TE OGH 1953/9/17 3Ob289/53

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Veröffentlicht am 17.09.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §372
Drittes Rückstellungsgesetz §30
Konkursordnung §21
Konkursordnung §23
Konkursordnung §116 Z4

Kopf

SZ 26/228

Spruch

§ 116 Z. 4 KO. betrifft auch alle Rechtsgeschäfte, in die der Masseverwalter kraft Gesetzes eintritt, wie bei Bestand- und Dienstverträgen.

In der Zustimmung des Gläubigerausschusses zur Liquidierung des Unternehmens ist auch die Zustimmung zur vorzeitigen Aufgabe der Mietrechte zu erblicken.

Entscheidung vom 17. September 1953, 3 Ob 289/53.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Das Erstgericht hat die Beklagte schuldig erkannt, der Klägerin das Haus Graz, J.straße 23, binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben, wobei es die Rechtsmeinung vertrat, daß die erfolgte Auflösung des Bestandverhältnisses zwischen der Klägerin und der Hauseigentümerin im Zuge des über das Vermögen der Firma T. eröffneten Konkurses durch den Masseverwalter im Hinblick auf die NS-Machtergreifung und somit nicht freiwillig erfolgt sei. Es handle sich zwar um den Fall einer Rückstellung entzogener Mietrechte, für welche allerdings die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen, doch genieße der aus dem Rechtsbesitz verdrängte Mieter jedenfalls petitorischen Rechtsschutz und sei daher in der Lage, seine Rechte auf Wiedererlangung des rechtswidrig entzogenen Bestandgegenstandes gegen Dritte mit einer nach Analogie des § 366 ABGB. aufgebauten Klage durchzusetzen. Da auch der Beklagten als Gattin des früheren Bestandinhabers Gutgläubigkeit bei Erwerb des Bestandrechtes keinesfalls zuzubilligen sei, habe sie dem verdrängten Rechtsbesitzer zu weichen.

Der seitens der beklagten Partei dagegen erhobenen Berufung wurde Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß das Räumungsbegehren abgewiesen wird. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, daß, falls das ältere Mietrecht nicht mehr zu Recht bestehe, der seinerzeitige Bestandnehmer unabhängig von der Frage der Redlichkeit oder Unredlichkeit nicht mehr befugt sei, die Räumung des Bestandgegenstandes von dem späteren Mieter mit der petitorischen Klage zu begehren. Die einverständliche Auflösung des Bestandvertrages im Zuge des über das Vermögen der Firma T. eröffneten Konkurses binde aber als Rechtshandlung des Masseverwalters auch die Klägerin. Daß der Konkurskommissär im vorliegenden Fall eine Beschränkung der Befugnisse des Masseverwalters verfügt und Dritten bekanntgegeben habe, sei nicht ersichtlich. Die Auflösung eines Mietvertrages bedürfe jedoch nicht der Genehmigung des Konkurskommissärs. Nach der einverständlichen Auflösung des Mietvertrages sei aber die Hauseigentümerin berechtigt gewesen, das Bestandobjekt an den Gatten der Beklagten zu vermieten, wobei die Wirksamkeit des neu geschlossenen Mietvertrages bereits in die Zeit nach Auflösung des Mietvertrages der Klägerin falle, sodaß von einer Kollision der Mietrechte nicht gesprochen werden könne. Da somit infolge Auflösung des Mietvertrages der Klägerin konkurrierende Mietrechte nicht mehr vorliegen, stehe dieser ein petitorischer Anspruch auf Räumung des ihr seinerzeit allerdings rechtswidrig entzogenen Bestandobjektes nicht zu. Wenngleich ein Entziehungstatbestand vorliege, könne dieser außerhalb der Rückstellungsgesetzgebung keine Berücksichtigung finden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Beizupflichten ist der Revision allerdings insoweit, als die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß die Auflösung eines Mietvertrages schlechthin nicht der Genehmigung des Gläubigerausschusses bzw. in dessen Ermangelung der Genehmigung des Konkurskommissärs bedarf, nicht zutrifft. Gemäß § 116 Z. 4 KO. bedarf die Entscheidung über die Erfüllung oder Aufhebung von Rechtsgeschäften des Gemeinschuldners, wenn ein bestimmter Wert überschritten wird (derzeit 20.000 S), der Genehmigung des Gläubigerausschusses. Diese Gesetzesstelle betrifft nicht nur die zweiseitigen, von keiner Vertragspartei noch völlig erfüllten (§§ 21 ff KO.), sondern auch alle Rechtsgeschäfte, in die der Masseverwalter kraft Gesetzes eintritt, wie dies bei Bestand- und Dienstverträgen der Fall ist (§§ 23 bis 25a KO.). Nun ergibt sich jedoch aus dem Konkursakt (Protokoll über die Sitzung des Gläubigerausschusses, Antrag gemäß § 128/3 KO., vom Gläubigerausschuß gefertigt, Bericht des Masseverwalters), daß die Liquidierung des Unternehmens seitens des Masseverwalters durch gänzlichen Abverkauf des Warenlagers mit Zustimmung des Gläubigerausschusses erfolgt ist. Hierin muß aber die Zustimmung des Gläubigerausschusses auch zu allen Rechtshandlungen erblickt werden, die sich aus der Liquidierung des Unternehmens zwangsläufig ergeben, somit auch zur vorzeitigen Aufgabe der Mietrechte. Schon aus diesem Gründe erscheint die Vorschrift des § 116 Z. 4 KO. jedenfalls nicht verletzt. Da sohin der Mietvertrag mit Wirkung für die Gemeinschuldnerin aufgelöst wurde, kommt es nicht darauf an, für welche Zeit er abgeschlossen wurde, und ob und welche Zinsvorauszahlungen geleistet wurden. Im Hinblick auf die einverständliche Auflösung des Mietvertrages, die ohne Rücksicht auf die Vertragsdauer vorgenommen werden kann, gehen alle Ausführungen der Revision, die darzutun versuchen, daß eine Kündigung des Mietvertrages erst im Jahre 1946 hätte erfolgen können, daß die Klägerin Vorauszahlungen auf den Bestandzins geleistet habe, sowie der Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 23 und 24 KO. ins Leere.

