Norm
ABGB §806Kopf
SZ 27/2
Spruch
Hinsichtlich eines neu aufgefundenen Nachlaßvermögens kann eine neue Erbserklärung nur dann abgegeben werden, wenn ein Erbe auf den Nachlaß früher keinen Anspruch erhoben und daher keine Erbserklärung abgegeben oder sich nicht gemeldet hat.
Entscheidung vom 7. Jänner 1954, 3 Ob 835/53.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Nachlaß der am 15. Dezember 1943 verstorbenen Antonie G. wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 26. November 1947, 2 A 66/44-13, auf Grund eines mündlichen Testamentes den Töchtern der Schwestern der Erblasserin, den beiden Streitteilen, je zur Hälfte eingeantwortet. Die Erblasserin war Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 290/II, Katastralgemeinde A., welche sie im Jahre 1940 dem Deutschen Reich (Deutsche Reichspost) verkaufte. Auf Grund des Rückstellungserkenntnisses der Rückstellungskommission beim Landesgericht Innsbruck vom 10. Oktober 1950, Rk 52/50-20, bestätigt durch das Erkenntnis der Rückstellungsoberkommission beim Oberlandesgericht Innsbruck vom 2. Dezember 1950, Rkb 88 50, wurde das Deutsche Reich (Deutsche Reichspost) schuldig erkannt, die Liegenschaft, bestehend aus den Parzellen 414 und 1490/II, den beiden Streitteilen je zur Hälfte gegen Bezahlung eines Betrages von insgesamt 47.000 S zurückzustellen und in die Einverleibung des gleichteiligen Miteigentumsrechtes der Streitteile ob diesen in eine neue Einlagezahl zu übertragenden Parzellen einzuwilligen. Die Klägerin stellte daraufhin beim Abhandlungsgericht den Antrag, die Grundstücke als nachträglich hervorgekommenes Vermögen ihr einzuantworten, da die Beklagte auf ihren Anteil an den Grundstücken zugunsten der Klägerin verzichtet habe. Beide Streitteile gaben sodann hinsichtlich der Grundstücke die Erbserklärung ab, die Klägerin hinsichtlich der ganzen, die Beklagte hinsichtlich der halben Liegenschaft, worauf der Abhandlungsrichter gemäß den §§ 125, 128 AußstrG. die Klägerin auf den Rechtsweg verwies und ihr die Klägerrolle zuteilte.
Die Klägerin stellt nun das Begehren, auszusprechen, daß das Erbrecht der Beklagten hinsichtlich der ideellen Hälfte der Liegenschaft EZ. 290/II als neu hervorgekommenes Vermögen infolge Verzichtes erloschen sei, mit der Begründung, die Beklagte habe sich ausdrücklich mündlich und schriftlich verpflichtet, der Klägerin im Falle des Obsiegens im Rückstellungsverfahren ihren Anteil am Rückstellungsgut zu überlassen, gegen dem, daß sie in diesem Rückstellungsverfahren schadlos gehalten werde, und zwar derart, daß sie aus dem Verfahren keine wie immer gearteten Kosten, Gebühren und sonstige Abgaben treffen, die allein die Klägerin zu übernehmen hatte und auch übernommen habe.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, daß sich die am 26. November 1947 erfolgte Einantwortung auf den ganzen Nachlaß bezogen habe, weshalb eine neuerliche Erbserklärung und eine neuerliche Einantwortung auch hinsichtlich des neu hervorgekommenen Vermögens nicht notwendig sei. Die Erbserklärung sei gemäß § 806 ABGB. unwiderruflich; da diese bereits vor der Einantwortung vom Gericht angenommen wurde, könne weder die Klägerin noch die Beklagte die angetretene Erbschaft mehr ausschlagen. Die Klägerin könne daher ihren Anspruch nur im Wege einer Erbschaftsklage, nicht aber mittels Erbrechtsklage geltend machen, da das Erbrecht infolge Annahme der Erbserklärung nicht durch Verzicht erlöschen könne.