Norm
Außerstreitgesetz §9Kopf
SZ 27/30
Spruch
Rekurslegitimation in Grundbuchsachen.
Die grundbücherliche Durchführung der Liegenschaftsteilung ist trotz des Fehlens der Parzellierungsgenehmigung der Baubehörde (Vdg. vom 21. Juli 1932, BGBl. Nr. 204) zu bewilligen.
Entscheidung vom 10. Feber 1954, 1 Ob 67/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Melk; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Mit Kaufvertrag vom 16. und 26. Mai 1953 kauften die Antragsteller von Cäzilia J. da8 aus dem Grundstück 321/1 Wiese neu gebildete Grundstück 321/3 im Ausmaß von 985 m2. Auf Grund dieses Kaufvertrages, eines Lageplanes, der Freilassungserklärung der Sparkasse in M. vom 10. September 1952, der Löschungserklärung vom 26. März 1953, der Amtsbestätigung vom 7. September 1953, 1 Nc 191/52-2, sowie der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern vom 15. September 1953 begehrten die Antragsteller, es werde die Unterteilung des Grundstückes 321/1 in das neue Grundstück 321/3 und in das Restgrundstück 321/1, die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes 321/3 vom Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 63 Gb. M., die Eröffnung der neuen EZ. 583 und die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes je zur Hälfte bewilligt.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt.
Infolge Rekurses der Stadtgemeinde M. änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Antrag abgewiesen wurde. Gemäß § 2 Abs. 5 der Verordnung vom 21. Juli 1932 (unrichtig 1931), BGBl. 204, seien bei der Teilung verbauter Grundstücke oder unverbauter Grundstücke, die offenbar zum Zweck der Aufteilung auf Bauplätze oder der Verbauung vorgenommen werde, die Bestimmungen der örtlichen Bauordnung einzuhalten. Gemäß Absatz 6 dieser Bestimmung sei im Zweifel, ob eine Teilung baubehördlich genehmigungs- oder anzeigepflichtig sei, die Äußerung der Baubehörde vor der Planverfassung einzuholen. Es liege die Vermutung nahe, daß die in Frage stehende Abteilung für Bauzwecke vorgenommen werden solle. Denn schon früher sei ein Teilgrundstück 321/2 abgetrennt worden. Da die Äußerung der Baubehörde nicht eingeholt worden sei und die auf dem Kaufvertrag angebrachte Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft M. nach dem Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten vom 22. September 1933, DRGBl. I S. 659, die Genehmigung nach § 6 und 11 der Bauordnung für Niederösterreich nicht ersetze, müsse der Grundbuchsantrag abgewiesen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsteller Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revisionsrekurswerber vertreten die Ansicht, daß die Stadtgemeinde M. nicht befugt gewesen sei, gegen den erstgerichtlichen Beschluß ein Rechtsmittel einzulegen. Denn nach § 6 der BauO. für NÖ. stehe einer Gemeinde mit eigenem Statut, sonst aber der Bezirksverwaltungsbehörde, das Recht zu, die Abteilung eines Gründes auf Bauflächen zu genehmigen. Da die Stadt M. kein eigenes Gemeindestatut besitze, könne ihr das Genehmigungsrecht nach § 6 BauO. und damit auch die Rekurslegitimation nicht zugebilligt werden. Dieser Argumentation kann sich der Oberste Gerichtshof nicht anschließen. Das Grundbuchsgesetz enthält keine Bestimmungen darüber, wer im Einzelfall legitimiert ist, Anträge zu stellen und Rechtsmittel zu erheben. In Grundbuchssachen ist daher die Rekurslegitimation - wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (E. v. 29. Juli 1953, 2 Ob 425/53, v. 20. Juni 195I, EvBl. 1951, Nr. 368, v. 9. Feber 1938, SZ. XX/35), nach § 9 AußstrG. zu beurteilen. Nach dieser Gesetzesstelle ist derjenige rekursberechtigt, dem ein Rechtsschutzinteresse zuzubilligen ist. Es ist zwar richtig, daß nach § 6 der Vdg. v. 21. Juli 1932, BGBl. 204, nicht die Gemeinde M., sondern die Bezirkshauptmannschaft M. zuständig ist, über die Abteilung eines Gründes auf Bauplätze zu entscheiden. Allein dessenungeachtet ist die Gemeinde M. nach § 11 BauO. an der Entscheidung mitbeteiligt und als Baubehörde erster Instanz rechtlich interessiert, daß die für die Abteilung notwendigen Vorschriften eingehalten werden. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Handhabung der Bauordnung und der Baupolizei nach Art. V Abs. 2 Z. 9 des Reichsgemeindegesetzes vom 5. März 1862, RGBl. 18, zum selbständigen Wirkungskreis der Gemeinden gehört. Der Stadtgemeinde M. mußte daher die Eigenschaft einer rekursberechtigten Beteiligten im Sinne des § 9 AußstrG. zuerkannt werden.
