Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §829Kopf
SZ 26/179
Spruch
Der Altmieter kann nach § 20 WWG. nur das Stellen eines Anbotes, nicht die Übergabe der Räume verlangen.
Steht das Haus im Miteigentum mehrerer, so müssen alle Miteigentümer geklagt werden.
Ist hinsichtlich der Räume schon im Grundbuch Wohnungseigentum eingetragen, so hat der Wohnungseigentümer das Anbotes, nicht die Übergabe der Räume verlangen.
Entscheidung vom 4. Juli 1953, 1 Ob 229/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Klägerin begehrt als Altmieterin eines Geschäftslokales in einem bombenbeschädigten und wiederaufgebauten Haus von der Beklagten als angeblicher Wohnungseigentümerin der Geschäftsräumlichkeiten, ein Anbot zum Erwerb des Wohnungseigentums im Sinne des § 20 WWG. zu stellen und das Lokal der klagenden Partei zu übergeben.
Das Erstgericht hat mit Urteil vom 13. August 1952 das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, die beklagte Partei habe einen Anteil am Hause Wien, III., H.straße 79, erworben und sei damit Miteigentümerin geworden. Unter Hauseigentümern im Sinne des § 20 Abs. 2 WWG. seien alle Miteigentümer zu verstehen. Bisher seien noch nicht einmal die entsprechenden Verträge zur Begründung des Wohnungseigentumes abgeschlossen worden. Die Beklagte sei daher als bloß anteilsmäßige Miteigentümerin der Liegenschaft anzusehen. Die Regelung des § 20 Abs. 2 lit. c treffe nur Ersatzmaßnahmen, besage aber nicht, daß das Anbot unbedingt in einem eingeschriebenen Brief an den Optionsberechtigten gerichtet werden müsse. Das Anbot sei tatsächlich an die klagende Partei gelangt, die an den Brief anschließenden Verhandlungen hätten im Mai 1951 stattgefunden, die klagende Partei habe daher die gesetzliche Frist von 30 Tagen zur Erklärung ihres Eintrittes versäumt und überdies ausdrücklich darauf verzichtet.
Da das Anbot nach § 20 Abs. 2 WWG. an den Altmieter bereits vor dem Ansuchen um Fondshilfe gestellt werden könne, also zu einer Zeit, da die Höhe der Kosten und die Bedingungen noch nicht feststehen, sei das Anbot ohne Bekanntgabe der Kosten nicht gesetzwidrig. Überdies könne dem Altmieter gemäß § 20 Abs. 2 lit. c WWG. ohnehin höchstens zu den ortsüblichen Bedingungen angeboten werden.
Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die erstrichterliche Entscheidung bestätigt, ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige, und ausgeführt, es sei zwar aktenwidrig, daß der Zeuge B. einen ausdrücklichen Verzicht der Klägerin bestätigt habe, diese Aktenwidrigkeit sei aber nicht wesentlich. Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes sei unbedenklich. Das Begehren der Klägerin auf Übergabe des Geschäftslokales sei unbegrundet, da die Beklagte die ihr nach Ansicht der klagenden Partei obliegende Anbotspflicht noch nicht erfüllt habe, das sogenannte Optionsrecht des Altmieters nur eine befristete Offerte sei, Klägerin daher nur das Recht zustehe, ein Anbot gestellt zu erhalten, sowie der Anspruch auf Übergabe erst durch die uneingeschränkte Annahme des Anbotes gemäß § 20 Abs. 2 WWG. existent werden könne. Die Beklagte sei nach der Aktenlage nur Minderheitseigentümerin und ihr Wohnungseigentumsrecht im Grundbuch noch nicht eingetragen. Wenn die Beklagte nach Punkt 5 des Kaufvertrages das streitige Geschäftslokal als Eigentumswohnung zu erhalten habe, erwachse ihr dadurch höchstens ein Anspruch auf den Vertrag zur Begründung des Wohnungseigentumsrechtes an den Geschäftsräumlichkeiten. Ein schriftlicher Vertrag im Sinne des § 4 WEG., der erst die Grundlage und den Titel für die Eintragung des Wohnungseigentumsrechtes bilde, sei noch nicht geschlossen worden. Auch dieser Titel gewähre aber noch nicht das Wohnungseigentum, sondern nur den Anspruch auf Übergabe und Einverleibung des Wohnungseigentumsrechtes, also ein ius ad rem. Vor Abschluß des schriftlichen Vertrages stehe aber der Beklagten nicht einmal ein obligatorischer Anspruch auf Einräumung des Wohnungseigentums zu und fehle ihr daher die passive Sachlegitimation.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Oberste Gerichtshof hat allerdings in seiner Entscheidung vom 6. Juni 1951, 3 Ob 246/51 den Standpunkt vertreten, daß die Pflicht, dem Altmieter gemäß § 20 WWG. ein Anbot zu stellen, den derzeitigen Wohnungseigentümer treffe, da dieser allein nach den Vorschriften des WEG. zur Verfügung über die neu errichtete Wohnung berechtigt sei. Die Beklagte würde diese Pflicht demnach treffen, wenn ihr Wohnungseigentumsrecht an den streitgegenständlichen Geschäftsräumen bereits zustunde. Zur Begründung des Wohnungseigentums ist aber nach den §§ 1 ff. des Bundesgesetzes vom 8. Juli 1949, BGBl. 149, der Abschluß einer schriftlichen Vereinbarung aller Miteigentümer und die Eintragung im Grundbuch erforderlich (vgl. Dr. Sergius Borotha, Das Wohnungseigentumsgesetz, S. 11, 21 ff.). Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil ist lediglich in dem von den früheren Miteigentümern des Hauses mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag ihr die Begründung des Wohnungseigentums zugesagt, jedoch ein schriftlicher Vertrag mit allen Miteigentümern im Sinne des § 4 WEG. ist bisher nicht abgeschlossen worden und das Wohnungseigentum der Beklagten demzufolge auch im Grundbuch noch nicht eingetragen. Die Beklagte ist daher bisher noch nicht Wohnungseigentümerin hinsichtlich des Geschäftslokales, sondern bloß Miteigentümerin des Hauses. Die Anbotspflicht nach § 20 Abs. 2 WWG. kann sie als bloße Miteigentümerin nicht allein treffen, sondern nur zusammen mit den anderen Miteigentümern und kann sie daher auch nicht allein, sondern nur mit den anderen Miteigentümern zusammen auf Stellung des Anbotes geklagt werden. Ob die Beklagte nach der klägerischen Behauptung das Lokal tatsächlich schon benützt bzw. es für ihre Zwecke bereits adaptiert, istbedeutungslos; denn auf Grund ihres bloßen Miteigentumsrechtes und einer allfälligen einverständlichen Benützungsregelung wäre sie noch nicht befugt, ein Anbot im Sinne des § 20 WWG. zu stellen. Zweck des Anbotes ist ja, daß durch seine uneingeschränkte Annahme seitens des Altmieters für diesen ein Recht auf Einräumung des Wohnungseigentums entsteht. Zur Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes ist aber gemäß § 4 WEG. eine schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer erforderlich. Das von der Beklagten als bloßer Miteigentümerin allein gestellte Anbot wäre daher bedeutungslos. Nur dann, wenn sie schon Wohnungseigentümerin wäre, könnte sie allein ihr Recht auf die Klägerin übertragen und wäre sie deshalb auch allein anbotsberechtigt und verpflichtet. Von der Beklagten als bloßer Miteigentümerin allein kann aber die Klägerin die Stellung eines Anbotes nicht verlangen und ist daher die Abweisung dieses Begehrens gerechtfertigt.
Was das Begehren auf Übergabe des Geschäftslokales anlangt, so kann dieses jedenfalls auf § 20 WWG. nicht gestützt werden, da dort nur ein Recht des Altmieters auf Stellung eines Anbotes, nicht aber ein Optionsrecht statuiert ist (vgl. 3 Ob 246/51). Die Klägerin bezeichnet sich in der Klage ausdrücklich als Altmieterin des Geschäftslokales im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes. Dieses Gesetz erwähnt den Altmieter nur im § 12. u. zw. in der Weise, daß es dort ausspricht, das Optionsrecht des Altmieters (§ 20 des Wohnungswiederaufbaugesetzes, BGBl. Nr. 130/1948) bleibe unberührt, und versteht daher auch das Wohnungseigentumsgesetz unter Altmieter dasselbe wie § 20 WWG. Nach § 20 WWG. ist aber Altmieter, wer im Zeitpunkt der Kriegseinwirkung Hauptmieter war und sein Hauptmietrecht durch die Zerstörung verloren hat; denn gehörte letzteres nicht zum Begriff des Altmieters, so bedürfte es ja nicht erst eines Anbotes auf Abschluß eines Mietvertrages, weil der frühere Bestandvertrag noch aufrecht bestunde. Wäre das frühere Mietverhältnis noch aufrecht, so könnte der Mieter ja den Vermieter einfach nach vollendetem Wiederaufbau auf Einhaltung des Mietvertrages und Übergabe der aufgebauten Räume klagen. Daraus, daß die Klägerin sich in der Klage als Altmieterin in diesem Sinne bezeichnet hat, aber auch aus dem ganzen Aufbau des Klagsvorbringens geht hervor, daß die Klägerin ihren Anspruch bloß aus § 20 WWG. ableiten wollte, wenngleich sie auch Weiterzahlung des Mietzinses bis Jänner 1951 behauptet hat. Wenn die Klägerin in der Revision ihr Übergabsbegehren nunmehr auf § 372 ABGB. stützen will, so macht sie damit in unzulässiger Weise einen neuen Rechtsgrund geltend. Hievon abgesehen ist die Klage ja nicht gegen einen Dritten, einen neuen Mieter, sondern gegen eine Miteigentümerin des Hauses gerichtet, die das Geschäftslokal nach dem Klagsvorbringen kraft ihres Miteigentumsrechtes oder sogar ihres angeblichen Wohnungseigentumes benützt. Die dem alten Mieter von der Rechtsprechung im Sinne des § 372 ABGB. gewährte Klagemöglichkeit setzt aber voraus, daß die Wohnung von einem jüngeren Mieter oder überhaupt von einer dritten Person ohne Rechtstitel benützt wird. Beides trifft aber nach dem klägerischen Vorbringen nicht zu. Es könnte daher nur eine Klage auf Zuhaltung des Bestandvertrages im Sinne der §§ 1096, 1098 ABGB. durch Gewährung der ungestörten Benützung des Mietgegenstandes in Frage kommen, die aber wieder nur gegen alle Vermieter bzw. Miteigentümer (als Erwerber der Liegenschaft § 1120 ABGB.) gerichtet sein müßte.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist somit zutreffend und war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z26179Schlagworte
Altmieter, Anbot an -, Anbietungspflicht bei Wohnhauswiederaufbau, Miteigentum, bei Wohnhauswiederaufbau, Anbot an den Altmieter, Optionsrecht des Altmieters, Wohnhauswiederaufbau, Anbot an den Altmieter, Wohnungseigentümer, Anbot an den AltmieterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0010OB00229.53.0704.000Dokumentnummer
JJT_19530704_OGH0002_0010OB00229_5300000_000