Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1438Kopf
SZ 26/200
Spruch
Gegen Unterhaltsforderungen können Schadenersatzforderungen aufgerechnetwerden, wenn der Schaden absichtlich zugefügt wurde.
Entscheidung vom 22. Juli 1953, 3 Ob 461/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Anläßlich der Ehescheidung hat sich der Mann der Beklagten Doktor Lothar S. in einem gerichtlichen Vergleiche verpflichtet, zur Abfindung aller Unterhaltsansprüche der Beklagten 52.000 S zu bezahlen, wovon 25.000 S bereits ausgezahlt worden waren, während der Rest bis 2. Jänner 1952 bezahlt werden sollte. Die Verpflichtung war wertgesichert. Der geschiedene Gatte der Beklagten ist am 20. Juli 1951 gestorben. Zur Hereinbringung des rückständigen Betrages von nunmehr 43.214.30 S führte die Beklagte gegen die Verlassenschaft nach Dr. Lothar S. Exekution. In der vorliegenden Oppositionsklage macht die klagende Verlassenschaft eine Gegenforderung von 100.000 S bis zur Höhe der betriebenen Forderung geltend mit der Behauptung, die Beklagte habe durch Diebstahl von Wertgegenständen des Erblassers der klagenden Partei einen Schaden in dieser Höhe absichtlich zugefügt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die betriebene Forderung und die Gegenforderung seien nicht gleichartig, da es sich bei ersterer um eine höchstpersönliche Forderung handle, während ein Anspruch auf Herausgabe der angeblich gestohlenen Gegenstände entgegengesetzt werde. Eine Aufrechnung gegen Unterhaltsansprüche sei nach der herrschenden Rechtsprechung nicht zulässig. Außerdem entbehre die Gegenforderung der Liquidität.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf. Die Forderungen seien gleichartig, da beide Geldforderungen seien. Wohl sei eine Unterhaltsforderung im wesentlichen unpfändbar, doch sei die Gegenforderung eine Schadenersatzforderung wegen absichtlicher Schadenszufügung, sodaß eine Aufrechnung nach § 293 Z. 3 EO. zulässig sei. Das Erfordernis der Liquidität sei durch § 391 ZPO. beseitigt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs macht geltend, wegen des verschiedenen Schuldinhaltes seien die Forderungen nicht gleichartig. Eine Aufrechnung gegen Unterhaltsforderungen sei grundsätzlich ausgeschlossen. Außerdem werde auch die Fälligkeit der Gegenforderung bestritten. Das Erfordernis der Liquidität sei durch § 391 ZPO. nicht beseitigt, weil diese Gesetzesstelle nur die Erlassung eines Teilurteiles erleichtere. Jedenfalls müsse die Voraussetzung der Liquidität für den Oppositionsstreit vorliegen, wie der OGH. in SZ. X/131 ausgesprochen habe. Die absichtliche Schadenszufügung sei nicht erwiesen.
Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.
Warum die Fälligkeit des Anspruches nicht gegeben sein sollte, wenn er überhaupt zu Recht besteht, ist nicht einzusehen.
Zutreffend ist die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die Liquidität nicht mehr Voraussetzung für die Aufrechnung ist. Das Erfordernis der Liquidität ist nach Einführung der Zivilprozeßordnung, nämlich durch § 391 ZPO., mit der Möglichkeit der Erlassung eines Teilurteiles und der zwingenden Vorschrift, daß über die Gegenforderung weiter zu verhandeln ist, weggefallen. Damit ist die Liquidität durch § 391 ZPO. auch als materiellrechtliches Erfordernis beseitigt. Dies entspricht beinahe einhelliger Lehre und Rechtsprechung. Völlig unrichtig ist, daß der Oberste Gerichtshof in SZ. X/131 die Liquidität der Gegenforderung für den Oppositionsstreit verlangt hätte. Gerade im Gegenteil lehnt diese Entscheidung die Liquidität der Gegenforderung als Aufrechnungsvoraussetzung im Oppositionsstreit ausdrücklich ab und trägt die Prüfung der Gegenforderung auf.
