Norm
Jurisdiktionsnorm §104Kopf
SZ 26/260
Spruch
Klagsänderungen, die eine - wenn auch heilbare - Unzuständigkeit des Gerichtes begrunden, sind gegen den Widerspruch des Beklagten auf jeden Fall unzulässig.
Entscheidung vom 4. November 1953, 1 Ob 859/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Auf Grund des Testamentes seines Großonkels Jacques M. E., des Stifters der beklagten Partei, hat der Kläger von der beklagten Stiftung in der am 17. Jänner 1949 erhobenen Klage an Alimentation für die Zeit vom 17. Jänner 1949 bis 16. April 1949 den Betrag von 2400 S begehrt. In der Tagsatzung vom 14. Juni 1949 hat der Kläger das Begehren um zwei weitere Monatsraten zu je 800 S auf 4000 S erweitert. In der Tagsatzung vom 1. Juni 1950 hat der Kläger das Begehren dahin präzisiert, daß er eine monatliche Unterhaltsleistung von 800 S für die Zeit vom 17. Jänner 1949 bis 16. Juni 1949 verlange. Nachdem das erstinstanzliche Urteil vom 31. Jänner 1951 durch das Berufungsgericht aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen worden war, hat der Kläger in der Tagsatzungvom 7. Juli 1953 erklärt, das Klagebegehren um den Anspruch für 36 1/2 Monate a 800 S, somit um 29.200 S auf insgesamt 33.200 S zu erweitern. Die beklagte Partei hat sich gegen die Erweiterung des Klagebegehrens ausgesprochen.
Das Erstgericht hat diese Klagserweiterung zugelassen, weil die prinzipielle Frage strittig sei, ob der Anspruch dem Gründe und der Höhe nach zu Recht bestehe; wenn diese Frage geklärt sei, dann sei es gleichgültig, ob die Alimentation für einen Monat oder für viele Monate begehrt werde, so daß durch die Klagserweiterung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen sei.
Infolge des gegen den erstinstanzlichen Beschluß von der beklagten Partei erhobenen Rekurses hat das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin abgeändert, daß die Erweiterung des Klagebegehrens von 4000 S auf 33.200 S nicht zugelassen wurde. Das Rekursgericht hat dies damit begrundet, daß durch die Ausdehnung des Begehrens über den Betrag von 4000 S die Wertgrenze des § 49 Abs. 1 JN. überschritten werde. Es liege auch keiner der Fälle der Z. 2 bis 8 dieser Gesetzesstelle vor, insbesondere auch nicht jener des § 49 Z. 2 a JN. Die Klagsausdehnung sei schon deshalb unzulässig, weil dadurch die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes überschritten werde. Die Erörterung der Frage, ob die Klagserweiterung eine Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zur Folge hätte, habe sich erübrigt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurswerber vertritt die Ansicht, daß die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes gemäß § 49 Z. 2 a JN. gegeben sei; es handle sich um seinen Anspruch auf Stiftungsgenuß, also nicht um einen vertraglichen Anspruch, der von der Zuständigkeit nach der bezogenen Vorschrift "wohl allein ausgeschlossen werden sollte". Diese Ansicht findet aber im Gesetze keine Begründung. Gemäß § 49 Z. 2 a JN. gehören sonstige (nämlich die nicht schon in Z. 2 des § 49 JN. erwähnten) Streitigkeiten wegen Leistung des aus dem Gesetze gebührenden Unterhaltes, soweit sie nicht mit Streitigkeiten wegen Scheidung einer Ehe verbunden sind, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor die Bezirksgerichte. Darunter sind nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Auflage, I S. 119 sowie SZ. V/300) nur solche Unterhaltsansprüche zu verstehen, die dem Kläger gegen den Beklagten unmittelbar aus einer familienrechtlichen Beziehung zustehen. Diese Voraussetzung ist aber schon nach dem Vorbringen des Klägers nicht gegeben, weil er seinen Anspruch aus dem Testamente seines Großonkels bzw. dessen Stiftung ableitet. Auch ein sonstiger Fall der Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes nach § 49 Abs. 2 JN. ist nicht gegeben.
Entscheidend ist daher, ob der Erweiterung des Klagebegehrens die Zuständigkeitsvorschrift des § 49 Z. 1 JN. entgegensteht. Diese Frage hat das Rekursgericht zutreffend bejaht (vgl. Neumann, a. a. O., II/S. 910, und Pollak, System, 2. Auflage, S. 402 f., sowie die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 9. Mai 1933, GH. 1933, S. 104, und vom 10. Juli 1934, JBl. 1934, S. 417). Die ohne nähere Begründung vorgetragene Ansicht Sperls (Lehrbuch, S. 325), daß das Gericht die Klagsänderung - abgesehen von den anderen vorliegendenfalls nicht in Betracht kommenden Fällen - nur dann zurückzuweisen habe, wenn durch sie eine solche Unzuständigkeit hervorgerufen würde, die durch Vereinbarung der Parteien nach § 104 JN. nicht behoben werden könnte, ist vereinzelt geblieben. Der Revisionsrekurswerber beruft sich unter Hinweis auf den Umstand, daß sich die beklagte Partei vor dem Erstgerichte gegen die Erweiterung des Klagebegehrens ohne nähere Begründung ausgesprochen habe (S. 231), zu Unrecht auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. Feber 1921, SZ. III/13 bzw. ZBl. 1922, Nr. 214). Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hat der Beklagte nach Verkundung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Zulassung der Klageerweiterung über das neue Klagebegehren mündlich verhandelt, woraus die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes gemäß § 104 Abs. 3 JN. abgeleitet worden ist. Im gegenständlichen Prozesse hat aber die beklagte Partei nach Verkundung des erstgerichtlichen Beschlusses laut Verhandlungsprotokoll (ONr. 59) über das neue Klagebegehren nicht verhandelt, vielmehr erklärt, auf Beschlußausfertigung und Rechtsmittel nicht zu verzichten und im Rekurse (ONr. 61) u. a. auch geltend gemacht, daß die Klagserweiterung aus dem Gründe der sachlichen Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes nicht zuzulassen gewesen wäre. Im übrigen hat Pollak (a. a. O.) unter ausdrücklicher Ablehnung der in SZ. III/13 vertretenen Auffassung dargelegt, daß die Klageänderung unzulässig sei, wenn die Zuständigkeit erst durch Parteienvereinbarung, sie liege denn schon urkundlich vor (vgl. SZ. XI/98), oder durch die Unterlassung der Einrede der Unzuständigkeit begrundet würde. Schon aus diesen Erwägungen muß dem Revisionsrekurs der Erfolg versagt bleiben, selbst wenn es richtig wäre, daß aus der gegenständlichen Erweiterung des Klagebegehrens eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen sei (§ 235 Abs. 3 ZPO.).
Anmerkung
Z26260Schlagworte
Klagsänderung, Unzuständigkeit, Unzuständigkeit, KlagsänderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0010OB00859.53.1104.000Dokumentnummer
JJT_19531104_OGH0002_0010OB00859_5300000_000