TE OGH 1953/5/13 3Ob296/53

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Veröffentlicht am 13.05.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1151
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1157
Arbeitsgerichtsgesetz §1
Reichsversicherungsordnung §898
Reichsversicherungsordnung §899

Kopf

SZ 26/126

Spruch

Bei sogenannten Arbeitsleihverhältnissen gilt der entleihende Unternehmer als Repräsentant des Stammunternehmens. Das Arbeitsgericht ist für Klagen des "verliehenen" Dienstnehmers gegen den "ausleihenden" Unternehmer wegen Schadenersatzes nicht zuständig.

Entscheidung vom 13. Mai 1953, 3 Ob 296/53.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Gatte der Klägerin Franz S., der als Hilfsarbeiter bei der St. AG. beschäftigt war, verunglückte anläßlich der Durchführung von Umbauarbeiten an einer Elektroschaltstation, die im Betrieb der St. AG. über deren Auftrag von der Zweitbeklagten unter Leitung des Erstbeklagten durchgeführt wurde, dadurch tödlich, daß er anläßlich der Hilfsleistung bei der Anbringung von Peschelrohren in den Stromkreis einer Sammelschiene geriet. Die Klägerin begehrt nun von den beiden Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 1632.32 S und einer Rente von 638 S monatlich mit der Begründung, der Erstbeklagte habe den Unfall ihres Gatten durch Fahrlässigkeit verursacht und sei deshalb auch rechtskräftig des Vergehens nach § 335 StG. schuldig erkannt worden, die Zweitbeklagte hafte für das Verschulden ihres Gehilfen gemäß den §§ 1315 und 1313 a ABGB.; der Schaden der Klägerin bestehe aus der Differenz zwischen dem ihr zugute gekommenen Arbeitseinkommen ihres Gatten und der ihr auf Grund des Unfalls von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt ausbezahlten Witwenrente.

Das Prozeßgericht erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß der Anspruch dem Gründe nach nicht zu Recht bestehe, und wies für den Fall der Rechtskraft des Zwischenurteiles das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Gatte der Klägerin zur Durchführung der von der Zweitbeklagten übernommenen Arbeiten dieser von seiner Dienstgeberin, der St. AG., beigestellt wurde und dabei unter der Aufsicht des Erstbeklagten stand, weshalb die Bestimmungen der §§ 898 und 899 RVO. zur Anwendung zu kommen hätten. Da der der Klägerin entstandene Schaden von den Beklagten nicht vorsätzlich verursacht wurde, stunde der Klägerin ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten nicht zu.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es führte in rechtlicher Beziehung aus, es sei der Gatte der Klägerin von seiner Dienstgeberin, der St. AG. der Zweitbeklagten leihweise zur Hilfe bei den ihr aufgetragenen Arbeiten zur Verfügung gestellt worden und hiebei unter der Leitung und Aufsicht des Erstbeklagten gestanden. Es sei zwar die zweitbeklagte Partei nicht die Dienstgeberin des Gatten der Klägerin gewesen, wohl aber dieser ihr von seiner Dienstgeberin leihweise zur Verfügung gestellt worden. Durch die Bestimmung des § 537 Nr. 10 RVO. seien auch Personen, die wie ein nach den Nummern 1 bis 9 Versicherter tätig werden, selbst bei bloß vorübergehender Beschäftigung, gegen Arbeitsunfälle versichert. Auf solche Personen seien daher auch die Haftungsbeschränkungen der §§ 898 und 899 RVO. anzuwenden, wobei es gleichgültig sei, ob der Gatte der Klägerin der Zweitbeklagten nur für Bauarbeiten und nicht für solche Arbeiten zur Verfügung gestellt worden sei, die einem geprüften Elektromonteur vorbehalten seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Nichtigkeit im Sinne des § 477 Z. 3 ZPO. erblickt die Revision darin, daß das Urteil von einem Gericht gefällt wurde, welches auch durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien für diese Rechtssache, die einen Rechtsstreit zwischen der Rechtsnachfolgerin eines Arbeiters und seinem Dienstgeber aus unerlaubten Handlungen darstelle, nicht zuständig gemacht werden könne.

Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor. Es ist zwar richtig, daß gemäß § 1 Abs. 1 und 2 ArbGerG. die Arbeitsgerichte unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen und Beschäftigten aus dem Arbeits- oder Lehrverhältnisse und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeits- oder Dienstverhältnis im Zusammenhang stehen, ausschließlich zuständig sind und daß diese Zuständigkeit auch in den Fällen besteht, in denen der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger geführt wird. Allein beide Untergerichte haben übereinstimmend festgestellt, daß Franz S. nicht zur zweitbeklagten Partei, sondern zur St. AG. in einem Arbeitsverhältnis stand. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß dadurch, daß Franz S. der zweitbeklagten Partei leihweise für die Mithilfe bei den im Auftrag der St. AG. auszuführenden Arbeiten von Letzterer zur Verfügung gestellt wurde, die zweitbeklagte Partei als Unternehmer im Sinne des § 899 RVO. anzusehen ist. Da Franz S. im Dienstverhältnis bei der St. AG. stand, nicht aber in einem solchen bei der zweitbeklagten Partei, sind die Voraussetzungen des § 1 ArbGerG. für die ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nicht gegeben.

Die Revision ist aber auch nicht begrundet, soweit sie aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. geltend macht, daß die zweitbeklagte Partei dem Franz S. gegenüber weder Unternehmer noch Bevollmächtigter oder Repräsentant im Sinne des § 899 RVO. war und daß daher auch die Bestimmungen des § 898 RVO. keine Anwendung zu finden hätten.

Bereits aus dem Klagsvorbringen ergibt sich, daß der Klägerin wegen des gegenständlichen Unfalles ihres Mannes von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt eine Witwenrente zuerkannt wurde, woraus folgt, daß der gegenständliche Unfall des Franz S. vom zuständigen Versicherungsträger als Betriebsunfall anerkannt wurde. Nun gilt aber für den Fall des sogenannten Arbeiterleihverhältnisses, wie im vorliegenden Falle, die Bestimmung des § 899 RVO., wonach die Regelung des § 898 RVO. auch für Bevollmächtigte oder Repräsentanten und für Betriebs- und Arbeitsaufseher anzuwenden ist, da der entleihende Unternehmer als Repräsentant des Stammunternehmers anzusehen ist (Deutsches Recht Ausg. A, 1944, S. 296, ferner ArbSlg. 5265). Da es sich um einen Betriebsunfall handelt, gilt die Haftungsbeschränkung des § 899 RVO. für beide Beklagte, für die Zweitbeklagte als Repräsentantin des Dienstgebers, für den Erstbeklagten als Arbeitsaufseher des Repräsentanten. Daß Franz S. von der St. AG. der Zweitbeklagten nur als Maurer und nicht für elektrotechnische Arbeiten zur Verfügung gestellt wurde, hebt die Haftungsbeschränkung des § 899 RVO. nicht auf, da Franz S. nach den Feststellungen der Vorinstanzen der zweitbeklagten Partei von seiner Dienstgeberin zur Mithilfe bei den von der zweitbeklagten Partei durchzuführenden Arbeiten zur Verfügung gestellt wurde und in seiner Verwendung zu elektrotechnischen Arbeiten nur eine Fahrlässigkeit, nicht aber ein böser Vorsatz erblickt werden kann und ein vorsätzliches Verhalten auch vom Strafgericht nicht festgestellt wurde. Die Ansicht der Vorinstanzen, daß den Beklagten die Haftungsbeschränkungen des § 899 RVO. zugute kommen, ist daher frei von Rechtsirrtum.

Anmerkung

Z26126

Schlagworte

Arbeitsgericht, Arbeitsunfall, Arbeitsleihverhältnis, Unternehmer, Arbeitsunfall, Arbeitsleihverhältnis, Dienstnehmer, Klage gegen ausleihenden Unternehmer, Haftpflicht, Arbeitsleihverhältnisse, Repräsentant des Unternehmers bei Arbeitsleihverhältnissen, Schadenersatz, Arbeitsunfall, Zuständigkeit, Arbeitsgericht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00296.53.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19530513_OGH0002_0030OB00296_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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