Norm
Außerstreitgesetz §16Kopf
SZ 26/314
Spruch
Ein im Inlande lebender Ausländer kann ein inländisches Gericht nicht zu dem Zwecke in Anspruch nehmen, damit ihm sein im Ausland befindliches Kind ausgefolgt werde.
Entscheidung vom 23. Dezember 1953, 2 Ob 918/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der in Innsbruck wohnhafte Antragsteller und seine Tochter Elisabeth sind italienische Staatsangehörige. Die Minderjährige lebt seit Ende 1945 nahezu ohne Unterbrechung im Haushalt Dr. B.'s in der Schweiz. Dr. B. ist in der Schweiz beheimatet. Das Kind ist im Zug einer Hilfsaktion zu Dr. B. gebracht worden und befindet sich dort in bester Pflege. Da sich Dr. B. weigert, die Minderjährige ihrem Vater auszufolgen, hat dieser beim Bezirksgericht seines Wohnortes den im Spruch wiedergegebenen Antrag gestellt.
Das Erstgericht hat zunächst mit dem Beschluß vom 14. Oktober 1952, den Antrag zurückgewiesen, weil es sich nach § 14 der 4. DVzEheG. nicht für zuständig erachtet hat. Das Rekursgericht hat mit dem Beschluß vom 27. November 1952, den Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und ihm aufgetragen, zu überprüfen, ob der italienische Staat die Fürsorge übernimmt, und sodann neuerlich zu entscheiden. Nachdem der Präsident des Tribunals B. auf eine Anfrage des Erstgerichtes, in der auch der Sachverhalt dargelegt worden war, mit der Zuschrift vom 28. Jänner 1953 erwidert hatte, daß "nach den herrschenden italienischen Gesetzen in gegenständlichen Fällen der Rechtsschutz durch die Vormundschaft nicht gegeben sei", hat das Erstgericht im Rechtshilfeweg die Vernehmung des Dr. B. über den Antrag des Kindesvaters veranlaßt, sodann noch den Kindesvater selbst vernommen und nunmehr dem Antrage stattgegeben. Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluß, gegen den Dr. B. offenbar persönlich einen Rekurs eingebracht hatte, bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Dr. B. Folge, hob die Beschlüsse der 2. und 1. Instanz sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies den Antrag des Josef M., Dr. Max B. zu verpflichten, die minderjährige Elisabeth M. dem Antragsteller herauszugeben, zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Da die Minderjährige italienische Staatsangehörige ist, kann gemäß § 14 der 4. DVzEheG. im Inland eine Pflegschaft über sie nur angeordnet werden, wenn sie nach den Gesetzen ihres Heimatstaates, sofern dieser die Fürsorge nicht übernimmt, der Fürsorge bedarf. Da der Heimatstaat die Einleitung eines Pflegschaftsverfahrens abgelehnt hat, ist daher noch zu prüfen, ob auch die weitere Voraussetzung zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit gegeben ist. Diese Frage ist jedoch nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 14, ganz abgesehen von der Begründung, die das Tribunal B. seiner Erklärung beigesetzt hat, zu verneinen. Nach dieser Gesetzesstelle greift nämlich die Zuständigkeit des inländischen Gerichtes nur dann Platz, wenn das Kind der Fürsorge bedürftig ist; ein solcher Bedarf ist aber nicht einmal vom Antragsteller behauptet worden. Dieser nimmt vielmehr das Gericht nur deshalb in Anspruch, um seinem Recht auf das Kind Geltung zu verschaffen. Dieses Interesse eines wenn auch im Inland lebenden Ausländers reicht aber noch nicht aus, das Einschreiten eines inländischen Pflegschaftsgerichtes zu rechtfertigen. Das bisherige Verfahren war daher gemäß § 42 Abs. 1 JN. nichtig; dies bewirkt seine Anfechtbarkeit wegen "Nullität" nach § 16 AußstrG.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.
Anmerkung
Z26314Schlagworte
Ausfolgung eines Kindes, inländische Gerichtsbarkeit, Ausländer, Ausfolgung eines Kindes, Gerichtsbarkeit, inländische für Ausländer, Inländische Gerichtsbarkeit, AusländerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1953:0020OB00918.53.1223.000Dokumentnummer
JJT_19531223_OGH0002_0020OB00918_5300000_000