Norm
Zivilprozeßordnung §411Kopf
SZ 26/312
Spruch
Spruchrepertorium Nr. 37.
Revision und Revisionsgrunde sind nicht deswegen beschränkt, weil ein früherer unter Rechtskraftvorbehalt ergangener Verweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes (§ 519 Abs. 3 ZPO.) nicht bekämpft wurde.
Entscheidung vom 21. Dezember 1953, 3 Ob 472/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Zell am Ziller; II. Instanz:
Landesgericht Innsbruck.
Text
Das vorerst abweisende Urteil des Erstgerichtes wurde vom Berufungsgericht mit dem unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Beschluß vom 4. Dezember 1951 aufgehoben und dabei die Rechtsansicht ausgesprochen, daß dem Kläger gegen die Beklagten gemäß §§ 877, 1431, 1435 ABGB. ein Rechtsanspruch auf Rückstellung des zu ihrem Vorteil Empfangenen zusteht und diese zufolge Übernahme des Unternehmens der nicht zustandegekommenen Kommanditgesellschaft unter gleichzeitiger Gründung einer offenen Handelsgesellschaft gemäß § 1409 ABGB. den Gläubigern, somit auch dem Kläger, aus den zum Unternehmen gehörigen Schulden bis zum Werte des Unternehmens im Zeitpunkte der Übernahme zu haften haben. Für die Höhe des klägerischen Anspruches sei allerdings auch maßgebend, daß der Kläger bis zu dem genannten Tag zufolge seiner Mitwirkung im Rahmen der beabsichtigten Kommanditgesellschaft anteilsmäßig am Gewinn und Verlust beteiligt sei. Dieser Aufhebungsbeschluß blieb unangefochten. Im nunmehrigen Urteil hat das Erstgericht die klägerische Forderung mit 2526.64 S festgestellt, den Bestand der einredeweise geltend gemachten Gegenforderung per 8670.10 S verneint und die Beklagten zur Zahlung des genannten Betrages an den Kläger verurteilt. Das Mehrbegehren von 1453.36 S hat das Erstgericht, ohne daß dies im Spruch zum Ausdruck kam, abgewiesen.
Der dagegen seitens der beklagten Parteien erhobenen Berufung wurde keine Folge gegeben, der Berufung des Klägers dagegen teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Forderung des Klägers mit 3771.55 S als zu Recht bestehend erkannt wird und die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung dieses Betrages samt Anhang verurteilt werden. Das Berufungsgericht billigte hiebei die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß bei Feststellung des Wertes des übernommenen Unternehmens gemäß § 1409 ABGB. die Passiven und damit auch die Einlagen der Gesellschafter nicht in Abzug gebracht werden dürfen. Da auch zur Entscheidung über die eingewendete Gegenforderung die Berufung der beklagten Parteien keine Ausführungen enthalte, sei dieser der Erfolg zu versagen. Zur Erhöhung des Zuspruches an den Kläger von 2526.64 S auf 3771.55 S gelangte das Berufungsgericht in Korrektur eines fehlerhaften Vorganges bei Ermittlung des klägerischen Verlustanteiles.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wenn in der Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision hinsichtlich des seitens des Erstgerichtes zugesprochenen Betrages von 2526.64 S aus dem Gründe des § 502 Abs. 3 ZPO. geltend gemacht wird, kann auf die im Plenarbeschluß vom 8. Dezember 1951, JB. Nr. 56, ausgesprochene Rechtsansicht verwiesen werden, wonach die Vorschriften der §§ 500 Abs. 2 und 502 Abs. 3 ZPO. auf bloß teilweise bestätigende Urteile nicht anzuwenden sind.
Die erhobene Rechtsrüge ist im Ergebnis begrundet.
Das Revisionsgericht vermag sich der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, wonach der Kläger die im Aufhebungsbeschluß OZ. 14 ausgesprochene Rechtsansicht nicht mehr bekämpfen könne, da er den unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß unangefochten ließ, nicht anzuschließen.
