Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1162Kopf
SZ 26/256
Spruch
Kein Verlust des Entlassungsrechtes, wenn das Hinausschieben der sofortigen Entlassung sachlich begrundet war.
Entscheidung vom 27. Oktober 1953, 4 Ob 73/53.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger stand bei der Beklagten seit 1937 im Dienst, seit 1940 als Werkmeister. 1946 wurde er zum öffentlichen Verwalter bestellt. Am 25. August 1949 wurde er im Zuge einer gegen ihn von der Wirtschaftspolizei eingeleiteten Untersuchung vom Amte des öffentlichen Verwalters enthoben. Der neue Verwalter übernahm am 5. September 1949 die Geschäfte vom Kläger. Die endgültige Übergabe des Inventars und der einzelnen Bestandteile des Firmenvermögens fand am 28. Oktober 1949 statt. Noch am gleichen Tage hat der neue Verwalter den Kläger entlassen.
Er macht folgende Entlassungsgrunde geltend:
Kläger habe diverse Bestandteile, die dem Budapester Schwesterunternehmen gehört haben, auf eigene Rechnung erworben und zum Teil an die Beklagte weiterveräußert. Mit dem Erlös habe er von der Zentrale in Deutschland weitere Bestandteile erworben. Auch diese habe er zum Teil an die Beklagte, nachdem er sie nach Österreich mit Hilfe von DP's eingeschmuggelt habe, verkauft, den Rest bei einem gewissen D. eingelagert. Überdies habe er sich zu einer Zeit, da er noch öffentlicher Verwalter der Beklagten war, von der deutschen Zentrale zumGeneralvertreter für Österreich bestellen lassen und diese Bestellung im Telephonbuch 1949 eintragen lassen.
Die unteren Instanzen haben diesen Sachverhalt als erwiesen angenommen und die Klage auf Zahlung von Abfertigung und Kündigungsentschädigung abgewiesen.
Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es kann nicht gesagt werden, daß die Beklagte ihr Entlassungsrecht verwirkt habe, weil sie den Kläger nicht sofort nach seiner Abberufung als öffentlicher Verwalter entlassen hat. Das Angestelltengesetz enthält keine Vorschrift, daß der Dienstgeber den Angestellten sofort entlassen müsse, sobald ihm ein Entlassungsgrund bekannt wird. Die Obliegenheit, den Angestellten sofort zu entlassen, folgt nur aus der Erwägung, daß das Gesetz einem Dienstgeber nur deshalb gestattet, das Dienstverhältnis sofort zu lösen, weil es der Meinung ist, daß man bei schweren Verletzungen der Dienstpflicht dem Dienstgeber nicht zumuten könne, mit der Lösung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzuwarten, daß man aber dem Dienstgeber, der mit Entlassung gezögert hat, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gar wohl zumuten könne, weil er durch sein Zögern gezeigt hat, daß er selbst die Verfehlung nicht so schwer nimmt, sodaß ihm die Fortsetzung des Dienstverhältnisses durch die Kündigungszeit nicht noch zugemutet werden kann.
Daraus folgt, daß durch die Unterlassung der sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses das Entlassungsrecht dann nicht verloren geht, wenn das Zögern in der Sachlage begrundet war. Das ist aber hier der Fall. Die Beklagte hatte ein Interesse daran, daß die Übergabe an den neuen Verwalter wenn möglich reibungslos vor sich gehe. Im Fall der sofortigen Entlassung, nach Enthebung des Klägers als Verwalter, hätte die Beklagte wohl kaum ein entsprechendes Druckmittel in der Hand gehabt, um die dem enthobenen Verwalter nach § 7 VerwG. obliegenden Abrechnungen usw. zu erzwingen. Es war daher wohl begrundet, wenn der neue Verwalter die Entlassung bis zu dem Zeitpunkt hinausgeschoben hat, da die Übergabe beendet war.
Ein Verlust des Entlassungsrechtes ist demnach nicht eingetreten. Das
Anmerkung
Z26256Schlagworte
Dienstgeber, Entlassung, Dienstnehmer, Entlassung, Dienstvertrag Entlassung, Entlassung, sofortige -, Verzögerung der EntlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00073.53.1027.000Dokumentnummer
JJT_19531027_OGH0002_0040OB00073_5300000_000