Norm
Arbeitsgerichtsgesetz §2Kopf
SZ 27/20
Spruch
Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes zur Entscheidung über Entgeltsansprüche eines Stundenbuchhalters.
Entscheidung vom 29. Jänner 1954, 2 Ob 33/54.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Kläger behauptet, in freiberuflicher Tätigkeit ohne Begründung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses in seiner Eigenschaft als früherer Bankdirektor und gerichtlich beeideter Sachverständiger so wie für verschiedene andere Firmen auch für die beiden Beklagten in deren Auftrag seit einigen Jahren für einen von ihnen geführten Sand- und Schotterbetrieb in W. die laufenden buchhalterischen Arbeiten besorgt, Monatsbilanzen erstellt und den Jahresabschluß samt Jahresbilanz durchgeführt und für die monatlichen Buchhaltungsarbeiten mit Monatsbilanz jedesmal 280 S Entgelt vereinbart zu haben, für die Erstellung des Jahresabschlusses und der Jahresbilanz dagegen einen Betrag von 1300 S. Im März 1953 habe seine Tätigkeit für die Beklagten aufgehört und seien diese noch das Bilanzgeld für den Jahresabschluß 1952 von 1300 S, ferner einen Rest von 1200 S für die laufend geführten buchhalterischen Arbeiten schuldig. Er begehre daher vor dem ordentlichen Gerichte die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 2500 S samt Anhang.
Das Erstgericht verwarf die erhobenen Einreden, das Rekursgericht gab dem Rekurse der Beklagten gegen den erstgerichtlichen Beschluß Folge und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurück, wobei es feststellte, daß für die Klage das Arbeitsgericht Graz sachlich zuständig sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte umfaßt u. a. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmern und Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis. Der Begriff "Unternehmer" geht über den Begriff des Arbeits(Dienst)gebers hinaus, da er sich auf die Auftragsgeber jener wirtschaftlich unselbständigen arbeitnehmerähnlichen Personen erstreckt, die, ohne in einem Arbeitsvertragsverhältnis zu stehen, als formell Selbständige im Auftrag und für Rechnung anderer Personen Arbeit leisten. Dementsprechend fällt auch unter den Begriff "Beschäftiger" nicht nur der Arbeits(Dienst)nehmer, sondern auch die eben erwähnten arbeitnehmerähnlichen Personen. Der Begriff "Arbeitsverhältnis" beinhaltet mehr als der Begriff "Dienstverhältnis", er umfaßt auch gewisse Auftragsverhältnisse. Die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes umschließt daher grundsätzlich alle Rechtsstreitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen und aus gewissen Auftragsverhältnissen (Kapfer, das Arbeitsgerichtsgesetz, S. 20 ff.). Nach § 2 Abs. 1 ArbGerG. sind Beschäftigte im Sinne des Gesetzes Arbeiter und Angestellte einschließlich der Lehrlinge, doch stehen den Arbeitern und Angestellten Personen gleich, die den Entgeltschutz für Heimarbeit genießen, sowie sonstige nicht mit gewerblicher Heimarbeit beschäftigte Personen, die, ohne in einem Arbeitsvertragsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter anderer Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. "Beschäftigte" sind somit nicht nur die Arbeit(Dienst)nehmer im Sinne des § 1151 ABGB., sondern auch gewisse arbeitnehmerähnliche Personen. Es handelt sich hiebei um Personen, die eine Art Mittelstellung zwischen dem rechtlich und wirtschaftlich unselbständigen Arbeit(Dienst)nehmer und dem rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmer einnehmen. Diese Personen sind trotz vollauf vorhandener rechtlicher Selbständigkeit wirtschaftlich unselbständig und stehen darum dem Arbeit(Dienst)nehmer näher als dem Unternehmer. Hieher gehören außer den Personen, die den Entgeltschutz für Heimarbeit genießen, sonstige arbeitnehmerähnliche Personen. Bei ihnen entfällt das für regelrechte Dienstverhältnisse im Sinne des § 1151 ABGB. kennzeichnende Kriterium der