Mit der Frage, ob bei unterlassener Anfechtung eines unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses die Parteien und vor allem auch der Oberste Gerichtshof, an den später die Sache infolge Revision im fortgesetzten Verfahren gelangt, an die Rechtsauffassungen des Berufungsgerichtes gebunden seien, hat sich zunächst das Brünner Oberste Gericht in der Entscheidung vom 21. Mai 1930 Slg. OG. 9927 befaßt; der tschechoslowakische Oberste Gerichtshof hat dort ausgeführt, daß das Revisionsgericht auch dann berechtigt sei, die im Aufhebungsbeschluß desBerufungsgerichtes vertretene Rechtsauffassung zu überprüfen, wenn trotz Rechtskraftvorbehalt der Aufhebungsbeschluß nicht angefochten worden ist. Für die entgegengesetzte Auffassung ist kurz darauf Coulon, Zu § 519 Z. 3 ZPO., RZ. 1931, S. 109 ff, eingetreten. Er teilt dort die an anderer Stelle nicht veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. September 1930, 2 Ob 898/30, auszugsweise mit. Darnach habe der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung ausgesprochen, daß es Sache des Klägers gewesen wäre, wenn er bei seiner Rechtsansicht beharrte, die dem nicht entsprechende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu bekämpfen. Die Unterlassung eines Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß sei als ein Verzicht auf die weitere Geltendmachung seines Standpunktes anzusehen. Coulon führt dazu aus, der Beschluß des Berufungsgerichtes, der mangels Rekurses rechtskräftig geworden sei, schaffe nicht nur eine prozeßrechtlich, sondern auch materiellrechtlich unanfechtbare Lage. Die Parteien können die von dem Berufungsgericht abgelehnten Punkte gegen die seinerzeitige endgültige Entscheidung des Berufungsgerichtes gar nicht mehr vorbringen. Dürften sie es noch, so wäre der Zweck des Rechtskraftvorbehaltes vereitelt, ja es stunde dies in krassem Widerspruch zum Wesen der Rechtskraft. Dadurch werde natürlich die rechtliche Beurteilung wesentlich beeinflußt. Denn das dieser zugrunde zu legende Tatsachenmaterial werde eingeschränkt und könne durch die Parteien nicht mehr dadurch geändert oder erweitert werden, daß versucht werde, eine rechtliche Beurteilung durch das Revisionsgericht zu erstreben, die nur unter der Voraussetzung eines geänderten oder ergänzten Tatbestand möglich werde. Die Parteien haben damit in der Tat auf die rechtliche Beurteilung in bestimmter Richtung verzichtet, sie ausgeschaltet, eine Auffassung, die der Oberste Gerichtshof schon in einer Entscheidung vom 27. Dezember 1923, Ob I 820/23, Rsp. VI, S. 220, bezüglich des Berufungsverfahrens ausgesprochen habe, indem er erklärt habe, wenn im Berufungsverfahren die rechtliche Beurteilung nicht angefochten sei, so könne sie im Revisionsverfahren auch nicht mehr angefochten werden, denn dann könne eben von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gesprochen werden.
In der Entscheidung vom 8. Juli 1932, 3 Ob 504/32, Rsp. 1932, Nr. 325, sprach der Oberste Gerichtshof, ohne dafür eine Begründung zu geben, aus, daß die Unterlassung der Anfechtung einer im Aufhebungsbeschluß gegebenen rechtlichen Beurteilung den Ausschluß der Revision in diesem Belange nicht zur Folge habe.
