Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §871Kopf
SZ 26/154
Spruch
Eine Irreführung über die Ertragsfähigkeit einer Sache stellt einen Geschäfts- und keinen Motivirrtum dar; sie berechtigt aber nur zum Begehren auf Minderung des Entgeltes, nicht jedoch zu einem solchen auf Wandelung.
Entscheidung vom 10. Juni 1953, 3 Ob 254/53.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger hat mit dem am 24. November 1950 mündlich abgeschlossenen und am 30. November 1950 schriftlich beurkundeten Kaufvertrag von der Beklagten zwei Drittelanteile an den Liegenschaften EZ. 580/II, 581/II, 582/II und 583/II, Katastralgemeinde I., bestehend aus Wohnhaus in I. samt Hofraum, Keller, Waschküche, Holzhütte, Stall, Stadel, Sommerhaus und Grundflächen, um den Preis von 43.000 S gekauft. Er erklärt die Aufhebung des Vertrages und verlangt die Rückstellung des bereits bezahlten Kaufschillings von 30.000 S und Zahlung des einfachen Angeldes von 10.000 S mit der Begründung, daß ihn die Beklagte bei Vertragsabschluß arglistig getäuscht habe, indem sie dem Kaufgegenstand Eigenschaften beigelegt habe, die er nicht besaß. Sie habe nämlich hinsichtlich des Hauses eine 10%ige Verzinsung zugesichert, obwohl das Haus kein Erträgnis abwerfe, und habe bezüglich des Stadels und des Baugrundes GP. 99 die Freiheit von Rechten Dritter behauptet, obwohl daran Mietrechte des Miteigentümers des letzten Drittels Ing. Max T. bestunden.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren bezüglich eines Betrages von 30.000 S statt, das Mehrbegehren wies er ab. Er nahm als erwiesen an, die Beklagte habe im Zuge der Unterhandlungen dem Kläger erklärt, daß sich "die Liegenschaften" mit 10% verzinsen, was aber nicht zugetroffen habe, und daß sie ihn auch aufgefordert habe, beim Hausverwalter über die Verzinsung und die anderen Bedingungen weitere Auskünfte einzuholen. Er billigte ihr, ausgehend von der weiteren, aus der Aussage des Hausverwalters St. gewonnenen Feststellung, daß sie in Fragen des Hausbesitzes und seiner Verwaltung nicht bewandert sei, zu, daß sie die Ertragsziffer durch irrtümliche Einbeziehung von Investitionsrückzahlungen der Mieter in die regelmäßigen Mietzinseinnahmen gutgläubig und nicht in irreführender Absicht angegeben habe. Die vom Miteigentümer Max T. behaupteten Bestandrechte an den Liegenschaften habe die Beklagte dem Kläger keineswegs verschwiegen. Der Kläger habe schon vor Kaufabschluß mit Max T. verhandelt und dabei erfahren, daß dieser trotz der Erklärung der Vorbesitzer nach wie vor Bestandrechte behaupte. In diesem Punkt treffe daher die Beklagte eine Gewährleistungspflicht nicht. Wohl aber hielt der Erstrichter die Gewährleistungspflicht der Beklagten für die den Tatsachen entgegen abgegebenen Erklärungen über den Ertrag der Liegenschaften als gegeben. Es handle sich hiebei um die Zusage einer besonderen Eigenschaft der Liegenschaften (§§ 922 ff. ABGB.). Dieser Mangel des Kaufobjektes sei nicht behebbar, daher sei der Rücktritt des Klägers vom Vertrag und sein Begehren auf Rückzahlung des Kaufpreises begrundet (§ 932 ABGB.).
Auf die Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies.
Das Berufungsgericht übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters mit der Einschränkung, daß die Erklärung der Beklagten dahin gelautet habe, daß sich das Haus derzeit mit 10% rein verzinse. Entgegen der Meinung des Erstrichters sah das Berufungsgericht in der von der Beklagten abgegebenen Verzinsungserklärung nicht eine bindende Zusage einer bestimmten Eigenschaft des Kaufgegenstandes. Durch die Aufforderung an den Kläger, beim Hausverwalter Erkündigungen über den Ertrag der Liegenschaft (des Hauses) einzuziehen, habe sie eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie für die Verzinsungszusage nicht einstehen könne und wolle, daß sie also eine Gewährleistung in dieser Richtung ablehne. Damit fehle aber die grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Geltendmachung von Ansprüchen aus diesem Rechtsgrunde. Zudem habe es sich bei dem Zinsertrag um einen den Kaufwillen des Klägers nicht wesentlich beeinflussenden Nebenumstand gehandelt, denn der zur ausdrücklichen Bedingung erhobene Endzweck des beabsichtigten Kaufes (§ 901 ABGB.) sei, wie das Berufungsgericht feststellte, der gewesen, daß das als Baugrund bezeichnete Grundstück ein Baugrund im wahren Sinne des Wortes sei und daß die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit zum Umbau des darauf befindlichen Stadels in ein Geschäftslokal mit einer darüber befindlichen Wohnung bestehe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist von der Feststellung der Untergerichte auszugehen, daß die Beklagte dem Kläger eine Zusage des Inhalts, der Stadel und die Bauparzelle 99 seien nicht mit irgendwelchem Privatrechten dritter Personen belastet, nicht gegeben hat. Die Beklagte hat den Kläger über die tatsächlichen Verhältnisse in diesen Punkten nicht im Unklaren gelassen. Sie hat ihn ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht daß Ing. Max T. trotz der gegenteiligen Erklärung der Vorbesitzer Bestandrechte am Stadel und an der den Hauptgegenstand des Kaufvertrages bildenden Bauparzelle 99 behaupte. Laut seiner eigenen Parteienaussage hat sich der Kläger noch vor Abschluß des Kaufvertrages mit Ing. Max T. ins Einvernehmen gesetzt und von ihm erfahren, daß er Teile der Liegenschaft von den Eltern her gepachtet habe und daß er das Recht nicht aufgebe. Dessenungeachtet hat der Kläger den Kaufvertrag mit der Beklagten abgeschlossen. Bei dieser Sachlage kann von einer Irreführung oder gar von einer arglistigen Täuschung, wie der Kläger behauptet, nicht im entferntesten die Rede sein. Es fehlt aber auch an den Voraussetzungen für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, weil die Beklagte gar keine Gewähr übernommen hat, daß die verkauften Liegenschaften von den strittigen Rechten frei seien.
