Norm
Exekutionsordnung §31 Abs1 Z2Kopf
SZ 26/100
Spruch
Exekution auf gebundene Gewerbe.
Entscheidung vom 15. April 1953, 3 Ob 230/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Pottenstein-Berndorf; II. Instanz:
Kreisgericht Wiener Neustadt.
Text
Das Exekutionsgericht bewilligte zur Hereinbringung der vollstreckbaren Unterhaltsforderung der betreibenden Partei im Betrage von 13.550 S s. A. die Exekution durch Pfändung und Zwangsverpachtung des vom Verpflichteten in B. betriebenen Schwarzdecker-, Isolierer- und Asphaltierergewerbes und der demselben zugrunde liegende Gewerbeberechtigung und wies den Antrag des Verpflichteten, die Exekution einzustellen, ab, weil das gepfändete Gewerbe sich als gebundenes im Sinne des Art. III der Gewerberechtsnovelle 1952 darstelle und daher nicht unter die Bestimmung des § 341 Abs. 1, 2. Satz EO. falle.
Das Rekursgericht stellte die Exekution gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. ein. Es vertrat die Ansicht, daß die Ausnehmung der gebundenen Kleingewerbebetriebe von der Exekutionsführung durch Zwangsverwaltung oder Zwangsverpachtung schon deshalb erforderlich sei, weil man sonst in Gegensatz zur Bestimmung des § 251 Z. 6 EO. geraten würde, die nicht nur handwerksmäßigen, sondern allen Kleingewerbebetrieben zugute komme. Die Absicht des Gesetzgebers gehe zweifellos dahin, allen Personen durch Bestimmung einer Pfändungsfreigrenze ein Existenzminimum zu gewährleisten. Es müsse daher jede zwangsweise Verwertung eines gewerblichen Betriebes und jeder Gewerbeberechtigung, die im wesentlichen nur auf der persönlichen Erwerbstätigkeit des Verpflichteten beruhe, als unzulässig angesehen werden. Hiezu komme noch, daß der Unterschied zwischen den handwerksmäßigen und den gebundenen Gewerben kein grundsätzlicher, sondern nur ein organisatorischer sei, da auch gebundene Gewerbe, wenn auch nicht an dieAblegung einer Meisterprüfung, so doch an einen Befähigungsnachweis gebunden seien. Schließlich habe das in Exekution gezogene Gewerbe in der Zeit zwischen der Einführung des deutschen Handwerksrechtes und dem Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1952 gar nicht bestanden, sondern sei in den Rahmen des handwerksmäßigen Gewerbes der Dachdecker, Maurer oder Pflasterer und Straßenbauer gefallen; es sei daher nicht sinnvoll, anzunehmen, daß das Gewerbe bis zum Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1952 als unpfändbar, seitdem aber als pfändbar angesehen werden müsse. Endlich müsse angenommen werden, daß die Exekution erfolglos bleiben werde, da der Verpflichtete das Gewerbe des Schwarzdeckers, Isolierers und Asphaltierers im Rahmen der ihm zustehenden, zweifellos nicht pfändbaren handwerksmäßigen Gewerbeberechtigung als Dachdecker weiter ausüben könne.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst ist die Ansicht des Rekursgerichtes unrichtig, die Exekution sei schon nach § 39 Abs. 1 Z. 8 EO. wegen Erfolglosigkeit einzustellen, weil dem Verpflichteten die Gewerbeberechtigung als Dachdecker zustehe und er daher im Rahmen dieser Gewerbeberechtigung auch das Schwarzdecker-, Isolierer- und Asphaltierergewerbe ausüben könne. Das Rekursgericht hat offenbar übersehen, daß nach der bei den Akten erliegenden Auskunft der Bezirkshauptmannschaft B. vom 9. Dezember 1952 die dem Verpflichteten erteilte Gewerbeberechtigung für das Dachdeckergewerbe erloschen ist. Abgesehen davon, läßt sich im derzeitigen Stadium des Verfahrens noch nicht voraussehen, ob die Exekution durch Zwangsverwaltung ergebnislos bleiben werde.
