TE OGH 1953/9/22 4Ob166/53

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Veröffentlicht am 22.09.1953
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Norm

Bundestheaterpensionsverordnung i, d. Fassung BGBl. 84/1926 §8
Bundestheaterpensionsverordnung i, d. Fassung BGBl. 84/1926 §44

Kopf

SZ 26/232

Spruch

Keine Anrechnung der Tätigkeit als Ballettschülerin vor Übernahme in das Ballettkorps in die Pensionszeit.

Entscheidung vom 22. September 1953, 4 Ob 166/53.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht Wien.

Text

Die Erst- und Drittklägerin waren, bevor sie mit Anstellungsvertrag in das Ballettkorps übernommen wurden, Ballettschülerinnen, die auch während dieser Zeit ständig zu Ballettaufführungen herangezogen wurden, wofür sie jeweils ein Taggeld erhielten. Der Streit zwischen den Parteien geht darum, ob diese Schulzeit in die für die Pensionsberechnung nach der Bundestheater-Pensionsverordnung (Fassung BGBl. 84/1926) maßgebende Zeit einzurechnen ist.

Die erste Instanz hat diese Frage bejaht, das Berufungsgericht hat sie verneint.

Das Berufungsgericht ließ sich von nachstehenden Erwägungen leiten. Nach § 8 BThPV. werde für die Bemessung des Ruhegenusses bei weiblichen Angehörigen des Ballettkorps vom 15. Lebensjahr an jede in den Bundestheatern ununterbrochen vollstreckte Dienstzeit eingerechnet. Aus § 1 der Bundestheater-Pensionsverordnung sei für die Auslegung der Frage, was unter "ununterbrochen vollstreckter Dienstzeit" zu verstehen sei, nichts zu entnehmen, da er nur eine Umschreibung des Personenkreises enthalte, auf den die Bundestheater-Pensionsverordnung Anwendung finde, und wenn dort auf vertragsmäßig als vollbeschäftigte in Verwendung stehende Angestellte Bezug genommen werde, so sei damit lediglich gesagt, daß ein Vertrag dem Dienstverhältnis zugrunde liegen müsse. Es liege daher der Gedanke nahe, daß die Dienstzeit nach dem Zeitpunkt des formellen Abschlusses des Bühnendienstvertrages bestimmt werde. Nach § 2 Schauspielergesetz sei aber die Schriftlichkeit des Bühnendienstvertrages kein formelles Erfordernis für seine Gültigkeit. Es müsse daher entgegen der Berufung angenommen werden, daß die Mitgliedschaft zum Ballettkorps nicht nur durch einen schriftlichen Abschluß des Bühnendienstvertrages begrundet werden kann und daß kein rechtliches Hindernis für die Begründung eines Dienstvertrages durch schlüssige Handlungen nach § 863 ABGB. besteht.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes habe zwischen der Tätigkeit der Klägerinnen vor und nach dem Engagement kein wesentlicher Unterschied bestanden. Es sei daher für die Entscheidung der Frage der Qualifikation der Tätigkeit der Klägerinnen vor ihrem Engagement in der Zeit, da sie noch Angehörige der Ballettschule waren, maßgebend.

Auf Grund der Aussage der Zeugen Dr. R., Erika H. und Willy F. gehe hervor, daß die Disziplin, der die Ballettschülerinnen unterstehen, eine reine Schuldisziplin sei und daß der Operndirektion keine disziplinären Machtmittel zur Verfügung stehen, wenn sich eine Schülerin weigern sollte, die Vertretung eines engagierten Mitgliedes zu übernehmen oder überhaupt an der Probenarbeit teilzunehmen oder die Mitwirkung an der Aufführung selbst ablehnt. Aus der Aussage des Zeugen V. ergebe sich, daß der wirtschaftliche Druck hinreichend Anlaß gab, den strikten Weisungen der Direktion nachzukommen, weil eine Weigerung den Berufsabsichten der Ballettschülerinnen widersprochen hätte, die dahin gingen, Mitglied des Balletts zu werden, d. h. ins Engagement zu kommen. Aus den Aussagen der Zeugen Willy F., G., Dr. W. und Dr. R. gehe weiters hervor, daß die Ballettschülerinnen für die Heranziehung zur Aufführung ein Honorar bekamen. Auch stehe den Ballettschülerinnen schließlich vor ihrem Engagement jederzeit die Möglichkeit offen, aus der Ballettschule auszutreten. Bei dieser Sachlage könne von vornherein von einem Dienstvertrag nicht gesprochen werden, da dieser überhaupt die Voraussetzung für die Einrechnung dieser Zeit als Dienstzeit bilden müßte. An dieser Feststellung ändere der bestehende Brauch nichts, das Ensemble fast ständig durch Ballettschülerinnen zu vergrößern, was dem Schulzweck zuwiderlaufe und ihn beeinträchtige.