Wenn die Revision vorbringt, der verstorbene Gatte der Klägerin habe vorsätzlich die Einleitung des Konkursverfahrens herbeigeführt, um sich in den Besitz der Mietrechte der Klägerin zu setzen, so können ihre Ausführungen deshalb keine Beachtung finden, weil die Klägerin ihre Klage auf die Bestimmung des § 372 ABGB. mit der Behauptung stützt, ihr Mietrecht sei nicht erloschen. Der Umstand, daß der Gatte der Beklagten die Einleitung des Konkursverfahrens vorsätzlich herbeigeführt haben soll, könnte die Klägerin lediglich zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen berechtigen. In diesem Verfahren, das lediglich die Entscheidung der Frage zum Gegenstand hat, ob das Mietrecht der Klägerin noch aufrecht besteht oder erloschen ist, kann aber nicht untersucht werden, ob der Klägerin ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, der gar nicht geltend gemacht wurde, zusteht oder nicht. Die in der Revision zitierten Entscheidungen 2 Ob 34/51 und 1 Ob 725/51 betreffen nicht die hier zur Entscheidung stehende Frage; denn es kommt im vorliegenden Falle nicht darauf an, ob die Beklagte beim Erwerb des Mietrechtes gutgläubig war oder nicht, da infolge der rechtswirksamen Auflösung des Mietvertrages durch den Masseverwalter der Bestandvertrag der Klägerin aufgehoben wurde und daher konkurrierende Mietrechte gar nicht vorliegen. Der Entscheidung 2 Ob 34/51 liegt aber der Fall zugrunde, daß der Vormieter sein Mietrecht nicht aufgegeben hat; in dieser Entscheidung wurde lediglich darüber abgesprochen, daß in dem dort in Rede stehenden Falle der neue Mieter nicht im guten Glauben seinkonnte, der Vormieter habe sein Mietrecht aufgegeben, weil er über Veranlassung des neuen Mieters durch NS-Stellen aus diesem Mietrecht verdrängt worden war, ohne dieses aufzugeben. Gerade aus der in der Revision bezogenen Entscheidung 2 Ob 61/51 ergibt sich, daß im Falle einer Auflösung des Mietvertrages durch den Mieter bzw. im vorliegenden Fall durch den Masseverwalter als dessen gesetzlichen Vertreter der Vormieter sein Räumungsbegehren gegen den neuen Mieter nicht darauf stützen kann, daß die Auflösung des Mietvertrages nur auf die rassische Verfolgung des Vormieters zurückzuführen sei. Daß aber die Beklagte oder deren Gatte den Masseverwalter dazu veranlaßt haben, den Bestandvertrag der Klägerin aufzulösen, behauptet die Revision selbst nicht. Sie begnügt sich mit der Behauptung, der Gatte der Klägerin habe die Einleitung des Konkursverfahrens vorsätzlich herbeigeführt. Aus diesem Vorbringen ergibt sich aber keineswegs, daß der Masseverwalter vom Gatten der Beklagten veranlaßt wurde, den Bestandvertrag aufzulösen.

Da die Auflösung des Bestandvertrages der Klägerin durch deren gesetzlichen Vertreter also rechtswirksam erfolgte, ist das Mietrecht der Klägerin erloschen; es steht ihr daher ein aus der Bestimmung des § 372 ABGB. sich ergebender Räumungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Die Frage, ob der Klägerin ein Rückstellungsanspruch hinsichtlich des Bestandobjektes zustehen würde, ist nicht zu erörtern, da die im § 30 des Dritten Rückstellungsgesetzes in Aussicht gestellte Regelung in Ansehung von Bestandverträgen bisher nicht erfolgt ist.

Was schließlich das Vorbringen der Revision hinsichtlich der exceptio doli anlangt, so genügt es, darauf zu verweisen, daß es nicht darauf ankommt, ob der Gatte der Beklagten die Einleitung des Konkursverfahrens vorsätzlich veranlaßt hat, sondern ob das Mietrecht der Klägerin noch aufrecht besteht, welche Frage das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum verneint hat.

Anmerkung

Z26228

Schlagworte

Bestandvertrag, Konkurs, Dienstvertrag Konkurs, Gläubigerausschuß, Liquidation, Konkurs, Aufgabe der Mietrechte, Konkurs, Bestandvertrag, Konkurs, Rechtsgeschäfte, Liquidation, im Konkurs, Masseverwalter, Eintritt in Rechtsgeschäfte, Mietrechte, Verzicht, Unternehmen, Konkurs

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00289.53.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19530917_OGH0002_0030OB00289_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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