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27/01 Rechtsanwälte;Norm
RAO 1868 §50 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Dr. MS in M, vertreten durch Dr. Bernhard Stanger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 18, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 26. Juli 2001, Zl. R99-116, betreffend Berufsunfähigkeitspension, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Tiroler Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 1. Februar 2001 wies die Abteilung III des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension gemäß § 7 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer Teil A (abgedruckt im Anwaltsblatt 1995/11, S. 797 ff; in der Folge: Satzung) ab.
Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz insofern neu gefasst, als die Anträge des Beschwerdeführers vom 14. und 18. Dezember 2000 auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension als unbegründet abgewiesen wurden.
Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 7. Dezember 1973 bis 31. Dezember 1980 als Rechtsanwalt in die Liste der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen. Mit Wirkung vom 31. Dezember 1980 habe er auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet und sei dem gemäß aus der Liste der Rechtsanwälte der Tiroler Rechtsanwaltskammer gelöscht worden. Auf seine Anfragen vom 10. September 1998 und 12. April 1999 sei ihm mit Schreiben vom 26. April 1999 mitgeteilt worden, dass nach der Satzung der Versorgungseinrichtung kein Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension bestehe. Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 seinen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension wiederholt und damit begründet, dass er seit seinem Ausscheiden aus der Anwaltschaft berufsunfähig sei. Er habe ein Gutachten des Universitätsprofessors Dr. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 10. Dezember 2000 beigelegt. In diesem werde dem Beschwerdeführer attestiert, "seit langem wegen psychischer Erkrankung" nicht in der Lage zu sein, den Beruf als Rechtsanwalt auszuüben. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2000 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er schon mehr als ein Jahr vor Zurücklegung der Anwaltschaft nicht mehr in der Lage gewesen sei, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben.
Da gegen den Beschwerdeführer (in der Vergangenheit) verschiedene Strafverfahren eingeleitet worden seien, habe der Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer mit Beschluss vom 19. Dezember 1980 die Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ausgesprochen. Infolge des Verzichts des Beschwerdeführers auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft am 31. Dezember 1980 seien diese Disziplinarverfahren unterbrochen worden. Der Beschwerdeführer sei in der Folge vom Landesgericht Innsbruck rechtskräftig wegen Anstiftung zum Mord verurteilt worden und nach seinen eigenen Angaben fast 13 Jahre in Haft gewesen.
Der Beschwerdeführer habe die nach § 7 Abs. 1 lit. a der Satzung geforderte Wartezeit erfüllt. Ob ein körperliches oder geistiges Gebrechen gemäß lit. b vorliege, könne derzeit nicht beurteilt werden. Der Beschwerdeführer habe gemäß lit. c im Jahre 1980 auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet, jedoch nicht für die Dauer der Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente. Das Vorliegen der Voraussetzungen zur Gewährung dieser Rente sei erst viele Jahre später behauptet worden. Während gemäß § 6 der Satzung für die Altersrente der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ausreiche, verlange § 7 der Satzung für die Zuerkennung der Berufsunfähigkeitsrente ausdrücklich den Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer der Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente. Gemäß § 7 Abs. 4 lit. b der Satzung endet der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres.
§ 13 Abs. 1 der Satzung bestimme, dass dann, wenn ein Rechtsanwalt vor Erreichen der Altersgrenze für den Anspruch auf Alterspension auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichte oder die Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 Abs. 1 lit. a oder lit. b RAO erlösche, oder seine Streichung auf Grund eines rechtskräftigen Disziplinarerkenntnisses erfolge, er spätestens sechs Wochen danach an die Rechtsanwaltskammer den Antrag auf Gewährung der freiwilligen Weiterversicherung für Leistungen gemäß § 3 und/oder § 13 dieser Satzung stellen könne. Es liege daher im Beschwerdefall Präklusion hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrages auf Berufsunfähigkeitspension vor. Der Beschwerdeführer sei seit seinem Verzicht und der Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte zum 31. Dezember 1980 bis zum heutigen Tage nicht mehr in die Liste der Rechtsanwälte der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen. Er habe auch keinen Antrag auf Wiedereintragung gestellt. Voraussetzung für die Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension nach den Bestimmungen der Satzung sei, dass derjenige, der eine solche Pension beantrage, zum Zeitpunkt des Antrages in die Liste der Tiroler Rechtsanwaltskammer als Rechtsanwalt eingetragen sei. Jemand der in die Liste nicht eingetragen sei, sei kein Rechtsanwalt und daher seien sowohl die Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung als auch der Versorgungseinrichtung und damit der Satzung der Versorgungseinrichtung auf ihn insofern nicht mehr anwendbar, als er daraus keinen Anspruch mehr ableiten könne.