Es könne auch dahingestellt bleiben, ob das einzelne Auftreten der Klägerinnen nach den getroffenen Feststellungen als Werk- oder als Dienstvertrag anzusehen sei, denn selbst im Falle ihrer Wertung als Dienstvertrag könne ein solcher nur für die jeweilige Aufführung als zustandegekommen angesehen werden und müsse ein darüber hinausgehender Vertragswille zumindest auf Seite der Operndirektion und nach ihrem auch den Klägerinnen bekannten Verhalten auch auf Seite der Klägerinnen abgelehnt werden. Aus diesem Gründe könne daher selbst bei intensiver Heranziehung der Klägerinnen zu Aufführungen von einem einheitlichen und ununterbrochenen Dienstvertrag nicht gesprochen werden, da dieser Annahme schon die Bestimmung des § 8 Abs. 1 BThPV. entgegenstehe, wonach die Dienstzeit als Tageshelfer oder als sonstige Aushilfsangestellte für die Bemessung des Ruhegenusses nicht in Anschlag zu bringen sei. Die Heranziehung der Klägerinnen zu Dienstleistungen an der Oper vor ihrem Engagement könne daher nur der Tätigkeit eines Statisten gleichgeachtet werden, zumal sie in ähnlicher Weise das Honorar wie diese erhalten.

Wenn das Erstgericht die Meinung vertritt, daß durch konkludente Handlungen ein Vertrag stillschweigend zustandegekommen sei - die Klägerinnen haben selbst nicht in der Tatsache ihrer Heranziehung zu den Ensembleproben und den Aufführungen den stillschweigenden Abschluß eines Dienstvertrages behauptet - so habe das Beweisverfahren nichts in dieser Richtung ergeben, da keine der beiden Vertragsparteien aus der Tatsache der Heranziehung der Ballettschülerinnen zu gleichartiger Tätigkeit wie das Ballettkorps eine Folgerung im Sinne des § 863 ABGB. gezogen hat noch ziehen konnte. Die Klägerinnen waren sich, wie das Berufungsgericht feststellte, dessen durchaus bewußt, daß sie vor ihrem Engagement lediglich als Schülerinnen zu den Aufführungen herangezogen wurden und daß es aus Ausbildungsgrunden ihr durchaus begrundetes Bestreben war, möglichst oft herangezogen zu werden, wie sie sich auch ängstlich davor gehütet haben, ihren Bereitschaftsverpflichtungen nicht zu entsprechen, weil sie sonst, wie sich die Drittklägerin ausdrückt, aus der Oper hinausgeflogen oder nicht engagiert worden wären. Aus der Tatsache ihrer Heranziehung zu Aufführungen mit den Mitgliedern des Ballettkorps konnten sie für sich allein nicht auf ein Verhalten der Theaterverwaltung schließen, welches mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund zu zweifeln übrigließ, die Operndirektion habe damit dem Abschluß eines Ballettvertrages zugestimmt. Daß auf Seite der Operndirektion dieser Wille nicht vorhanden war, ergibt sich überdies schon daraus, daß sie die Klägerinnen erst in einem späteren Zeitpunkt als ihrem vollendeten 15. Lebensjahr ins Engagement genommen hat. Für die Annahme eines durch konkludente Handlungen erfolgten Abschlusses eines Dienstvertrages bestehe daher kein Raum, und zwar umsoweniger, da den Klägerinnen als Schülerinnen des Opernballetts bekannt war, daß sie lediglich in dieser Eigenschaft zu den Aufführungen herangezogen wurden und daher schon die Bedachtnahme auf die bestehende Gewohnheit der Operndirektion für sie die Annahme eines Abschlusses eines Bühnendienstvertrages nach § 863 Abs. 2 ABGB. ausschließe. Daraus folge, daß von einer Dienstleistung der Klägerinnen im Sinne der Bundestheater-Pensionsverordnung vor dem Abschluß des Vertrages nicht gesprochen werden könne.

Diese Entscheidung wird von der Erst- und Drittklägerin mit Revision angefochten, in der nur der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht wird.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:

Als Feststellungsmangel wird zunächst geltend gemacht, daß das Berufungsurteil den vom Zeugen Direktor Dr. J. angegebenen Umstand nicht berücksichtigt habe, daß er auch nicht engagierte Mitglieder des Balletts bei Verweigerung irgendwelcher Pflichten disziplinär zur Verantwortung ziehe. Der behauptete Feststellungsmangel liegt nicht vor, weil aus der gelegentlichen Disziplinierung von Ballettschülerinnen durch den Direktor noch nicht ein Dienstverhältnis erschlossen werden kann, denn die Ballettschülerinnen unterstehen als solche der Schuldisziplin und daher auch der Disziplinargewalt des Direktors der Oper, der die Ballettschule als integrierender Bestandteilangehört.

Soweit die Revision weiter darauf verweist, daß auch ein Lehrverhältnis ein Dienstverhältnis sei, ist sie durchaus im Recht, doch folgt daraus noch nicht, daß - worauf es allein in diesem Prozeß ankommt - die Schulzeit in die Zeit der Pensionsberechnungsgrundlage einzurechnen ist. Diese Frage kann allein aus dem Sinn und Wortlaut der Bundestheater-Pensionsverordnung entschieden werden.