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Es führte aus, daß die Bindung des Prozeßgerichtes an den Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes nur so weit gehe, als der Prozeßrichter gehalten sei, eine im Wege einer Überweisung vor ihn gebrachte Rechtsfrage einer sachlichen Prüfung und meritorischen Entscheidung zuzuführen, also eine Befassung mit derselben nicht von vornherein aus formalen Gründen ablehnen könne. Hingegen seien durch die Überweisung dem Prozeßrichter keine Schranken gesetzt; er habe die ihm vorgelegte Frage von Grund aus nach seiner eigenen rechtlichen Überzeugung zu würdigen und gegebenenfalls auch abweichend von der Rechtsansicht des Außerstreitrichters zu erkennen. Die Liegenschaft sei weder ein erst im Jahr 1950 neu entstandenes noch auch ein erst nach der. Einantwortung aufgefundenes, früher nicht bekanntes Vermögen, sie bilde keine Zuwendung, die den durch die Einantwortung in das Vermögen der Erben übergegangenen Nachlaß vergrößere. Durch das Erkenntnis der Rückstellungskommission sei keine Veränderung im Nachlaß in dem Sinn erfolgt, daß diesem neue Vermögenswerte zugewachsen wären. Denn der Rückstellung der Grundstücke stehe die Rückerstattung des Kaufpreises als Zug-um-Zug-Leistung gegenüber, die das Nachlaßvermögen treffe. Durch die Rückstellung trete nur eine Umgestaltung im Nachlaßvermögen durch Auswechslung von Vermögenswerten ein. Es handle sich daher lediglich um Vermögensstücke, die die Erben gegen Hingabe anderer Vermögenswerte erwerben. Aber selbst wenn es sich um neu aufgefundenes Vermögen im Sinne des § 179 AußstrG. handeln würde, sei für die Abgabe neuer Erbserklärungen und eine neue Einantwortung kein Raum. Ein Verzicht eines Erben auf den ihm zufallenden Teil eines Nachlaßvermögens könne nur im Wege eines nachträglichen Übereinkommens zwischen ihm und den Miterben erfolgen. Die Klägerin strebe auch nur eine Änderung der durch das Erkenntnis der Rückstellungskommission geschaffenen Rechtslage dahin an, daß die beiden zu Bestandteilen des Nachlasses gewordenen Grundstücke auf Grund der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen ihr ins Alleineigentum übertragen werden, sie wolle daher gar nicht die Feststellung erreichen, daß das Erbrecht der Beklagten erloschen sei, sondern nur die Überlassung einzelner Nachlaßgegenstände an sie oder die Feststellung ihres Alleineigentums erwirken. Der von der Klägerin gewählte Weg einer Erbrechtsklage könne daher nicht zum Ziele führen, sondern nur eine Erbschafts- bzw. Eigentums- oder Herausgabeklage bzw. eine negative Feststellungsklage.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision führt zunächst aus, das Prozeßgericht sei an den Beschluß des Abhandlungsrichters, mit welchem die Erbserklärungen zu Gericht angenommen und der Klägerin die Klägerrolle zugewiesen wurde, gebunden; überdies habe die Beklagte diesen Beschluß des Abhandlungsgerichtes unangefochten gelassen, weshalb dieser Beschluß inter partes Recht geschaffen habe.
Mit dem Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom 7. Juli 1951 wurde lediglich die Klägerin mit ihrem Anspruch auf den Rechtsweg verwiesen und in der Begründung ausgeführt, daß die Beklagte erklärt habe, auf ihr Erbrecht nicht zu verzichten, weshalb die Klägerin auf den Rechtsweg zu verweisen sei. Das Prozeßgericht ist an diesen Beschluß, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur insoweit gebunden, als über den von der Klägerin aus dem Verzicht der Beklagten abgeleiteten Anspruch nicht im Abhandlungsverfahren, sondern im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden ist; eine weitere Bindung enthält der erwähnte Beschluß nicht. Daß in dem gleichen Beschluß der Abhandlungsrichter irrigerweise die Erbserklärungen der beiden Streitteile neuerlich zu Gericht angenommen hat, hat mit der Frage, wie weit der Prozeßrichter an den in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Abhandlungsrichters gebunden ist, überhaupt nichts zu tun; die Entscheidung des Abhandlungsrichters bindet den Prozeßrichter nur insoweit, als dieser die Klage nicht deshalb zurückweisen kann, weil die Entscheidung in die Zuständigkeit des Abhandlungsrichters falle.
