Norm
Hausbesorgerordnung §10Kopf
SZ 26/251
Spruch
Die V. v. 24. 3. 1934, BGBl. I Nr. 202, über die Kündigung der von Gebietskörperschaften bestellten Hausbesorger ist noch in Wirksamkeit.
Entscheidung vom 20. Oktober 1953, 4 Ob 164/53.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die klagende Partei hat der beklagten Partei den Hauswartdienstvertrag samt Benützung der in der Klage bezeichneten Dienstwohnung zum 31. März 1953 aufgekundigt. Als Begründung führt sie die Auflassung des Hausbesorgerpostens und Übernahme der Hauswartobliegenheiten durch das Reinigungspersonal der Rathausverwaltung an. In der Streitverhandlung vom 13. April 1953 erklärte die klagende Partei, auf die Anwendung der Verordnung vom 24. März 1934, BGBl. Nr. 202/1934, wonach die Vorschriften des § 10 Abs. 3 bis 5 und der §§ 14 und 15 Abs. 2 letzter Satz des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1922, BGBl. Nr. 878, über den Dienstvertrag der Hausbesorger auf die vom Bunde, von einem Lande, einem Bezirk oder einer Gemeinde bestellten Hausbesorger (Hausbesorgerinnen) keine Anwendung finden, nicht zu verzichten.
Das Arbeitsgericht hat die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt und dem Räumungsbegehren stattgegeben. Die Berufung der beklagten Partei blieb ohne Erfolg.
Die Revision der beklagten Partei führt die Rechtsrüge dahin aus, daß das Berufungsgericht die Ungültigkeit der Verordnung vom 24. März 1934 übersehen habe. Zufolge Artikel 2 des Verfassungsüberleitungsgesetzes, StGBl. Nr. 4/1945, sei sie für den Bereich der Länder, Bezirke und Gemeinden außer Kraft gesetzt worden, sodaß sie derzeit lediglich mehr für die vom Bund bestellten Hausbesorger gelte. In diesem Sinne sei auch das Ergebnis eines Schriftenwechsels zwischen obersten Bundesbehörden ausgefallen.
Die Revision hatte keinen Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
So wie die auf Grund des § 14 StGG. vom 21. Dezember 1867, Nr. 141, erlassenen Notverordnungen Gesetzen gleichstehen, haben auch die auf Grund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes vom 24. Juli 1917, RGBl. Nr. 307, erlassenen Verordnungen Gesetzescharakter. Die Prüfung gehörig kundgemachter Gesetze steht aber den Gerichten nicht zu (Artikel 89 B.-VG.). Nur der Verfassungsgerichtshof kann unter gewissen Voraussetzungen auf Antrag des Obersten Gerichtshofes, des Verwaltungsgerichtshofes, der Regierung oder von Amts wegen ein Gesetz als verfassungswidrig aufheben (Artikel 140 B.-VG.). Daß der bezogenen Verordnung Verfassungswidrigkeit anhaftet, behauptet die Beklagte in ihrer Revision nicht mehr. Die im § 1 des Gesetzes vom 24. Juli 1917, RGBl. Nr. 307, erteilte Ermächtigung ist so allgemein gehalten, daß sich die Verordnung vom 24. März 1934 nicht ohne weiteres als Mißbrauch der gesetzlichen Ermächtigung erkennen läßt; denn nach § 1 wurde die Regierung ermächtigt, während der Dauer der durch den Krieg hervorgerufenen außerordentlichen Verhältnisse durch Verordnung die notwendigen Verfügungen zur Förderung und Wiederaufrichtung des wirtschaftlichen Lebens, zur Abwehr wirtschaftlicher Schädigungen und zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und anderen Bedarfsgegenständen zu treffen. Was "unter den durch den Krieg hervorgerufenen außerordentlichen Verhältnissen" zu verstehen ist, wurde vom Gesetzgeber nicht definiert, weil er bis zur Erlassung der Verordnung vom 24. März 1934 auch keine Erklärung darüber abgab, wann die durch den Krieg hervorgerufenen außerordentlichen Verhältnisse aufhörten oder als nicht mehr andauernd anzusehen waren. Unter dem Begriff "Abwehr wirtschaftlicher Schädigungen" ließ sich so ziemlich alles subsumieren, was der Beseitigung jeder Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens in kleinen und größeren Verhältnissen diente. Sicherlich bestanden im März 1934 außerordentliche Verhältnisse, und in ihnen Nachwirkungen des Krieges zu sehen, war Auslegungssache der damaligen Regierung. Es kann daher nicht damit argumentiert werden, daß die Verordnung vom 24. März 1934 durch das kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz nicht gedeckt ist. Nach § 3 des Ermächtigungsgesetzes war die Regierung verpflichtet, die