Nach dem ursprünglichen Wortlaut der Verordnung (BGBl. Nr. 440/22) waren nur solche Angestellte pensionsberechtigt, die in definitive Verwendung genommen worden waren (§ 1), doch wurde in die für die Pensionsberechnung maßgebende Dienstzeit auch die Zeit eingerechnet, die sie in provisorischer (probeweiser) Dienstleistung verbracht haben. Auch die bloß provisorisch Angestellten hatten daher einen fortlaufenden Pensionsbeitrag zu leisten (§ 44). Aus § 8 ergibt sich ferner, daß nur Zeiten der Vollbeschäftigung anzurechnen waren und nichtZeiten von bloß aushilfsweiser Beschäftigung. Die Verordnung führte als Beispiel die Aushilfsarbeiter an.

Der Nachtrag zur Bundestheater-Pensionsverordnung, BGBl. Nr. 84/1926, hat die Pensionsberechtigung nicht mehr von der Verleihung des Definitivums abhängig gemacht (Art. I), auch Angestellte und Arbeiter, die nicht definitiv aufgenommen wurden, sondern nach wie vor provisorische Angestellte (Arbeiter) geblieben sind, sind nunmehr pensionsberechtigt. Auch die provisorischen Angestellten haben - in dem Punkt ist in Art. XXXI (Neufassung des § 44) keine Änderung eingetreten - Pensionsbeiträge zu leisten. § 8 wurde gleichzeitig durch Art. VIII klarer gefaßt, indem nunmehr an Stelle der Worte "Aushilfsarbeiter" die Worte "Tagesaushelfer" oder "sonstige Aushilfsangestellte" traten. Damit ist unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß drei Kategorien unterschieden werden: a) die Definitiven, b) die provisorischen Angestellten und c) die Aushilfsangestellten. Die beiden ersten Kategorien hatten Pensionsbeiträge zu entrichten, die Aushilfsangestellten nicht.

Daß die Klägerinnen vor der formellen Übernahme in das Ballettkorps keine definitiven Angestellten waren, ist nicht bestritten, sie waren aber auch keine provisorisch Angestellten, sondern Schülerinnen, die, wie das Berufungsgericht feststellt, im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung in der Ballettschule zu aushilfsweisen, wenn auch wiederholten Dienstleistungen bei Aufführungen herangezogen wurden. Sie hatten daher auch keine Pensionsbeiträge zu zahlen. Dies kann, obwohl eine ausdrückliche Feststellung im angefochtenen Urteil fehlt, angenommen werden, weil die diesbezügliche Behauptung der Beklagten von den Klägerinnen nie bestritten worden ist.

Daß die Klägerinnen, solange sie Schülerinnen waren, auch nicht als provisorische Angestellte im Sinne des § 44 anzusehen waren, ergibt sich auch aus der Tatsache, daß die Operndirektion darauf Wert legte, jederzeit zu betonen, daß die Qualität als Schülerin der Ballettschule keinen Anspruch auf Aufnahme in das Ballettkorps gebe, daß also die Schülerinnen auch nicht einmal "provisorisch" Angestellte seien, sondern nur Schülerinnen, wenn man will, Lehrlinge der Balletkunst. Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob man sie unter die Kategorie der Aushilfsangestellten subsumieren will oder in eine 4. Kategorie, die überhaupt nicht Angestellte im technischen Sinne waren, sondern einfache Schülerinnen. In beiden Fällen ist die in dieser Eigenschaft verbrachte Zeit nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, weil Lehrlinge zwar in einem Dienstverhältnis besonderer Art stehen, aber nicht in einem technischen Angestelltenverhältnis im Sinne der Bundestheater-Pensionsverordnung, auch nicht in einem "provisorischen". Ein Lehrling ist weder definitiver noch provisorischer Angestellter im Sinne der Bundestheater-Pensionsverordnung, oder überhaupt nichtständig Angestellter, sondern etwas anderes, nämlich ein Schüler. Die Lehrlingszeit kann daher auch nicht in die Pensionsbemessungsgrundlage eingerechnet werden, weil es völlig ungewiß ist, ob der Lehrling auch wirklich in den Dienst der Oper übernommen werden wird und seine Lebensarbeit der Oper widmen wird.

Es widerspräche daher dem Sinn der Bundestheater-Pensionsverordnung, wenn man die Lehrzeit (Schulzeit), sei es auch nur nach dem 15. Lebensjahr, bei der Pensionsberechnung berücksichtigen wollte.

Anmerkung

Z26232

Schlagworte

Ballettschülerin, Pensionsanspruch Bundestheater, Ballettschülerin Dienstzeit als Ballettschülerin Pension, Ballettschülerin Ruhegenuß, Ballettschülerin Theater, Ballettschülerin

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00166.53.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19530922_OGH0002_0040OB00166_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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