Richtig ist, daß die Gleichartigkeit der Forderung gegeben ist, denn es handelt sich bei den beiden Forderungen um Geldforderungen die als solche gegeneinander aufgerechnet werden können. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof in verschiedenen Entscheidungen die Aufrechnung deshalb ausgeschlossen, weil die Unterhaltsforderung wegen ihres höchstpersönlichen Charakters nicht gleichartig sei (z. B. ZBl. 1916 Nr. 282). Allein diese Eigenschaft der Unterhaltsforderung hat nichts mit der Gleichartigkeit im Sinne des § 1438 ABGB. zu tun. Denn auch bei der Unterhaltsrente sowie beim hier in Betracht kommenden Abfindungsbetrag wird ausschließlich Geld geschuldet. Da nun die Schadenersatzforderung ebenfalls eine Geldschuld ist, liegt Gleichartigkeit vor. Der besondere Charakter der Unterhaltsforderung spielt lediglich für die Frage der Pfändbarkeit dieser Forderung eine Rolle.
Nun ging die Rechtsprechung bis zur Einführung der Exekutionsordnung dahin, daß die Unterhaltsforderung als höchstpersönliche Forderung nicht pfändbar sei. Die Exekutionsordnung hat aber in § 291 Z. 2 die Pfändung von Unterhaltsbeiträgen, soweit sie 1000 Kronen übersteigen, zugelassen. Die Novelle vom Jahre 1922 hat diese gesetzliche Vorschrift wieder beseitigt, weil - nach dem Motivenbericht - eine Unterhaltsforderung infolge ihres höchstpersönlichen Charakters ohnehin unpfändbar sei. Die Rechtsprechung ist darin gefolgt und hat Unterhaltsrenten, soweit sie zur Deckung des standesgemäßen Unterhaltes erforderlich waren, für unpfändbar erklärt und nur den darüber hinausgehenden Betrag der Pfändung unterworfen, weil es sich bei diesem Mehrbetrag nicht um einen Unterhalt, sondern um eine andere Art von Zuwendung handle. Im gleichen Umfange wurde auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 293 EO. die Aufrechnung zugelassen. Durch § 4 Lohnpfändungsverordnung wurden Unterhaltsforderungen für bedingt pfändbar erklärt. Im Endergebnis hat sich durch Einführung dieser Vorschrift praktisch nicht viel geändert, denn gesetzliche Unterhaltsrenten bleiben damit im wesentlichen unpfändbar. Doch muß immerhin beachtet werden, daß unter bestimmten Voraussetzungen solche Unterhaltsforderungen gleich Forderungen aus Arbeitseinkommen behandelt und in diesem Umfange der Pfändung unterworfen werden können. Diese Gleichstellung der Unterhaltsrente mit dem Arbeitseinkommen (wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen) zwingt wohl dazu, diese Unterhaltsforderungen gleich anderen der Pfändung entzogenen Forderungen zu behandeln. Es muß daher auch für sie § 293 EO. im vollen Umfange gelten, so daß auch gegen Unterhaltsforderungen Schadenersatzforderungen, wenn der Schaden absichtlich zugefügt wurde, aufgerechnet werden können (sinngemäß gleich 1 Ob 1032/52). Schutz gegen mißbräuchliche Inanspruchnahme des Oppositionsstreites bilden die Vorschriften über die Aufschiebung der Exekution. Das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht die Prüfung der Gegenforderung aufgetragen. Daß eine absichtliche Schadenszufügung nicht erwiesen ist, ist richtig, doch gerade zur Prüfung, ob die Gegenforderung zu Recht besteht und erwiesen werden kann, hat das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben.
Anmerkung
Z26200Schlagworte
Aufrechnung gegen Unterhaltsforderung, Kompensation, Schadenersatz gegen Unterhaltsforderung, Schadenersatz, Aufrechnung gegen Unterhaltsforderungen, Unterhaltsforderungen, AufrechnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00461.53.0722.000Dokumentnummer
JJT_19530722_OGH0002_0030OB00461_5300000_000