In der Sache selbst hat das Rekursgericht auf § 2 Abs. 5 und 6 der Vdg. v. 21. Juli 1932, BGBl. 204, hingewiesen. Diese Verordnung wurde auf Grund des § 23 Abs. 4 des Gesetzes vom 23. Mai 1883, RGBl. 83, über die Evidenthaltung des Grundsteuerkatasters und der gesetzlichen Ermächtigung des § 2 Abs. 1 LiegTeilG. erlassen. Nach der letztgenannten Bestimmung müssen die Teilungspläne den durch Verordnung erlassenen Vorschriften entsprechen. Die Verordnung vom 21. Juli 1932 führt dazu aus, wie bei Grundteilungen zu vermessen und die Teilungspläne zu verfassen sind. Im § 2 Abs. 5 wird angeordnet, daß bei Teilungen verbauter Grundstücke oder bei Teilungen unverbauter Grundstücke, die offenbar zum Zweck der Abteilung auf Bauplätze oder der Verbauung vorgenommen werden, die Bestimmungen der örtliche Bauordnungen einzuhalten sind. § 2 Abs. 6 schreibt vor daß im Zweifel, ob eine Teilung baubehördlich genehmigungs- oder anzeigepflichtig ist, die Äußerung der Baubehörde vor der Planverfassung einzuholen ist. Alle diese Vorschriften wenden sich in erster Linie an den Planverfasser und an das Vermessungsamt. Es ist nicht Sache des Grundbuchsgerichtes, vor der Bewilligung der Grundteilung in allen Einzelheiten zu prüfen, ob der Planverfasser die Vorschriften der Verordnung vom 21. Juli 1932 eingehalten hat. Nach § 7 Abs. 2 der Verordnung hat das Gericht nämlich nur zu prüfen, ob der - Plan den im Absatz 1 Punkt II lit. a - f dieser Vorschrift bezeichneten Bedingungen (Angabe der Maßstäbe, Name der Katastralgemeinde usw., Teilungsausweis, Feststellung der Vermarkung der Teilungslinien, Feststellung der Person des Planverfassers, Tag der Ausstellung, Geschäftszahl und Unterschrift) entspricht. Nach § 7 Abs. 3 ist das Vorhandensein aller anderen in dieser Verordnung bestimmten Erfordernisse der Verfassung des Planes und der zeichnerischen Darstellung von der Vermessungsbehörde auf Grund der ihr vom Gericht übersendeten Planpause zu überprüfen. Das Fehlen dieser Voraussetzungen steht - wie die Verordnung ausdrücklich sagt - der Bewilligung der grundbücherlichen Teilung eines Grundstückes nicht entgegen. Aus dieser Bestimmung, die sich mit § 153 Abs. 2 GV. nahezu wörtlich deckt, ergibt sich, daß die im § 2 Abs. 5 verfügte Einhaltung der Bauordnung (§ 6 nö. BauO.) vom Gericht nicht überwacht zu werden hat, weil diese Vorschrift im § 7 Abs. 1 Punkt II lit. a - f nicht enthalten ist. Die Revisionsrekurswerber vertreten mit Recht die Ansicht, daß diese Kontrolle der Vermessungsbehörde obliegt und die grundbücherliche Behandlung der Abteilung nicht hindert (vgl. SZ. IX/192, SpR. 25 neu).
Das Rekursgericht hat dem Rekurs der Stadtgemeinde M. zu Unrecht stattgegeben. Das Erstgericht hat vielmehr den Grundbuchsantrag, der dem Gesetz entspricht, zutreffend bewilligt. Ohne daß auf die weitere Frage, ob die Genehmigung nach dem Gesetz vom 22. September 1933, DRGBl. I S. 659, über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten die baubehördliche Zustimmung ersetzt, eingegangen zu werden brauchte, mußte dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt werden.
Anmerkung
Z27030Schlagworte
Einverleibung im Grundbuch trotz Fehlen der Parzellierungsgenehmigung, Grundbuch Parzellierung, Grundbuch Rekurslegitimation, Liegenschaftsteilung, Parzellierungsgenehmigung, Parzellierung, Grundbuch, Rekurslegitimation in GrundbuchssachenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00067.54.0210.000Dokumentnummer
JJT_19540210_OGH0002_0010OB00067_5400000_000