Die Entscheidung vom 20. Juni 1933, SZ. XV/138, enthält die folgenden Schlußsätze: "Es ist der Anschauung beizupflichten, daß der Vorbehalt der Anfechtung im Sinne des § 519 Z. 3 ZPO. auch demjenigen, über dessenRechtsmittel die Aufhebung seitens des Berufungsgerichtes beschlossen wurde, eine weitere Anfechtung des berufungsgerichtlichen Beschlusses ermöglicht, wenn er die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung als ihm gefährlich und unrichtig bekämpft. Besteht doch sogar eine mehrfach vertretene Anschauung (1 Ob 819/32), daß die Unterlassung dieser Anfechtung die vom Berufungsgericht zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung in Rechtskraft erwachsen läßt, so daß auch das Revisionsgericht von ihr nicht mehr abzuweichen vermag." Dazu sei bemerkt, daß sich der Inhalt der Entscheidung 1 Ob 819/32 nicht mehr ermitteln läßt. Der eben wiedergegebene letzte Satz der Entscheidung vom 20. Juni 1933, SZ. XV/138, ist in teilweiser wörtlicher Anführung in Bartsch - Pollak - Warhanek, Jahrbuch höchstrichterlicher Entscheidungen, VI, Nr. 2451, mitgeteilt. Dabei hat Rudolf Pollak, der Bearbeiter des zivilprozessualen Teiles dieser Entscheidungssammlung, hinter die Worte: "in Rechtskraft" ein Fragezeichen gesetzt und nach der Mitteilung der Entscheidung in Klammer als eigene Meinung beigefügt:
"Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung nicht ausgesprochen, daß er die hier wiedergegebene Anschauung anderer Entscheidungen auch diesmal zu der seinigen mache; sie ist auch in der Tat bedenklich."
In neuester Zeit hat die Entscheidung vom 16. Oktober 1952, 1 Ob 624/52, JBl. 1953, S. 239, ausgesprochen, daß der Spruch des Aufhebungsbeschlusses zwar äußerlich nichts anderes enthalte als die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Prozeßgericht, doch habe der Aufhebungsbeschluß nicht nur den Zweck, ein Urteil zu kassieren, sondern auch den, das weitere Verfahren und die neuerliche Entscheidung des Prozeßgerichtes in genau vorgeschriebene Bahnen zu lenken. Diesem Zweck dienen die Aufträge an das Gericht, im Sinne einer bestimmten Rechtsansicht zu verfahren. Sie bilden einen wesentlichen Teil der Entscheidung und müssen deshalb ebenso behandelt werden, als wenn sie auch formell in den Spruch aufgenommen worden wären. Dem unter Rechtskraftvorbehalt erlassenen unangefochten gebliebenen Aufhebungsbeschluß müsse hinsichtlich der darin geäußerten bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes Rechtskraftwirkung in dem Sinne zugesprochen werden, daß die damit getroffene Teilentscheidung für das weitere Verfahren unverrückbar bleibe. In dem Falle, daß der unter Rechtskraftvorbehalt erlassene Aufhebungsbeschluß nicht angefochten werde, sei die Rechtslage nicht anders, als wenn ein Rekurs ergriffen und die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden wäre. So wie hier die rechtliche Beurteilung der einzelnen Punkte für das Verfahren endgültig und für alle Instanzen bindend klargestellt sei, müsse dies auch dann gelten, wenn die Anfechtung des Aufhebungsbeschlusses unterlassen worden sei.
Novak, Zur Tragweite des § 519 ZPO., JBl. 1953, 57 ff., Anm. 36, meint, es erwachse beim Unterbleiben des Rekurses "die im Verweisungsbeschluß zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung des Berufungsgerichtes in Rechtskraft und (könne) in einer späteren - wenn auch zulässigen - Revision nicht mehr gerügt werden." Hiezu beruft er sich auf den Aufsatz von Coulon, Zu § 519 Z. 3 ZPO., RZ. 1931, S. 109 f., und auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 20. Juni 1933, SZ. XV/138, und vom 16. Oktober 1952, 1 Ob 624/52, sowie schließlich auch noch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. Jänner 1935, ZBl. 1935, Nr. 142. Wie bereits Novak erwähnt, ist aber die letzteEntscheidung in einem nach § 502 Abs. 5 ZPO. zu prüfenden Fall ergangen. Aus ihr läßt sich für die zu entscheidende Rechtsfrage nichts gewinnen, weil damals der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen und daher die Revision schon nach dem Wortlaut des § 502 Abs. 5 ZPO. unzulässig war, weil das zweite Urteil erster Instanz eben nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses gefällt war.