Die Revision beruft sich für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch einerseits auf die Gewährleistungsregeln, anderseits auf eine angeblicheIrreführung durch die Beklagte.
Eine Wandlung auf Grund der Vorschriften über die Gewährleistung kann nicht verlangt werden, weil der Wandlungsanspruch voraussetzt, daß der behauptete Mangel den ordentlichen Gebrauch der Sache hindert. Eine mindere als die angeblich zugesicherte Ertragsfähigkeit einer veräußerten Sache hindert aber niemals den ordentlichen Gebrauch der Sache. Eine mindere Ertragsfähigkeit einer Sache rechtfertigt nur das Begehren auf einer Minderung des Entgelts, das gar nicht geltend gemacht worden ist. Das Berufungsgericht hat daher schon aus diesen Erwägungen mit Recht die Wandlungsklage abgewiesen.
Die Klage ist aber auch insofern verfehlt, als sie den Vertrag wegen Irreführung anzufechten versucht. Der Revision ist wohl zuzustimmen, daß eine Irreführung über die Ertragsfähigkeit einer Sache nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. die Zusammenstellung in der Rabelschen Z. 1931, 116, - das Zitat Zeile 24 v. o. soll richtig Rsp. 1924, 128 und nicht 1926, 128 lauten) - einen Geschäfts- und keinen Motivirrtum darstellt, weil eine Preisvereinbarung zu den Essentialia eines Veräußerungsvertrages gehört, auf die sich der Wille der Vertragsparteien erstreckt. Die von einem Schriftsteller vertretene gegenteilige Auffassung, die auch in der Rechtslehre keine Gefolgschaft gefunden hat, wird daher auch vom Obersten Gerichtshof abgelehnt.
Damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen, weil die Untergerichte ausdrücklich festgestellt haben, daß die Ertragshöhe für den Kläger nicht die Hauptsache gewesen sei, die ihn dazu veranlaßt hat, den gegenständlichen Vertrag abzuschließen. Das Berufungsgericht hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger mit dem Ankauf der Liegenschaft die Veräußerung seines Unternehmens und die Erweiterung der Erwerbsgrundlage beabsichtigt hat und daß die Mietzinseinnahmen für seinen Entschluß zu kaufen, nicht entscheidend ins Gewicht gefallen sind. Damit ist festgestellt, daß der Irrtum über die Ertragsfähigkeit, in den ;der Kläger angeblich durch die Beklagte versetzt worden ist, keine wesentliche Beschaffenheit des Kaufgegenstandes gebildet hat (§ 871 ABGB.). Kläger kann daher aus dem Titel der Irreführung nicht Vertragsauflösung, sondern höchstens eine angemessene Vergütung nach § 872 ABGB. begehren, was er aber nicht verlangt hat.
Dazu kommt noch, daß das Berufungsgericht überhaupt keine Irreführung des Klägers festgestellt hat. Das Berufungsgericht hat vielmehr festgestellt, daß die Beklagte bei Bekanntgabe der Höhe des Ertrages der verkauften Liegenschaft den Kläger ausdrücklich darauf verwiesen hat, er möge sich beim Hausverwalter über den Zinsertrag erkundigen; sie hat damit, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie sich über diese Frage nicht völlig im klaren sei. Hat sich bei dieser Sachlage Kläger mit dieser unbestimmten Auskunft der Beklagten begnügt und es unterlassen, die Erkündigungen, auf die er von der Beklagten verwiesen wurde, durchzuführen, so kann nicht gesagt werden, daß die Beklagte den Kläger irregeführt habe, da ersich mit ihrer Auskunft nicht begnügen durfte. Hat er dies aber getan, so ist er selbst an seiner unrichtigen Auffassung über die Ertragsfähigkeit der Grundstücke schuld und kann daher das Rechtsgeschäft nicht mehr wegen Irreführung durch die Beklagte anfechten, da die Voraussetzungen des § 870 ABGB. nach den untergerichtlichen Feststellungen nicht vorliegen.
Anmerkung
Z26154Schlagworte
Ertragsfähigkeit, Geschäftsirrtum, Irreführung über Ertragsfähigkeit, Irrtum, über Ertragsfähigkeit, Minderung Irrtum über Ertragsfähigkeit, Wandelung, Irrtum über ErtragsfähigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00254.53.0610.000Dokumentnummer
JJT_19530610_OGH0002_0030OB00254_5300000_000