Norm
Zivilprozeßordnung §68 Abs3Kopf
SZ 26/247
Spruch
Rechtsmittelfristen bleiben für die arme Partei nach § 68 Abs. 3 ZPO. bis zur Rechtskraft des Beschlusses, womit das Armenrecht für erloschen erklärt worden ist, unterbrochen, mag auch die zweite Instanz den Beschluß abgeändert und ausgesprochen haben, daß die arme Partei im Genuß des Armenrechtes bleibt. Ob die arme Partei durch einen Armenvertreter oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten wird, ist bedeutungslos.
Entscheidung vom 14. Oktober 1953, 1 Ob 730/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Während des Prozeßverfahrens bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 2. Oktober 1952 dem durch den Rechtsanwalt Dr. Franz N. vertretenen Kläger auf dessen Antrag das Armenrecht, das bis nach der Zustellung des Urteils des Berufungsgerichtes vom 16. März 1953 an den Klagevertreter (3. April 1953) aufrecht blieb. Mit Beschluß vom 10. April 1953 erklärte das Erstgericht auf Antrag der Beklagten das Armenrecht gemäß § 68 Abs. 1 ZPO. für erloschen. Der Beschluß wurde dem Klagevertreter am 14. April 1953 eingehändigt. Dieser erhob Rekurs, dem das Oberlandesgericht Wien am 30. April 1953 in der Weise Folge gab, daß der Antrag der Beklagten, das Armenrecht des Klägers zu entziehen oder für erloschen zu erklären, abgewiesen wurde. Die Rekursentscheidung kam dem Klagevertreter am 9. Juni 1953 zu. Dieser brachte sodann am 23. Juni 1953 die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes vom 16. März 1953 ein.
Das Berufungsgericht wies die Revision als verspätet zurück. Die Bestimmung des § 73 Abs. 2 ZPO. könnte auf den vorliegenden Fall nur dann angewendet werden, wenn es sich beim Klagevertreter um einen Armenvertreter handeln würde, was nicht der Fall sei. Die Revisionsfrist sei durch den Beschluß des Erstgerichtes, das Armenrecht des Klägers sei erloschen, und durch das anschließende Rekursverfahren nicht gehemmt worden. Die Frist sei vielmehr 14 Tage nach der Zustellung des Urteils des Berufungsgerichtes an den Klagevertreter (3. April 1953), somit am 17. April 1953, abgelaufen.
Die am 23. Juni 1953 eingebrachte Revision sei daher verspätet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge und hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht hat übersehen, daß nach § 68 Abs. 3 ZPO. die Zustellung des Beschlusses, mit dem das Gericht das Armenrecht für erloschen erklärt, den Lauf der Frist zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen andere gerichtliche Entscheidungen bis zur Rechtskraft jenes Beschlusses unterbricht und daß dann die volle Rechtsmittelfrist von neuem zu laufen beginnt. Dies muß auch dann gelten, wenn ein derartiger Beschluß von der Rechtsmittelinstanz dahin abgeändert wurde, daß die arme Partei im Genusse des Armenrechtes bleibt, weil eine solche arme Partei doch nicht schlechter gestellt werden kann als eine Partei, die das Armenrecht endgültig verloren hat. Es bedarf deshalb des Hinweises auf § 73 Abs. 2 ZPO. überhaupt nicht. Ebensowenig ist es nach dem gesetzlichen Wortlaut von Bedeutung, ob die arme Partei, deren Armenrecht für erloschen erklärt wurde, durch einen Armenvertreter oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten wird (SZ. XIX/239). Maßgebend ist nur, daß im Zeitpunkt, ;zu dem der Erlöschensbeschluß der armen Partei zugestellt wird, die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist. Denn nur im Lauf befindliche prozessuale Fristen können unterbrochen werden (§ 163 Abs. 1 ZPO.). Im vorliegenden Fall ist das Urteil des Berufungsgerichtes dem Klagevertreter am 3. April 1953 zugestellt worden. Die normale Revisionsfrist wäre am 17. April 1953 abgelaufen. Noch vorher, am 14. April 1953, wurde der Erlöschensbeschlußvom 10. April 1953 dem Klagevertreter ausgehändigt. Damit wurde die Revisionsfrist bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens zur Aufhebung des Armenrechtes unterbrochen. Dies trat frühestens am 9. Juni 1953 ein, als die Rekursentscheidung vom 30. April 1953 dem Klagevertreter zukam. Von da an begann die volle 14tägige Revisionsfrist von neuem zu laufen. Die von der klagenden Partei am 23. Juni 1953 zur Post gegebene Revision war somit rechtzeitig.
Da das Berufungsgericht die ihm vom Erstgericht übermittelte Revisionsschrift dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gehabt hätte und kein Anlaß bestand, den angefochtenen Beschluß zu erlassen, mußte dem Rekurs Folge gegeben und der Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben werden.
Anmerkung
Z26247Schlagworte
Armenrecht, Rechtsmittelfrist, Armenvertreter, Rechtsmittelfrist, Berufungsfrist, Armenrecht, Frist, Armenrecht, Rechtsmittelfristen, Armenrecht, Rekursfrist, Armenrecht, Revisionsfrist, ArmenrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0010OB00730.53.1014.000Dokumentnummer
JJT_19531014_OGH0002_0010OB00730_5300000_000