Prüft man die für die Meinung vorgebrachten Gründe, daß bei unterlassener Anfechtung eines unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses die Parteien und vor allem auch der Oberste Gerichtshof bei Entscheidung über eine später erhobene Revision an die Rechtsauffassungen des Berufungsgerichtes gebunden seien, so steht die Auffassung im Vordergrunde, daß mangels Anfechtung die im Verweisungsbeschluß zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung des Berufungsgerichtes in Rechtskraft erwachsen sei. Diese Auffassung verkennt das Wesen der Rechtskraft. Wenn § 519 Z. 3 ZPO. von "eingetretener Rechtskraft" spricht, so ist darunter, wie schon ein Vergleich mit den §§ 466, 479, 502 Abs. 5, 505 Abs. 3 ZPO. ergibt, die formelle Rechtskraft, also die Unanfechtbarkeit der Entscheidung durch Rechtsmittel verstanden. Hieraus läßt sich für eine spätere Bindung des Obersten Gerichtshofes an die in dieser Entscheidung enthaltene Rechtsauffassung nichts gewinnen. Hiefür käme nur die materielle Rechtskraft in Betracht. Sie kommt Sachentscheidungen zu, gleichgültig, ob sie mit Urteil oder Beschluß ergangen sind. Dies ergibt sich bereits aus § 411 ZPO., da dort von der Rechtskraft der Entscheidung über einen durch Klage geltend gemachten Anspruch, also über den Klagsgegenstand gehandelt wird. Die materielle Rechtskraft ergreift also in erster Linie Entscheidungen über den geltend gemachten Anspruch. Ob und wie weit ihrer auch Entscheidungen bloß darüber teilhaft werden können, ob der erhobene Anspruch auf dem gewählten Verfahrensweg verfolgt werden kann, also etwa auch Zuständigkeitsentscheidungen, kann hier dahingestellt bleiben. In keiner gesetzlichen Bestimmung ist aber vorgesehen, daß materielle Rechtskraft einer von einem Gericht ausgesprochenen Rechtsansicht, wie dies bei dem hier zu untersuchenden Verweisungsbeschluß der Fall ist, zukommen sollte. Auch die Meinung, daß unter Umständen die in den Gründen enthaltene rechtliche Beurteilung zur Ergänzung des Spruches herangezogen werden müsse und auf diesem Weg Rechtskraft beschreite, kann hier nicht eingreifen. Bei einem Aufhebungsbeschluß liegt eine Entscheidung über einen Anspruch überhaupt nicht vor, vielmehr wird nur eine Verfügung über den weiteren Prozeßfortgang getroffen. Mangels einer Anspruchsentscheidung kann daher die dem Aufhebungsbeschluß zugrunde liegende Rechtsauffassung auch nicht auf diesem Weg der Rechtskraft teilhaft werden. Die Meinung, daß mangels Anfechtung die im Verweisungsbeschluß zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in Rechtskraft erwachsen könne, entbehrt daher einer gesetzlichen Grundlage.
Auch die Auffassung Coulons, daß bei Zulassung der Anfechtung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in der späteren Revision der Zweck des Rechtskraftvorbehalts vereitelt wäre, trifft nicht zu. Durch den Rechtskraftvorbehalt im berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß ist den durch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beschwerten Parteien die Möglichkeit gegeben, diesen Beschluß anzufechten. Sie können hiedurch die sofortige Klarstellung der Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof erzielen und vielleicht überflüssigen Prozeßaufwand vermeiden. Damit ist die Zulassung des Rechtskraftvorbehalts bereits ausreichend gerechtfertigt. Daß darüber hinaus die Parteien gezwungen wären, sofort den Obersten Gerichtshof anzurufen und daß dieser andernfalls dann an eine ihm unrichtig scheinende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes gebunden sein sollte, kann nicht als Zweck des Rechtskraftvorbehalts erkannt werden.