Das Anspruchserfordernis der aufrechten Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte lasse sich eindeutig aus § 50 Abs. 2 Z. 2 lit. c RAO in Verbindung mit § 7 Abs. 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung ableiten (arg.: "Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft"). Da es beim Beschwerdeführer an diesem Anspruchserfordernis mangle, sei auf das von ihm vorgelegte ärztliche Attest und die Frage, ob bei ihm ein Gesundheitszustand vorliege, der eine Unfähigkeit zur Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt zur Folge habe, nicht mehr einzugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 50 Abs. 1 RAO, RGBl. Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 71/1999, haben jeder Rechtsanwalt und seine Hinterbliebenen bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.
Dieser Anspruch ist gemäß § 50 Abs. 2 RAO in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen.
Hiebei sind folgende Grundsätze zu beachten:
1. Anspruchsberechtigt sind nur Rechtsanwälte, die zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalls in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, ...
2. Voraussetzungen für den Anspruch sind
a) die Eintragung in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer durch insgesamt 10 Jahre; diese Frist erhöht sich auf 15 Jahre, wenn der Rechtsanwalt erstmals nach Vollendung seines 50. Lebensjahrs eingetragen worden ist. Für den Fall der Altersversorgung muss der Rechtsanwalt mindestens 5 Jahre ohne Unterbrechung unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalls eingetragen gewesen sein. Die Frist von 10 Jahren vermindert sich für den Fall der Berufsunfähigkeits- und der Hinterbliebenenversorgung auf 5 Jahre, wenn der Rechtsanwalt erstmals vor Vollendung seines 50. Lebensjahrs eingetragen worden ist;
...
c) Im Fall der Alters- und der Berufsunfähigkeitsversorgung der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft.
Nach § 50 Abs. 2 Z. 3 RAO wird jeder Versorgungsanspruch mit Ablauf des Monats wirksam, in dem alle Voraussetzungen des betreffenden Anspruchs erfüllt sind.
Gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung ist Bedingung für den Anspruch auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente die Zurücklegung der gemäß § 5 allenfalls geforderten Wartezeit (lit. a) und ein körperliches oder geistiges Gebrechen, welches den Rechtsanwalt dauernd zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig macht (lit. b), und der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer der Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente (lit. c).
Über das Vorliegen der Berufsunfähigkeit entscheidet gemäß § 7 Abs. 2 der Satzung die Rechtsanwaltskammer, allenfalls auch unter Bedachtnahme auf von ihr eingeholte Gutachten von ihr bestellter Vertrauensärzte. Die Kosten solcher Gutachten sind von der Rechtsanwaltskammer zu tragen.
Der Anspruch auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente beginnt gemäß § 7 Abs. 5 der Satzung bei Nachweis aller hiefür erforderlichen Voraussetzungen mit dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten.
Dem angefochtenen Bescheid liegt im Wesentlichen die Auffassung zu Grunde, dass derjenige, der eine Berufsunfähigkeitspension beantragt, zum Zeitpunkt des Antrages in die Liste der Tiroler Rechtsanwaltskammer als Rechtsanwalt eingetragen sein muss.
Diese Auffassung widerspricht allerdings dem eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 2 Z. 1 RAO, wonach anspruchsberechtigt nur Rechtsanwälte sind, die "zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalls" in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Schreiben vom 18. Dezember 2000 ausdrücklich vorgebracht, schon mehr als ein Jahr vor Zurücklegung der Anwaltschaft nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Er war also seinem Vorbringen zufolge zum Zeitpunkt des von ihm behaupteten Eintritts des Versorgungsfalles (hier: des Eintrittes der Berufsunfähigkeit) noch in die Liste der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingetragen. Mit der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt Berufsunfähigkeit des Beschwerdeführers vorlag, hat sich die belangte Behörde aufgrund ihrer verfehlten Rechtsauffassung nicht auseinander gesetzt.
§ 13 Abs. 1 der Satzung einschließlich seiner Präklusionsregelung betrifft die freiwillige Weiterversicherung. Daraus kann aber keine Präklusion eines Antrages auf Berufsunfähigkeitspension abgeleitet werden.
Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003. Eingabengebühr war nicht zuzusprechen, da der Beschwerdeführer von deren Entrichtung auf Grund der Bewilligung der Verfahrenshilfe befreit war.
Der Beschwerdeführer hat auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Im vorliegenden Beschwerdefall stand lediglich die Auslegung des § 50 Abs. 2 RAO sowie des § 7 der Satzung in Rede. Die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltsmomente stehen fest. Dass eine mündliche Erörterung von Sachverhaltsfragen eine weitere Klärung der allein entscheidungswesentlichen Rechtsfrage erwarten lässt, ist auch unter Berücksichtigung des Art. 6 MRK nicht ersichtlich. Von der mündlichen Verhandlung wurde daher gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Wien, am 28. Februar 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001100175.X00Im RIS seit
20.04.2005