Es kann aber auch der Meinung des Rekursgerichtes nicht beigepflichtet werden, daß die Bestimmung des § 341 Abs. 1, 2. Satz EO. auch auf gebundene Gewerbe anzuwenden ist. Die Exekution nach § 341 EO. ist grundsätzlich auf alle gewerblichen Unternehmungen zulässig. Eine Ausnahme ist nur für gewisse kleine handwerksmäßige und konzessionierte Unternehmungen geschaffen. Auch die Entscheidung Judikatenbuch 40 neu (SZ. XIII/270) betont dies in ihrer Einleitung und am Schluß ihrer Gründe ausdrücklich; sie erklärt, daß der Analogieschluß lediglich für den Fall zulässig ist, daß zwar nicht für den Antritt, aber für den Betrieb ein besonderer Befähigungsnachweis notwendig ist. Sie stellt also keineswegs den handwerksmäßigen und konzessionierten Gewerben die anderen Gewerbe gleich. Die Gewerbeordnungsnovelle 1934 und auf ihr fußend die Gewerberechtsnovelle 1952 nimmt nicht eine Gleichstellung, sondern eine ausdrückliche Unterscheidung vor. Beide Novellen ordnen an, daß bestimmte Gewerbe nur angemeldet werden können, wenn ein Befähigungsnachweis erbracht wird. Das Erfordernis des Befähigungsnachweises hat die Grenzlinie zwischen handwerksmäßigen, konzessionierten und gebundenen Gewerben nicht verwischt, sondern einen Befähigungsnachweis wohl für alle gebundenen Gewerbe, nicht aber für alle konzessionierten Gewerbe vorgeschrieben. Der Befähigungsnachweis spielt daher für die Unterscheidung zwischen gebundenen und konzessionierten Gewerben keine Rolle. Die handwerksmäßigen Gewerbe werden aus besonderen sozialpolitischen Erwägungen geschützt, sie sind von den anderen Gewerben traditionsgemäß und auch rechtlich deutlich abgegrenzt. Die gebundenen Gewerbe waren vor der Gewerbeordnungsnovelle 1934 zum größten Teil freie Gewerbe, deren Antritt schon seit der Gewerberechtsnovelle 1907 an einen Befähigungsnachweis geknüpft war, die also genau den jetzigen gebundenen Gewerben entsprechen, wie der Gemischtwarenhandel usw. Hinsichtlich dieser Gewerbe wurde nie behauptet, daß sie unter die Vorschrift des § 341 Abs. 1, 2. Satz EO. fallen. Da § 341 EO. ausdrücklich nur von handwerksmäßigen und solchen konzessionierten Gewerben spricht, zu deren Antritt eine besondere Befähigung erforderlich ist, und nur diese von der Pfändbarkeit und zwangsweisen Verwertung ausnimmt, ist eine ausdehnende Auslegung dieser Gesetzesstelle auch auf gebundene Gewerbe unzulässig (SZ. XVII/75, SZ. XVIII/130, Deutsches Recht, Wiener Ausgabe 1938, EvBl. Nr. 178). Daß die Auslegung des § 341 EO. im Sinne der obigen Ausführungen im Gegensatz zu § 251 Z. 6 EO. steht, ist schon deshalb ohne Bedeutung, weil § 251 Z. 6 EO. nur Kleinbetriebe umfaßt, während § 341 EO. die Exekution auch in Kleinbetriebe ohne Einschränkung zuläßt, ausgenommen die handwerksmäßigen und solche konzessionierten Betriebe, zu deren Antritt eine besondere Befähigung erforderlich ist, und sich daher die Zulässigkeit der Exekution auch auf alle freien und solche konzessionierten Kleinbetriebe erstreckt, zu deren Antritt eine besondere Befähigung nicht erforderlich ist.
Das Argument des Rekursgerichtes, es sei nicht sinnvoll, einen Gewerbebetrieb der unbeschränkten Exekution zu unterziehen, der in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des deutschen Handwerksrechtes und dem der Gewerberechtsnovelle 1952 der Exekution entzogen war, schlägt nicht durch, da der Fall nicht selten ist, daß sich durch eine Änderung in der Gesetzgebung eine neue Rechtslage dergestalt ergibt, daß bisher bestandene Schutzmaßnahmen nicht mehr für bestimmte Personengruppen, Rechte oder Sachen gelten.
Da eine Änderung der Bestimmung des § 341 Abs. 1, 2. Satz EO. bisher nicht erfolgte und sich diese Bestimmung nur auf handwerksmäßige und bestimmte konzessionierte Gewerbe bezieht, ist eine ausdehnende Anwendung dieser Schutzbestimmung auf gebundene Gewerbe nicht zulässig, weshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen war.
Anmerkung
Z26100Schlagworte
Exekution auf gebundene Gewerbe, Exekutionsbefreiung, gebundene Gewerbe, Gebundene Gewerbe, Exekution, Gewerbe, gebundene -, ExekutionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00230.53.0415.000Dokumentnummer
JJT_19530415_OGH0002_0030OB00230_5300000_000