Ebensowenig ergibt sich die endgültige Verbindlichkeit der im unangefochten gebliebenen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß ausgesprochenen Rechtsansicht daraus, daß dann, wenn im Berufungsverfahren die rechtliche Beurteilung nicht bekämpft wurde, sie auch im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann. Mit Revision wird die Unrichtigkeit des berufungsgerichtlichen Urteils, also die Unrichtigkeit der Entscheidung über die Berufungsgrunde geltend gemacht. Daraus folgt in der Tat, daß dann, wenn eine bestimmte Rechtsauffassung des Ersturteils gar nicht als unrichtig bekämpft wurde, die Entscheidung des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens eines Berufungsgrundes in dieser Beziehung nicht unrichtig sein kann und daherdie Geltendmachung dieser angeblich unrichtigen Beurteilung mit Revision ausgeschlossen ist. Dieser Fall hat aber mit dem hier vorliegenden, in dem eine rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, allerdings nicht bei erster möglicher Gelegenheit, bekämpft wird, nichts zu tun.
Darauf, daß die Entscheidung vom 20. Juni 1933, SZ. XV/138, sich auf die hier abgelehnte Auffassung nicht festlegt, hat bereits Pollak an der oben wiedergegebenen Stelle des Jahrbuchs höchstrichterlicher Entscheidungen hingewiesen und dazu noch gerade im Hinblick auf die aus der angeblichen Rechtskraft in dieser Entscheidung gezogene Begründung seine Bedenken ausgedrückt.
Wenn schließlich die Entscheidung vom 16. Oktober 1952, 1 Ob 624/52, außer auf die behauptete Rechtskraftwirkung die Bindung an die Rechtsansicht des unangefochten gebliebenen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses noch darauf stützen will, daß dieser berufungsgerichtliche Beschluß ebenso behandelt werden müsse, wie wenn der Oberste Gerichtshof in der Sache gesprochen hätte, so kann auch dem nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, daß der Oberste Gerichtshof an die in einer bestimmten Rechtssache ausgedrückte Rechtsauffassung für diese Rechtssache gebunden ist. Dafür aber, daß dies auch hinsichtlich eines berufungsgerichtlichen Beschlusses der Fall wäre, ist eine gesetzliche Grundlage nicht zu erkennen.
Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die zur Stützung der Meinung, beiunterlassener Anfechtung eines unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen berufungsgerichtlichen Verweisungsbeschlusses seien die Parteien und vor allem auch der Oberste Gerichtshof an die Rechtsauffassung dieses Beschlusses gebunden, vorgebrachte Gründe nicht zureichen. Schon hieraus würde sich die Zulässigkeit der Bekämpfung dieser Rechtsansicht in der dann folgenden Revision ergeben, weil Revisionen nur insoweit unzulässig und Revisionsgrunde nur insoweit beschränkt sind, als dies im Gesetz ausdrücklich ausgesprochen oder wenigstens aus ihm ableitbar ist. Mangels solcher einschränkender Normen ist daher die Revision und sind alle Revisionsgrunde ohne Rücksicht auf den unangefochten gebliebenen Verweisungsbeschluß zugelassen.
Die abgelehnte Beschränkung der Revisionsgrunde wäre ferner nicht nur gesetzwidrig, sondern auch unzweckmäßig. Wieweit in der Revision Umstände vorgetragen werden, die in dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß bereits hätten geltend gemacht werden sollen, wird oft schwer zu beurteilen sein. Durch die Annahme einer solchen Beschränkung wäre ein Fall mehr geschaffen, in dem die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels oder bestimmter Anfechtungsgrunde schwierig zu lösen wäre und in dem auf diese prozessuale Frage oft mehr Mühe aufgewendet werden müßte, als wenn das Rechtsmittel gleich meritorisch erledigt würde. In diesem Zusammenhang sei auf die Bestimmung des § 502 Abs. 2 ZPO. verwiesen, wonach gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts ein weiterer Rechtszug unzulässig ist, eine Bestimmung, über deren Auslegung bisher keine Klarheit gewonnen werden konnte, nämlich darüber, wann es sich um den Grund und wann um die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts handelt. Diese Fälle dürfen nicht durch die Auslegung vermehrt werden. Letzten Endes dient es nur dem vornehmsten Ziel des Prozesses, wenn trotz unterlassener Anfechtung eines unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschlusses der Oberste Gerichtshof dann durch die Revision in die Lage kommt, ein falsches Urteil zu beseitigen.
