehmers unzulässig sei. Ein anderer Sinn könne dieser Vertragsbestimmung nicht gegeben werden; denn sollte trotz der Dienstverhinderung während derselben eine Kündigung zulässig sein, dann wäre dieser zweite Satz völlig überflüssig. Daß aber diese Bestimmung überflüssigerweise aufgenommen wurde, dafür fehle jede Handhabe. War die Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin zur Zeit ihrer Erkrankung unzulässig, dann müsse sie als unwirksam angesehen werden. Dies folge besonders daraus, daß sich der Kundigende nicht einseitig von seinen Verbindlichkeiten aus dem mit dem Dienstnehmer geschlossenen Vertrag befreien könne.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes macht die Revision der beklagten Partei die Revisionsgrunde des § 503 Z. 2 und 4 ZPO. mit dem Antrag geltend, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles abzuändern oder es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Urteilsschöpfung zurückzuverweisen.

Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist begrundet.

Das Revisionsgericht tritt der Ansicht des Berufungsgerichtes hinsichtlich der Auslegung der Bestimmung des § 18 Abs. 1 des Dienstvertrages aus den im Berufungsurteil dargelegten Gründen bei und ist gleich dem Berufungsgericht der Auffassung, daß die Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin während ihrer Krankheit nicht ausgesprochen werden durfte. Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin deshalb, weil sie zur Unzeit ausgesprochen wurde, nicht rechtswirksam sei, vermag das Revisionsgericht nicht zu teilen. Es trifft nicht zu, daß durch die vorliegende Kündigung eine Befreiung des Dienstgebers von seinen Verbindlichkeiten aus dem Vertrage bewirkt würde. Denn abgesehen davon, daß der Dienstgeber für die Folgen einer Vertragsverletzung nach § 29 AngG. haftet, wurde das Dienstverhältnis mit der Klägerin, wie unbestritten ist, auf unbestimmte Zeit eingegangen. Es konnte infolgedessen nach dem Dienstvertrag unter Einhaltung der im § 21 festgesetzten Kündigungsfristen jederzeit gelöst werden. War aber die Auflösung des Dienstverhältnisses durch Kündigung nach dem für die Klägerin geltenden Dienstvertrag an sich zulässig, dann kann die während der Krankheit der Klägerin ausgesprochene Kündigung selbst nicht absolut unwirksam sein. Die Kündigung ist nur vorzeitig ausgesprochen worden. Sie hätte erst erklärt werden dürfen, nachdem die durch Krankheit bedingte Dienstverhinderung der Klägerin beendet war. Das war frühestens am 15. Feber 1952 der Fall, denn die Klägerin befand sich nach den Feststellungen der Untergerichte vom 3. Jänner bis 14. Feber 1952 im Krankenstand. Die vorzeitige Kündigung der Klägerin hat nur zur Folge, daß die vertraglich festgelegte Kündigungsfrist (§ 21 des Dienstvertrages) frühestens erst mit 15. Feber 1952 zu laufen begann (vgl. SZ. V/133, Hämmerle, Arbeitsvertrag, S. 301). Ob die von der beklagten Partei zum 30. September 1952 ausgesprochene Kündigung zu diesem Termin auch dann zulässig war, wenn die Kündigung erst am 15. Feber 1952 erklärt worden wäre, ist hier nicht zu untersuchen; denn die Klägerin hat nicht ihre vertragsmäßigen Ansprüche infolge vorzeitiger Auflösung des Dienstverhältnisses geltend gemacht, sondern die Aufhebung der Kündigung als unwirksam begehrt.

Dieses Begehren ist aber nach dem Gesagten unbegrundet.

Anmerkung

Z26092

Schlagworte

Arbeitgeber, vorzeitige Kündigung durch -, Arbeitnehmer vorzeitige Kündigung des -, Dienstgeber, vorzeitige Kündigung durch -, Dienstnehmer, vorzeitige Kündigung des -, Dienstverhinderung, Kündigung bei -, Erkrankung, Kündigung bei Erkrankung, Kündigung bei Erkrankung oder Unfall, Kündigung vorzeitige, Unfall Kündigung bei - , Vorzeitige Kündigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00061.53.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19530414_OGH0002_0040OB00061_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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