auf Grund des Gesetzes erlassene Verordnung dem Reichsrate, falls er versammelt ist, spätestens am Ende jedes Kalendervierteljahres, sonst bei seinem Zusammentritt vorzulegen. Gemäß § 5 des Gesetzes blieben die auf seinem Grund erlassenen Verordnungen, soweit sie nicht zeitlich begrenzt waren, so lange in Kraft als sie nicht durch neue, auf Grund des Ermächtigungsgesetzes oder auf Grund einer anderen gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Verordnungen oder über Verlangen des Reichsrates nach § 3 des Gesetzes abgeändert oder außer Wirksamkeit gesetzt wurden. Auch waren die auf Grund des Gesetzes erlassenen Verordnungen außer Wirksamkeit zu setzen, wenn sie dem Reichsrate zu dem im § 3 des Gesetzes bezeichneten Termin nicht vorgelegt wurden. Daraus folgt, daß bis zu ihrer ausdrücklichen Außerkraftsetzung oder Abänderung die auf Grund des Ermächtigungsgesetzes erlassenen Verordnungen wirksam blieben. Das kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz war durch § 7 Abs. 2 des Übergangsgesetzes vom 1. Oktober 1920, StGBl. Nr. 451/1920, als Verfassungsgesetz ausdrücklich übernommen worden, wobei die der Regierung zustehenden Befugnisse sowohl auf die Bundesregierung als auch auf die einzelnen Bundesminister übergingen. Der Zeitpunkt, von dem an die durch den Kriegszustand hervorgerufenen außerordentlichen Verhältnisse als behobenanzusehen sind, war nach Absatz 2 des § 17 des Übergangsgesetzes durch Bundesgesetz festzustellen, doch ist ein solches nie erlassen worden. Erst mit dem Bundesgesetz vom 25. Juli 1946, BGBl. Nr. 143/1946, ist das Ermächtigungsgesetz vom 24. Juli 1917, RGBl. Nr. 307, aufgehoben worden.
Aber auch die Auffassung, daß durch Artikel 2 des Verfassungsgesetzes vom 1. Mai 1945 über das neuerliche Wirksamwerden des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 (Verfassungsüberleitungsgesetz), wonach alle nach dem 5. März 1933 erlassenen Bundesverfassungsgesetze, in einfachen Bundesgesetzen enthaltenen Verfassungsbestimmungen und verfassungsrechtliche Vorschriften enthaltenden Verordnungen sowie alle für den Bereich der Republik Österreich erlassenen Gesetze, Verordnungen und sonstigen Anordnungen verfassungsrechtlichen Inhaltes aufgehoben sind, die Verordnung vom 24. März 1934, BGBl. Nr. 202/1934, für die durch die Länder, Bezirke oder Gemeinden bestellten Hausbesorger ihre Geltung verloren hat, vermag das Revisionsgericht nicht zu teilen. Hier ist der Revisionsbeantwortung Recht zu geben, daß mit dieser Bestimmung nur alle nach dem 5. März 1933 rein verfassungsrechtlichen Bestimmungen aufgehoben wurden, nicht aber in der Zeit zwischen 5. März 1933 und 13. März 1938 erlassene einfache Gesetze und Verordnungen, wofür das Rechtsüberleitungsgesetz vom 1. Mai 1945, BGBl. Nr. 6/1945, spricht, dessen § 1 bestimmt, daß alle erst nach dem 13. März 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen grundsätzlich aufgehoben sind. Ob der Verordnung vom 24. März 1934 deshalb, weil ihre Vorschriften auch die von den Ländern, Bezirken und Gemeinden bestellten Hausbesorger umfassen, verfassungsgesetzlicher Charakter zukommt, kann übrigens dahingestellt bleiben, weil nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. März 1950, Sammlung 1936, unter "öffentlichen Angestellten" im Sinne des Artikels 7 Abs. 2 und des Artikels 21 Abs. 4 B.-VG. in der Fassung von 1929 und unter "Angestellten, die behördliche Aufgaben zu besorgen haben", im Sinne des Artikels 12 Abs. 1 Z. 9 und des Artikels 21 Abs. 1 und 2 B.-VG. in der Fassung von 1929 ohne Rücksicht auf die Art ihrer Bestellung (Ernennung oder Vertrag) alle im Bereiche der Hoheitsverwaltung und der Gerichtsbarkeit tätigen Angestellten des Bundes, der Länder und der Gemeinden anzusehen sind, Hausbesorger von Häusern der Stadt Wien aber nicht im Bereiche der Hoheitsverwaltung tätig sind.
Anmerkung
Z26251Schlagworte
Gebietskörperschaften, Kündigung von Hausbesorgern, Hausbesorger, Gebietskörperschaften, Kündigung von Hausbesorgern bei Gebietskörperschaften, Kündigungsgrund, Hausbesorger bei GebietskörperschaftenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00164.53.1020.000Dokumentnummer
JJT_19531020_OGH0002_0040OB00164_5300000_000