Das Revisionsgericht ist daher auch bei Prüfung der im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes OZ. 14 ausgesprochenen Rechtsansicht, wonach dem Kläger gegen die Beklagten gemäß §§ 877, 1431, 1435 ABGB. ein Anspruch auf Rückstellung des zu ihrem Vorteil Empfangenen zustehe und diese zufolge Übernahme des Unternehmens der beabsichtigten Kommanditgesellschaft unter gleichzeitiger Gründung einer offenen Handelsgesellschaft gemäß § 1409 ABGB. den Gläubigern, somit auch dem Kläger aus den zum Unternehmen gehörigen Schulden bis zum Werte des übernommenen Unternehmens haften, in keiner Weise beschränkt und in seiner rechtlichen Beurteilung völlig frei.
Der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes kann jedoch schon aus nachstehenden Erwägungen nicht gefolgt werden:
Nach den für die Rekursentscheidung maßgeblichen Feststellungen der Vorgerichte hat der Kläger am 22. Oktober 1948 seinen Austritt aus der beabsichtigten Kommanditgesellschaft erklärt, nachdem die als Kommanditistin beigetretenen Gemeinde L. zufolge behördlichen Verbotes (Erlässe der Tiroler Landesregierung vom 12. Juli und 13. August 1948) als solche ausgeschieden war. Aus diesen Feststellungen ergibt sich weiters, daß die Geschäftstätigkeit der durch Vertragsabschluß im Innenverhältnis bereits entstandenen Kommanditgesellschaft schon ab 1. August 1947 aufgenommen wurde, wobei der Kläger bis zum Tage seines Austrittes (22. Oktober 1948) gleichfalls hieran mitgewirkt hat, somit auch zu einer Zeit, als zufolge Beteiligungsverbotes der Gemeinde L. der Vertragswille der Gründer nicht mehr auf Errichtung einer Kommanditgesellschaft, sondern nur mehr einer offenen Handelsgesellschaft gerichtet gewesen sein konnte. Selbst wenn also bei Vertragsabschluß an die Errichtung einer Gesellschaft seitens der Gründer nur unter der Voraussetzung der Beteiligung der Gemeinde L. als Kommanditistin gedacht worden wäre, erscheint dies deswegen rechtlich bedeutungslos, weil die Geschäftstätigkeit der Gründungsgesellschaft trotz Wegfalles der Kommanditistin in gleicher Weise fortgesetzt wurde, sodaß, als die Nichtbeteiligung der Gemeinde L. bereits feststand, nach dem stillschweigend erklärten Willen der Gründer die offene Handelsgesellschaft jedenfalls als zur Entstehung gelangt anzusehen ist, da der Zweck der Gesellschaft auf den Betrieb eines unter § 1 HGB. fallenden Handelsgeschäftes gerichtet war. Da die Gesellschaft ihre Geschäfte längst begonnen hatte, muß ihr überdies Wirksamkeit nach außen als offene Handelsgesellschaft noch vor der Eintragung zuerkannt werden (§ 123 HGB.). Da nach freiwilligem Ausscheiden des Klägers aus der Gründungsgesellschaft die übrigen Gesellschafter (zweit- bis viertbeklagte Partei) die offene Handelsgesellschaft ohne den Kläger fortgesetzt haben, muß auch deren stillschweigende Zustimmung zum Ausscheiden des Klägers angenommen werden. Diesem steht daher lediglich der Auseinandersetzungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters zu, der auf Auszahlung dessen gerichtet ist, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, falls die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre, wobei der Wert des Gesellschaftsvermögens, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln ist (Art. 7 Nr. 15, 4. EVzHGB.). Da der Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer Kommanditgesellschaft (Beilage 1) eine Beteiligung der Kommanditistin am Verlust nicht vorsieht, ist nach