TE OGH 1953/4/29 3Ob259/53

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Veröffentlicht am 29.04.1953
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Norm

Zivilprozeßordnung §228

Kopf

SZ 26/116

Spruch

Voraussetzungen und Zweck einer negativen Feststellungsklage.

Entscheidung vom 29. April 1953, 3 Ob 259/53.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Das Erstgericht erkannte im Sinne des klägerischen Hauptbegehrens und stellte fest, daß die im Vertrag vom 25. April 1939, § 3 Abs. 2, enthaltene Wertsicherungsklausel "dem Verpächter steht jedoch das Recht zu, nach seiner freien Wahl statt des vereinbarten Pachtschillings von 540 RM monatlich 1100 kg Weizenmehl, Nr. 0, spezial, zu verlangen" unzulässig und nichtig ist.

Auf die Berufung der beklagten Partei, die die Berufungsgrunde der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht hatte, änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es nahm an, daß den Klägern das im § 228 ZPO. geforderte rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des von ihnen behaupteten Nichtbestehens des Rechtes der Beklagten fehle. Das Bestreben der Kläger gehe dahin, die Aufhebung einer sie belastenden Vertragsklausel zu bewirken. Daran seien die Kläger wirtschaftlich, aber nicht rechtlich interessiert, zumal sie gar nicht behauptet hätten, daß ihnen die auf Grund des erwähnten Pachtvertrages zustehenden Pachtrechte streitig gemacht würden. Die Kläger haben aber auch kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, das nur dort als vorhanden angenommen werden könne, wo das Feststellungsurteil für die Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung sei und sie auf einem anderen Weg als der Feststellungsklage rechtlich außerstande wären, einem ihnen drohenden Nachteil zu begegnen. Tatsächlich bestehe aber, zumal die Beklagte zur Durchsetzung ihrer angeblichen Rechte den Klageweg nicht beschritten habe, für die Kläger keine ernstliche, wirkliche und gegenwärtige Gefährdung ihrer Rechtslage. Es liegen keine Umstände dahingehend vor, die es verbieten würden, abzuwarten, bis die Beklagte ihr vermeintliches Recht im Wege einer Klage geltend macht, um sodann einredeweise das vorzubringen, was die Kläger nunmehr zur Grundlage ihres Feststellungsbegehrens genommen haben, allenfalls einen diesbezüglichen Zwischenfeststellungsantrag zu stellen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß der Mangel rechtlichen Interesses an der Feststellung auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen ist (siehe die bei Stagel - Michlmayr, ZPO. zu § 228 unter A, Nr. 19 bis 21 angeführten Entscheidungen).

Nicht zu folgen vermag das Revisionsgericht dem Berufungsgericht in der Auffassung, daß die sachlichen Voraussetzungen einer Feststellungsklage,nämlich das rechtliche Interesse der Kläger, nicht gegeben seien. Die Untergerichte haben in Übereinstimmung mit dem Klagevorbringen festgestellt, daß die Beklagte - gestützt eben auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 des Pachtvertrages - seit Jahren an Stelle des vereinbarten Pachtzinses von den Klägern den Preis für Weizenmehl Nr. 0, spezial, begehrt und seit 1. November 1950 die Lieferung dieses Mehles in natura verlangt. Eine Gefährdung der Rechtssphäre der Kläger liegt aber schon in der durch diese Anmaßung geschaffenen Rechtsunsicherheit. Die negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (ZBl. 1920, Nr. 206, 2 Ob 440/52). Die in dem angefochtenen Urteil zum Ausdruck kommende Rechtsansicht, die Rechtslage der Kläger sei, solange die Beklagte zur Durchsetzung ihrer angeblichen Rechte den Klageweg nicht beschritten habe, nicht ernstlich gefährdet, kann nicht gebilligt werden. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist niemand gehalten, untätig zuzuschauen, bis der Gegner die drohenden Prozeßschritte verwirklicht. Er kann vielmehr vorwegnehmend die Zulässigkeit dieses Vorgehens klarstellen lassen. Es könnte von den Klägern nicht verlangt werden, daß sie in der Unsicherheit ihrer Lage so lange verbleiben müßten, bis sie die Beklagte belangt (1 Ob 760/52).

Das über das vorliegende Feststellungsbegehren ergehende Urteil ist geeignet, die Grundlage für die weiteren rechtlichen Beziehungen der Parteien untereinander zu schaffen und damit eine Reihe von Prozessen, die sich aus den strittigen Beziehungen ergeben können, zu vermeiden. Nach Ansicht des Revisionsgerichtes sind daher alle prozessualen Voraussetzungen für die negative Feststellungsklage nach § 228 ZPO. gegeben.

Da das Berufungsgericht, von seiner als irrig erkannten Rechtsansicht geleitet, es unterlassen hat, die Berufung der beklagten Partei vollständig zu erledigen, konnte eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über die materielle Berechtigung der erhobenen Feststellungsklage noch nicht eintreten. Es mußte vielmehr das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen werden.

Anmerkung

Z26116

Schlagworte

Feststellungsklage, negative -, Negative Feststellungsklage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00259.53.0429.000

Dokumentnummer

JJT_19530429_OGH0002_0030OB00259_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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