Daß die Beklagte den Beschluß des Außerstreitrichters nicht angefochten hat, vermag ihr schon deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil durch diesen Beschluß nicht sie, sondern die Klägerin auf den Rechtsweg verwiesen wurde. Daß das Abhandlungsgericht rechtsirrigerweise in seiner Entscheidung auf die Bestimmung des § 125 AußstrG. Bezug genommen hat, ist gleichfalls ohne Bedeutung, da in dem Beschluß lediglich ausgesprochen wurde, daß die Entscheidung über den Anspruch der Klägerin im Rechtsweg zu erfolgen habe. Damit ist aber keineswegs für das Prozeßgericht bindend ausgesprochen, daß es sich bei den klagsgegenständlichen Grundstücken um ein neu hervorgekommenes Nachlaßvermögen handle, und es wurde auch durch diesen Beschluß zwischen den Streitteilen nicht etwa dahin Recht geschaffen, daß die Klägerin eine Erbrechtsklage einzubringen habe, da die Frage, mittels welcher Klage die Klägerin ihren behaupteten Anspruch durchzusetzen habe, lediglich vom Prozeßgericht zu entscheiden ist.
Soweit sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, daß die beiden Grundstücke kein vorher nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen im Sinne des § 179 AußstrG. seien, kommt ihren Ausführungen gleichfalls keine Berechtigung zu. Die Nichtigerklärung einer nach § 1 des Dritten Rückstellungsgesetzes anfechtbaren Vermögensübertragung wirkt ex tunc, also rückwirkend vom Tage des Vertragsabschlusses an. Die Einantwortung des ganzen Nachlasses der Antonie G. an beide Streitteile je zur Hälfte erfolgte am 26. November 1947; da das Dritte Rückstellungsgesetz bereits am 28. März 1947 in Kraft getreten ist, gehörte der Rückstellungsanspruch zu dem am 26. November 1947 den Streitteilen eingeantworteten Nachlaß. Daß das gehörig kundgemachte Dritte Rückstellungsgesetz den Streitteilen im Zeitpunkt der Einantwortung nicht bekannt gewesen sei, wurde in erster Instanz gar nicht behauptet und wäre im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 ABGB. auch ohne rechtliche Bedeutung. Daß an Stelle des Rückstellungsanspruches das rückgestellte Vermögen getreten ist, vermag dem letzteren nicht die Eigenschaft eines im Zeitpunkte der Einantwortung noch nicht bekannten, erst nach der Einantwortung aufgefundenen Vermögens zu geben.
Aber selbst wenn man die Ansicht vertreten würde, daß die beiden Grundstücke als nach der Einantwortung neu aufgefundenes Nachlaßvermögen im Sinne des § 179 AußstrG. aufzufassen wären, so wäre damit für die Klägerin nichts gewonnen. Denn hinsichtlich eines solchen Vermögens kann eine neue Erbserklärung nur dann abgegeben werden, wenn ein Erbe auf den früher überschuldeten Nachlaß keinen Anspruch erhoben und daher keine Erbserklärung abgegeben oder sich nicht gemeldet hat (GlUNF. Nr. 1749). Wurde aber von den Erben zum ursprünglichen Nachlaß eine Erbserklärung abgegeben, so ist die Abgabe einer neuerlichen Erbserklärung unzulässig, die ursprüngliche Erbserklärung, die bereits vom Gericht angenommen wurde, berechtigt den Erben bereits an sich zur Empfangnahme des nachträglich aufgefundenen Nachlaßvermögens entsprechend seinem Erbanteil. Die einmal abgegebene Erbserklärung kann gemäß § 806 ABGB. weder widerrufen noch kann auf sie nachträglich verzichtet werden.
Mit der vorliegenden Klage, einer reinen Erbrechtsklage, begehrt die Klägerin die Feststellung, daß das Erbrecht der Beklagten infolge Verzichtes erloschen sei. Ein derartiges Begehren ist aber durch den behaupteten, nach der Einantwortung erfolgten Verzicht der Beklagten auf die Hälfte der beiden Grundstücke nicht gedeckt.
Der von der Klägerin behauptete Anspruch aus dem nach der Einantwortung erfolgten Verzicht der Beklagten auf Teile des Nachlaßvermögens kann vielmehr nur das Begehren auf Herausgabe oder Übergabe der Hälfte dieser Grundstücke oder auf Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung der Klägerin an den Grundstückshälften, nicht aber das Begehren auf Feststellung des Erlöschens des bereits entstandenen Erbrechtes begrunden.
Der Revision mußte deshalb der Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z27002Schlagworte
Erbe neuerliche Erbserklärung, Erbserklärung neuerliche -, Nachtragsabhandlung, Erbserklärung, Verlassenschaft neuerliche ErbserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00835.53.0107.000Dokumentnummer
JJT_19540107_OGH0002_0030OB00835_5300000_000