Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1295Kopf
SZ 26/122
Spruch
Die Eigenzuständigkeit nach § 49 Z. 8 JN. erfaßt nicht Schadenersatzklagen eines Dritten, der nicht Vertragspartner ist.
Entscheidung vom 13. Mai 1953, 1 Ob 410/53.
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger führte in der Klage aus, daß er als Bevollmächtigter des Wilhelm K., nämlich als dessen Einkäufer, von der beklagten Partei ein Pferd unter der ausdrücklichen Zusage gekauft habe, daß dieses Tier zugfromm und gesund sei und nicht schlage. Als nach Abschluß des Kaufes das Tier vom Kläger eingespannt worden sei, habe es ausgeschlagen und trotz Anwendung der üblichen Vorsicht den Kläger am rechten Auge derart verletzt, daß dieser das Auge einbüßte. Aus diesen Gründen werde aus dem Titel des Schadenersatzes Schmerzengeld, Zuerkennung einer Entschädigung im Sinn des § 1326 ABGB., Verdienstentgang, Zuerkennung einer Rente und Bezahlung von Ärztekosten begehrt.
Das Erstgericht hat in der mündlichen Streitverhandlung von Amts wegen die Frage der sachlichen Zuständigkeit aufgeworfen und das bisherige Verfahren für nichtig erklärt und die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen. Es vertrat den Standpunkt, daß es sich um eine Streitigkeit wegen Viehmängel handle. Denn unter Viehmängel verstehe man nicht bloß die in § 925 ABGB. angeführten Mängel, sondern alle Mängel, für die der Verkäufer gemäß §§ 922 bis 933 ABGB. Gewähr zu leisten habe. Eine Streitigkeit wegen Viehmängel liege aber auch vor, wenn - wie der Oberste Gerichtshof in einem ähnlich gelagerten Falle entschieden habe - Schadenersatz dafür verlangt werde, daß ein mit Krankheit behaftetes verkauftes Tier andere Tiere des Käufers angesteckt habe. Für Streitigkeiten aus Viehmängel sei aber gemäß § 49 Abs. 2 Z. 8 JN. die ausschließliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes gegeben.
Dem Rekurs der klagenden Partei hat das Rekursgericht Folge gegeben, denangefochtenen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen. Das Rekursgericht führte aus, daß es zwar richtig sei, daß unter der Voraussetzung der Schuldverletzung auch über die Gewährleistung hinausgehende Schadenersatzansprüche unter den Begriff der Streitigkeiten wegen eines Viehmangels fallen. Solche Streitigkeiten setzen aber das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien voraus, da sonst von einer Gewährleistung nicht gesprochen werden könne. Da im vorliegenden Falle der Kläger gar nicht behauptete, Vertragspartner der beklagten Partei gewesen zu sein, sondern die Klage darauf gestützt werde, daß der Kläger bloß Bevollmächtigter des Käufers gewesen sei, stunden sich im gegenständlichen Rechtsstreit die beiden Kontrahenten nicht als Streitparteien gegenüber. Es habe daher nicht die Bestimmung des § 49 Abs. 2 Z. 8 JN., sondern die Bestimmung der §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 JN., nach dem Wert des Streitgegenstandes zur Anwendung zu kommen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach Lehre (Neumann Komm. zur ZPO. 4. Aufl. S. 129) und Rechtsprechung (OGH.-Entsch. vom 15. Mai 1917, R III 45/17 Amtl. Slg. 1850; SZ. III/77) fallen unter den Begriff Viehmängel im Sinne des § 49 Abs. 2 Z. 8 JN. nicht nur die in § 925 ABGB. angeführten Mängel, sondern alle Mängel, für die der Verkäufer gemäß der §§ 922 ff. ABGB. Gewähr zu leisten hat. Da der Käufer wegen eines hervorgekommenen Mangels gemäß § 932 letzter Abs. ABGB. auch noch Schadenersatz begehren kann, liegt eine Streitigkeit wegen Viehmangels auch dann vor, wenn vom Käufer statt oder neben der Geltendmachung des Mangels, der zur Gewährleistung verpflichtet, auch Schadenersatz auf Grund der Gewährleistung begehrt wird.
Wie sich aus dem Wesen der Gewährleistung als solcher ergibt, haben diese Streitigkeiten zur Voraussetzung, daß sich die Kontrahenten des abgeschlossenen Geschäftes als Streitparteien gegenüberstehen, weil ja nur dann von einer Gewährleistung, die die eine Vertragspartei gegen die andere geltend macht, gesprochen werden kann.
Nach dem Inhalt der Klage war aber der Kläger bei Abschluß des Kaufvertrages hinsichtlich des Pferdes nicht Vertragspartei, sondern lediglich Bevollmächtigter des Käufers. Der Kläger kann daher nicht einen Viehmangel bzw. eine Gewährleistung aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag im eigenen Namen geltend machen. Für seine in der Klage behaupteten Schadenersatzansprüche kommt somit nicht die Bestimmung des § 49 Abs. 2 Z. 8 JN. zur Anwendung, sondern es richtet sich die Zuständigkeit nach dem Wert des Streitgegenstandes im Sinne der §§ 49 Abs. 1 und 50 Abs. 1 JN.
Die Zuständigkeit des angerufenen Kreisgerichtes ist daher in sachlicherHinsicht gegeben.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z26122Schlagworte
Bezirksgericht, Viehmängel, Eigenzuständigkeit, Viehmängel, Gewährleistung Zuständigkeit bei Viehmängel, Schadenersatz, Viehmangel, Zuständigkeit, Viehmangel, Zuständigkeit, Zuständigkeit, ViehmängelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0010OB00410.53.0513.000Dokumentnummer
JJT_19530513_OGH0002_0010OB00410_5300000_000