TE OGH 1953/11/10 4Ob208/53

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Veröffentlicht am 10.11.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1151
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1158
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1159
Angestelltengesetz §19
Angestelltengesetz §20
Niederösterreichische Landarbeitsordnung §69

Kopf

SZ 26/267

Spruch

Nach der Kündigung wird ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Dienstverhältnis in ein solches auf bestimmte Zeit mit Ende der Kündigungsfrist umgewandelt.

Stimmt der Gekundigte einer früheren Auflösung des gekundigten Dienstverhältnisses zu, so wird durch die Vereinbarung das Ende des Dienstverhältnisses einverständlich vorverlegt, daher § 69 n. ö. Landarbeitsordnung nicht anwendbar.

Entscheidung vom 10. November 1953, 4 Ob 208/53.

I. Instanz: Arbeitsgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Die beiden Kläger haben ihr Dienstverhältnis aufgekundigt. Gleichzeitig baten sie den Dienstgeber, da sie einen neuen Dienstposten in Aussicht hatten, einer Verkürzung der Kündigungsfrist zuzustimmen, womit der Dienstgeber einverstanden war. Nach Austritt aus den Diensten des Beklagten verlangten sie eine ihnen angeblich nach § 35 n.ö. LAO. gebührende Urlaubsabfindung. Die erste Instanz wies das Begehren ab. Die beiden oberen Instanzen erkannten im Sinne des Klagebegehrens.

Die beiden Kläger (Ehegatten) standen bei der Beklagten als Gutsgärtner bzw. Gartenarbeiterin im Dienst. Am 31. August 1951 hat Erstkläger im eigenen Namen und im Vollmachtsnamen seiner Gattin das Dienstverhältnis aufgekundigt. Wann die beiden Dienstverhältnisse auf Grund der Kündigung enden sollten, ist in den unteren Instanzen nicht erörtert worden, jedenfalls nach dem 9. September 1951. Gleichzeitig bat der Erstkläger den Gatten und Bevollmächtigten der Beklagten, da die Kläger ihren neuen Dienstposten bis spätestens 9. September 1951 antreten mußten, mit einer Verkürzung der Kündigungsfrist einverstanden zu sein und auf die restlichen Arbeiten in der Kündigungszeit zu verzichten. DerGatte der Beklagten war damit einverstanden, daß die Kläger am 8. September, also vor Ablauf der Kündigungsfrist, die Arbeit einstellen. Die Kläger begehren nun die ihnen angeblich nach § 39 n.ö. LAO. gebührende Urlaubsabfindung.

Die erste Instanz hat das Klagebegehren abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihm stattgegeben.

Das Berufungsgericht erörterte zunächst die Frage, ob die Klage verfrühteingebracht worden sei, da die Beklagte im Zuge des Berufungsverfahrens vorgebracht hat, daß sie nach wie vor auf dem Standpunkt stehe, daß zur Schlichtung von Differenzen zunächst gemäß § 36 des Kollektivvertrages anzurufen gewesen wäre.

Diesbezüglich vertrat das Berufungsgericht den prozessualen Standpunkt, daß die beklagte Partei, obwohl im arbeitsrechtlichen Berufungsverfahren kein Neuerungsverbot besteht, überhaupt nicht berechtigt gewesen sei, in einem vorbereitenden Schriftsatz die Auffassung des Erstrichters zu bekämpfen, daß die Klage nicht vorzeitig erhoben worden sei, weil die Streitsache vom Berufungsgericht nur "in den durch die Anträge bestimmten Grenzen neu zu verhandeln sei" und die Beklagte das erstrichterliche Urteil überhaupt nicht angefochten, die Kläger aber das Urteil in diesem Punkt unangefochten gelassen hätten.

In meritorischer Hinsicht schloß es sich unter Hinweis auf die Entscheidung 44 R 798/51 des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 8. Oktober 1951 und R 41/51 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 8. Jänner 1951 den in diesem Punkte zutreffenden Gründen des Ersturteiles an, das ausgeführt habe, im ersten Absatz des § 36 des Kollektivvertrages für die ständigen Arbeitskräfte der landwirtschaftlichen Gutsbetriebe im Bundesgebiet Niederösterreich sei normiert, daß zur Schlichtung von Streitfragen bei Auslegung des Vertrages (gemeint sei der Kollektivvertrag) zunächst eine Schlichtungskommission berufen sei. Im Abs. 2 dieses Paragraphen heiße es zwar, daß Streitigkeiten anderer Art in unmittelbarem Einvernehmen der beteiligten Landesorganisationen geschlichtet werden, bevor die Behörden angerufen werden. Beide Absätze des § 36 dieses Kollektivvertrages müßten aber von einem einheitlichen Gesichtspunkt ausbetrachtet werden. Nur so komme man zu dem Denkergebnis, daß die Schiedsgerichtsklausel in einem Kollektivvertrag und daher auch in dem gegenständlichen sich nur auf Differenzen zwischen den vertragschließenden Organisationen, im vorliegenden Fall auf Streitigkeiten zwischen der Gewerkschaft der Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft und dem Zentralverband der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber beziehen. Der erste Absatz des § 36 des erwähnten Kollektivvertrages nenne ausdrücklich die Schlichtung von Differenzen bei der Auslegung der Kollektivverträge, der zweite Absatz behandle Streitigkeiten anderer Art, doch könne es sich nur um Streitigkeiten zwischen den Organisationen und nicht um Rechtsstreitigkeiten handeln, die zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer aus einem Einzeldienstvertrag entstanden seien. Würde man diese Bestimmung so auffassen, wie die beklagte Partei sie auffasse, so würden Dienstnehmer, die nicht der Gewerkschaft angehören, niemals zu ihrem Recht kommen können, weil die Gewerkschaft für Nichtmitglieder zur Schlichtung von Differenzen mit den Dienstnehmern nichts unternehmen würde. Solche Arbeitnehmer könnten ihre berechtigten Forderungen niemals einklagen, weil ein Schlichtungsverfahren vorher nicht stattgefunden habe.

