Norm
Grundbuchsgesetz §94 Abs1 Z2Kopf
SZ 27/53
Spruch
Zur Auslegung des § 94 Abs. 1 Z. 2 GBG.
Entscheidung vom 24. Feber 1954, 3 Ob 87/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien.
Text
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat mit Beschluß vom 24. März 1952 den Beschluß auf Entmündigung der Adele Sp. abgewiesen und den vorläufigen Beistand enthoben, jedoch erst am 17. September 1953 die Löschung der Anmerkung der Bestellung des vorläufigen Beistandes verfügt. Am 4. März 1953 hat Adele Sp. den zu intabulierenden Kaufvertrag abgeschlossen. Am 10. August 1953 wurde Adele Sp. in Pflege der Anstalt am Steinhof genommen. Am 12. September 1953 hat die Käuferin Hermine F. beim Grundbuchsgerichte den Antrag auf Einverleibung ihres Eigentumsrechtes und des Pfandrechtes der Adele Sp. für die Forderung auf Zahlung des Restkaufschillings sowie auf Anerkennung der Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes gestellt. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat mit Beschluß vom 17. September 1953 ein neues Entmündigungsverfahren gegen Adele Sp. eingeleitet und wieder einen vorläufigen Beistand bestellt. Das Grundbuchsgericht hat am 22. September 1953 den Intabulierungsantrag unter Hinweis auf die neuerliche Bestellung eines vorläufigen Beistandes abgewiesen. Vom Rekursgericht wurde der Antrag bewilligt und ausgeführt, daß begrundete Bedenken im Sinne des § 94 Abs. 1 Z. 2 GBG. gegen die Geschäftsfähigkeit der Adele Sp. nicht bestehen.
Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Gesetz untersagt dem Grundbuchsrichter nicht erst dann die Bewilligung einer Grundbuchseintragung, wenn der Mangel der Verfügungsmacht eines Beteiligten klar zutage liegt, sondern macht ihm diese Vorsicht schon dann zur Pflicht, wenn die Beschränkung der Verfügungsfähigkeit aus beachtlichen Gründen anzunehmen ist (SZ. XXI/22). Dabei obliegt dem Gericht die Pflicht, zu prüfen, ob im Zeitpunkt seiner Amtshandlung die Voraussetzungen für die Bewilligung des Ansuchens vorliegen (§ 93 GBG.).
Das hat das Erstgericht mit Rücksicht auf die dem Gericht vorliegenden Tatsachen mit Recht verneint, wenn berücksichtigt wird, daß zwar das erste Entmündigungsverfahren im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses rechtskräftig eingestellt und der vorläufige Beistand enthoben worden war daß aber Adele Sp. wenige Monate nach Einstellung des ersten Entmündigungsverfahrens (am 10. August 1953) in die Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof genommen und ein neues Entmündigungsverfahren gegen sie eingeleitet und neuerlich ein vorläufiger Beistand bestellt worden ist.
Wenn auch die Einleitung eines neuerlichen Entmündigungsverfahrens, die Aufnahme der Verkäuferin in die Anstalt Am Steinhof und die neuerliche Bestellung eines vorläufigen Beistandes an sich noch nicht den Schluß rechtfertigen, daß Adele Sp. zur Zeit des Abschlusses des Vertrages (4. März 1953) nicht voll handlungsfähig gewesen ist, so sind doch diese Umstände geeignet, Bedenken gegen die Handlungsfähigkeit der Adele Sp. zu erregen. Daß gegen Adele Sp. kaum ein Jahr nach Einstellung des Entmündigungsverfahrens ein neuerliches Verfahren eingeleitet und sie in eine Heilanstalt für Geisteskranke eingeliefert wurde, macht es zweifelhaft, ob sie in der Zwischenzeit, in der sie den Vertrag abgeschlossen, tatsächlich handlungsfähig gewesen ist.
In einem solchen Fall ist aber das Grundbuchsgericht nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet (SZ. VII/271), die angesuchte Grundbuchshandlung zu verweigern und die Frage, ob der Vertrag zu Recht bestehe und eine geeignete Grundlage für die Grundbuchsamtshandlung bilde, dem streitigen Richter zu überlassen (SZ. VII/271).
Anmerkung
Z27053Schlagworte
Grundbuch § 94 Abs. 1 Z. 2 GBG., Verfügungsmacht, GrundbuchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00087.54.0224.000Dokumentnummer
JJT_19540224_OGH0002_0030OB00087_5400000_000