dem stillschweigend erklärten Parteiwillen der Gründer, die den Geschäftsbetrieb auch nach Ausscheiden der Kommanditistin fortgesetzt haben, die im Vertrag ohne Berücksichtigung der Kommanditistin erschöpfend geregelte Verlustaufteilung auch für die Ermittlung des Auseinandersetzungsanspruches des Klägers, wie dies das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, weiterhin maßgebend. Da das Berufungsgericht den Klagsanspruch rechtsirrig als Kondiktionsanspruch beurteilt hat, erscheint dagegen die Anwendung des § 1409 ABGB. gleichfalls verfehlt. Bei Prüfung der Passivlegitimation der zweit- bis viertbeklagten Partei kann die Frage dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Mitgesellschafter nach § 128 HGB. auch für Ansprüche der Gesellschafter zu haften haben, da der Auseinandersetzungsanspruch des Klägers infolge seines Ausscheidens aus der Gesellschaft (§ 138 HGB.) jedenfalls der Forderung eines anderen Gesellschaftsgläubigers gleichgehalten werden muß. Gegen die Haftung der erst- bis viertbeklagten Partei zur ungeteilten Hand besteht sohin kein rechtliches Bedenken.
Dem Berufungsgericht ist von seiner unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgehend nur insoweit ein für die Ermittlung des klägerischen Verlustanteiles wesentlicher Rechtsfehler unterlaufen, als es den vom Buchsachverständigen Franz O. nur rechnungsmäßig ermittelten Wert der Fertigware von 26.500 S statt des Liquidationswertes des zur Zeit des Ausscheidens des Klägers vorhandenen Vorrates an Fertigware unter die Aktivposten eingesetzt hat. Der für die Errechnung des Gesamtverlustes per 22. Oktober 1948 maßgebliche Liquidationswert der Fertigware kann jedoch nur durch Schätzung ermittelt werden (Art. 7 Nr. 15 Abs. 3, 4. EVzHGB.). Die Beiziehung eines Buchsachverständigen genügt hiezu nicht; es wird vielmehr die Schätzung durch einen branchenkundigen Sachverständigen vorzunehmen sein, wobei auch dem Umstand, daß die Ware zur Zeit des Ausscheidens des Klägers nicht verkäuflich war, bei der Wertermittlung keine entscheidende Bedeutung zukommt. Zufolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Berufungsgerichtes ist daher dasVerfahren insoweit mangelhaft geblieben, als die Feststellung des klägerischen Verlustanteiles und damit des Klagsanspruches der Höhe nach erst nach verläßlicher Ermittlung des Wertes der Fertigware im Wege der Schätzung durch einen Sachverständigen möglich ist. Es war daher wie im Spruche zu entscheiden.
Der Kostenspruch grundet sich auf § 52 ZPO.
Unter einem hat der 3. Senat die Eintragung des nachstehenden Rechtssatzes unter Nr. 37 in das Spruchrepertorium beschlossen:
Revision und Revisionsgrunde sind nicht deswegen beschränkt, weil ein früherer unter Rechtskraftvorbehalt ergangener Verweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes (§ 519 Abs. 3 ZPO.) nicht bekämpft wurde.
Anmerkung
Z26312Schlagworte
Aufhebungsbeschluß Revisionsgrunde bei Nichtbekämpfung des -, Berufungsgericht, Aufhebungsbeschluß mit Rechtskraftvorbehalt, Revisionsgrunde, Rechtskraft, Nichtanfechtung des Aufhebungsbeschlusses, Rechtskraftvorbehalt, Aufhebung, Revisionsgrunde, Revision, Aufhebung unter Rechtskraftvorbehalt, Revisionsgrunde, Nichtanfechtung des Aufhebungsbeschlusses, Verweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes, RevisionsgrundeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00472.53.1221.000Dokumentnummer
JJT_19531221_OGH0002_0030OB00472_5300000_000