Da die Schiedsgerichtsklausel (§ 36 Kollektivvertrag) nach herrschender Lehre nicht zum normativen Teil, sondern zum sogenannten obligatorischen Teil gehöre, gehe sie somit nicht automatisch in jeden Einzelvertrag über. Die Klage sei daher nicht verfrüht eingebracht worden.

Abweichend vom Erstgericht hielt das Berufungsgericht die Ansprüche der beiden Kläger auch für begrundet. Ein Abfindungsanspruch gebühre dem Dienstnehmer wenn das Dienstverhältnis vor Verbrauch des erworbenen Urlaubsanspruches gelöst werde (§ 68 n.ö. LAO.), hiebei sei zwischen Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung zu unterscheiden. Die Urlaubsentschädigung gebühre nur dann, wenn ein Urlaub begehrt und verweigert wurde - sie sei ein Schadenersatzanspruch - während die Urlaubsabfindung nach § 68 Abs. 2 n.ö. LAO. dann gebühre, wenn das Dienstverhältnis vor Verbrauch des Urlaubsanspruches gelöst werde. Dieser Anspruch auf Abfindung gehe nur dann verloren, wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austrete (§ 69 bzw. § 32 LAO.). Vorzeitiger Austritt sei aber nur ein Weggehen ohne Kündigungsfrist. Wenn nun der Dienstgeber kundigt oder die Dienstnehmer selbst kundigen, verlören sie ihren Anspruch auf Abfindung nicht, auch wenn die Kündigung vorzeitig oder zur Unzeit erfolgt sei. Da die Voraussetzungen nach § 69 LAO. nicht vorlägen, so bestehe der Abfindungsanspruch zu Recht.

Die von der Beklagten erhobene Revision blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Gründen des Obersten Gerichtshofes:

Zunächst beschwert sich die Revisionswerberin zu Unrecht darüber, daß die Absicht der Kollektivparteien bei Vereinbarung des § 36 des Kollektivvertrages nicht festgestellt worden ist, da nach der ständigen Praxis des Obersten Gerichtshofes Kollektivverträge wie Gesetze und nicht nach den für Verträge geltenden Vorschriften auszulegen sind (Arb. 5453, 5534 u. a.). Eine Einvernahme von Zeugen über den Sinn einer Kollektivvertragsbestimmung kommt demnach nicht in Frage. Abgesehen davon, steht der Revisionswerberin schon deshalb kein Beschwerderecht zu, weil sie sich darauf beschränkt, "informierte Vertreter" der in Betracht kommenden juristischen Personen zu beantragen, ohne bestimmte Personen als Zeugen im Sinn der Entscheidung vom 12. Mai 1925, Rechtsprechung 1925 Nr. 128, namhaft zu machen.

Im übrigen ist auch der Auslegung des Untergerichtes rücksichtlich dieser Klausel zuzustimmen; da die Revision diesbezüglich nichts Neues vorbringt, genügt der Hinweis auf die Begründung der Unterinstanzen (vgl. auch 4 Ob 23/52).

Aber auch in der Sache selbst ist die Revision nicht begrundet. Die Kündigung eines Dienstverhältnisses bringt dieses noch nicht zur Auflösung, sondern bewirkt nur, daß das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Dienstverhältnis nunmehr in eines auf bestimmte Zeit, bis Ende der Kündigungsfrist, umgewandelt wird. Stimmt der Dienstgeber zu, daß der Dienstnehmer bereits vor Ablauf des Kündigungstermines austritt, so ist das Ende des Dienstverhältnisses einverständlich vorverlegt worden. Ein vorzeitiger Austritt im Sinne des § 32 n.ö. LAO., worunter das Gesetz immer nur den einseitigen Austritt versteht, liegt demnach gar nicht vor. Es ist daher auch § 69 n.ö. LAO. nicht anwendbar, da dieser Paragraph einen vorzeitigen, also einseitigen Austritt im Sinne des § 32 voraussetzt.

Nach § 69 geht aber der Anspruch auf Abfindung des Urlaubes nur durch vorzeitigen Austritt verloren. Da diese Bestimmung nach § 135 n. ö. LAO. nicht abdingbar ist, so sind die Kläger berechtigt, die Urlaubsabfindung zu verlangen.

Das Berufungsgericht hat daher den vorliegenden Rechtsstreit richtig entschieden.

Anmerkung

Z26267

Schlagworte

Auflösung vorzeitige - des Dienstverhältnisses Dauer des Dienstvertrages Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit Dienstvertrag auf unbestimmte Zeit Kündigung Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit Kündigungsfrist, Dienstvertrag auf unbestimmte Zeit Umwandlung eines Dienstvertrages durch Kündigung Vorverlegung des Endes des Dienstverhältnisses Vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0040OB00208.53.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19531110_OGH0002_0040OB00208_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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