TE OGH 1954/2/3 2Ob839/53

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Veröffentlicht am 03.02.1954
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Norm

Ehegesetz §49
Ehegesetz §50

Kopf

SZ 27/23

Spruch

Wird nur ein Scheidungsbegehren nach § 49 EheG. gestellt, nicht aber auch ein Eventualbegehren nach § 50 EheG. und liegen nur die Voraussetzungen für den Ehescheidungsgrund nach § 50 EheG. vor, so ist das Klagebegehren abzuweisen.

Entscheidung vom 3. Feber 1954, 2 Ob 839/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin und Widerbeklagte - im folgenden kurz Klägerin genannt - erhob gegen den Beklagten und Widerkläger - weiterhin kurz Beklagter genannt - die Scheidungsklage aus seinem Verschulden wegen Trunksucht, Beschimpfungen, Mißhandlungen, gewaltsamer Entfernung aus der ehelichen Wohnung, Ehebruch, grober Unwirtschaftlichkeit, Verweigerung der Unterhaltsleistung und grundloser Eifersucht. - Die Klage der Frau beantwortet der Beklagte mit Widerklage, in der er seinerseits Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Frau begehrt, weil sie die Beziehungen des Beklagten zu seinen Kindern aus früherer Ehe zu trüben versucht, abfällige Äußerungen über ihn vor den Kindern gemacht, die Ehe gebrochen, wahrheitswidrige Anzeigen an das Finanzamt gegen ihn erstattet, Möbel und Einrichtungsgegenstände aus der ehelichen Wohnung verbracht, ihm einen Betrag von 3000 S unterschlagen, ihn mißhandelt und in verletzten Zustand hilflos in der Wohnung gelassen habe. Für alle Fälle stellte Beklagter auch das Begehren auf Scheidung gemäß § 50 Ehegesetz mit der Behauptung, daß "die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben" sei.

Das Erstgericht hat die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten geschieden, somit nur die Klage erledigt, das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten keine Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

... Mit Recht wird von der Revision gerügt, daß sowohl das angefochtene Urteil wie das erstgerichtliche Urteil keine Begründung dafür gibt, wieso es zahlreiche, vom Beklagten gesetzte Handlungen als auf geistiger Störung beruhend ansah, bezüglich deren dem Beklagten ein Verschulden nicht zuzurechnen ist, andere wieder, wie die als erwiesen angenommene Trunksucht und den Umgang mit einer anderen Frau, als solche wertete, die ihm doch (trotz Gutachtens des Sachverständigen) als Verschulden zuzurechnen sind.

Voraussetzung für die Anwendung des § 50 EheG. ist, daß der krankhaft veranlagte Ehegatte ein grob ehewidriges Verhalten gezeigt hat und die Scheidung wegen schwerer Eheverfehlungen gemäß § 49 EheG. nur deshalb nicht eintreten kann, weil das ehewidrige Verhalten auf einer geistigen Störung, die auch eine anormale Gemütsverfassung sein kann, beruht, und weil aus diesem Gründe die subjektive Verantwortlichkeit des krankhaft veranlagten Ehegatten für sein Verhalten ausgeschlossen wird. Hieher gehören u. a. auch leichtere Psychopathien oder sonstige geistige Erkrankungen, die zwar die moralische Kraft des Betroffenen in einer seine freie Willensbestimmung erheblich beeinträchtigenden Weise herabsetzen, aber sein sonstiges Geistes- und Seelenleben nicht so beeinflussen, daß die geistige Gemeinschaft zwischen ihm und dem anderen Ehegatten aufgehoben ist. Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 50 EheG. gehört ebenso wie im Falle des § 49 ferner noch, daß das Verhalten des beklagten Ehegatten eine ehezerstörende Wirkung gehabt hat. Eine Konkurrenz von § 50 und § 49 kommt nicht in Betracht, da beide zwar einen gleichartigen objektiver Tatbestand haben, § 49 aber ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt, während § 50 umgekehrt davon ausgeht, daß ein Verschulden des beklagten Ehegatten wegen seiner geistigen Störung ausgeschlossen erscheint (Volkmar - Antoni - Ficker, S. 189 ff.; Schwind, S. 194 ff.). Wegen des grundsätzlichen Unterschiedes zwischen Scheidung mit und ohne Verschulden muß sich aber das Gericht, falls beide Scheidungsgrunde geltend gemacht wurden, entscheiden, aus welchem der beiden Gründe die Scheidung ausgesprochen wird. Dabei ist zu beachten, daß hinsichtlich der Gründe, durch die die Scheidung ausgeschlossen wird, zwischen Scheidung aus Verschulden und ohne Verschulden ein grundsätzlicher Unterschied besteht. Fristenablauf nach § 57 und Verzeihung nach § 56 EheG. kommen im letzteren Falle nicht in Betracht. Wird nur ein Scheidungsbegehren nach § 49 EheG. gestellt, was im gegenständlichen Falle zutrifft, nicht aber gleichzeitig, wenn auch nur hilfsweise ein solches nach § 50 EheG. und liegen lediglich die Voraussetzungen für letzteren Scheidungsgrund vor, so ist das Klagebegehren abzuweisen (DRG.: DR. 1940, S. 1675; Scanzoni Scheidung ohne Verschulden, S. 16). ...

Anmerkung

Z27023

Schlagworte

Bindung an Scheidungsgrund, Ehescheidung Verfehlungen nach § 50 EheG., Eheverfehlungen nach § 50 EheG., Scheidungsbegehren nach § 49 EheG., Verfehlungen nach § 50 EheG., Scheidungsgrund, Bindung an geltend gemachten -, Schwere Eheverfehlungen nach § 50 EheG., Vormundschaft, Rekursrecht des Vertragsgenossen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00839.53.0203.000

Dokumentnummer

JJT_19540203_OGH0002_0020OB00839_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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