dauernden Verpflichtung zu persönlicher Arbeit unter Leitung und mit den Mitteln des Dienstgebers neben persönlicher und wirtschaftlicher Unterordnung des Dienstnehmers und Einordnung in den Organismus des Unternehmens des Dienstgebers entweder ganz oder teilweise. Sie stehen nicht in einem Arbeitsvertragsverhältnis, sondern in einem Auftrags(Bevollmächtigungs)verhältnis (§§ 1002 ff. ABGB.), mit dem auch Elemente anderer Vertragstypen z. B. des Werkvertrages (§ 1165 ff. ABGB.) verbunden sein können. Für den Werkvertrag ist gerade das Fehlen der persönlichen Arbeitspflicht, das Arbeiten nach eigenem Plan und mit eigenen Mitteln, die Möglichkeit der Verwendung von Gehilfen und Substituten und das Fehlen jeder Einordnung in den fremden Unternehmensorganismus charakteristisch. Personen, die nicht in einem Arbeits(Dienst)vertragsverhältnis stehen, werden in der Regel rechtlich und wirtschaftlich selbständig, also selbst Unternehmer sein und daher aus dem Kreise der Beschäftigten im weiteren Sinne und damit auch in Streitigkeiten aus der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ausscheiden. Als wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit arbeitnehmerähnliche Personen können auch rechtlich selbständige mit "Konzession" wie der Handelsagent, der Stundenbuchhalter, mancher Wirtschafts- und Steuerberater angesehen werden. Für die Unterwerfung der Streitigkeiten dieser Personen mit ihren Auftragsgebern unter die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist lediglich das Maß ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit bzw. Unselbständigkeit entscheidend. Personen, die dem Unternehmer näher stehen als dem Arbeitnehmer, scheiden aus dem Kreis der Beschäftigten und damit ihre Streitigkeiten aus der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus (Kapfer, das Arbeitsgerichtsgesetz, S. 26 ff.).
Nach den für die Beurteilung der Zuständigkeit maßgebenden Klagsangaben (§ 41 Abs. 2 JN.) war der Kläger im Betriebe der Beklagten als Stundenbuchhalter gegen ein bestimmtes Monatspauschalentgelt tätig. Während die Mittel für die Arbeiten durch die Beklagten beigestellt wurden, hat der Kläger allein und ohne Zuhilfenahme von durch ihn bezahlten Arbeitskräften gegebene Arbeiten besorgt. Da der Kläger an keine Zeiteinteilung gebunden war, auch kein Verhältnis der Unterordnung gegenüber den Beklagten bzw. der restlosen Einordnung in ihren Betrieb bestand, ist die Annahme eines regelrechten Arbeits(Dienst)verhältnisses zwar abzulehnen, allein der Kläger immerhin jenen Personen zuzuzählen, die, ohne in einem Arbeitsvertragsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung anderer Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Darauf, ob Kläger Arbeiten nur für die Beklagten oder auch für andere Firmen und Geschäfte in der Zeit seiner Beschäftigung bei den Beklagten besorgt hat, kommt es nicht an, wie es auch bedeutungslos ist, ob der Kläger formell selbständig ist. Der Oberste Gerichtshof tritt daher der Auffassung des Rekursgerichtes bei, daß gegebenenfalls das ordentliche Gericht für die Austragung des gegenständlichen Streites nicht zuständig ist, die Sache vielmehr vor das Arbeitsgericht gehört. Soweit der Revisionsrekurs zur Stützung der gegenteiligen Auffassung neues Tatsachenvorbringen enthält, ist es als im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung nicht zu beachten. Der angefochtene Beschluß war somit zu bestätigen und dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z27020Schlagworte
Arbeitnehmerähnlichkeit Stundenbuchhalter, Arbeitsgericht Stundenbuchhalter, Entgeltansprüche des Stundenbuchhalters, Stundenbuchhalter, Arbeitnehmerähnlichkeit, Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes für Entgeltsansprüche des, StundenbuchhaltersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00033.54.0129.000Dokumentnummer
JJT_19540129_OGH0002_0020OB00033_5400000_000