TE OGH 1954/4/7 2Ob244/54

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Veröffentlicht am 07.04.1954
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Norm

ABGB §1040
ABGB §1295
Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen §1 ff

Kopf

SZ 27/90

Spruch

Nimmt ein Spediteur gegen den ausdrücklich erklärten Willen und gegen ein wiederholt ausgesprochenes Verbot des Versenders mit dem Gut nach eigener Willkür eine Verrichtung vor, so haftet er nach den Bestimmungen des ABGB. Die Allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen können nicht herangezogen werden.

Entscheidung vom 7. April 1954, 2 Ob 244/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die klagende Partei übergab am 27. März 1953 einer Wiener Speditionsfirma zwei fahrbare Maschinleitern zur Versendung an die X. Werke in G. Als sie am 30. März dort noch nicht eingelangt waren, gab Kurt S. namens der klagenden Partei der beklagten Partei den Auftrag, nach dem Verbleib der Sendung zu forschen und die Beteiligten von ihrer Ankunft umgehend zu benachrichtigen. Die beklagte Partei führte diesen Auftrag aus, ging aber weiter und streifte ungeachtet eines ausdrücklichen Verbotes das Gut den Empfängern zu. Da es auf dem Wege vom Bahnhof zum Lagerplatz durch unsachgemäßen Transport Schaden erlitten hat, lehnten die X. Werke die Übernahme ab. Die klagende Partei verlangte nun den Ersatz des entstandenen Schadens in der Höhe von 16.765.67 S samt Anhang. Beide Untergerichte gaben dem Klagebegehren statt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den Feststellungen der Vorgerichte hat Kurt S. der beklagten Partei lediglich den Auftrag erteilt, nach dem Verbleib der Leitern zu forschen und die X. Werke von der Ankunft umgehend fernmündlich zu benachrichtigen. Sie haben weiter festgestellt, daß Kurt S. ausdrücklich erklärt hat, daß die Leitern von den X. Werken selbst abgeholt werden und ihnen von der beklagten Partei nicht zugeführt werden dürfen. Soweit die Revision davon ausgeht, daß der beklagten Partei die Endbehandlung des der Wiener Speditionsfirma erteilten Transportauftrages übertragen wurde, steht sie mit den Feststellungen der Vorgerichte nicht im Einklang und muß insoweit unbeachtet bleiben.

Sowohl das Prozeßgericht als auch das Berufungsgericht haben der Einwendung der beklagten Partei, daß ihre Haftung im Sinne der Bestimmung des § 54 lit. a Z. 2 der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp.) auf den Betrag von 1500 S beschränkt sei, nicht Rechnung getragen und ihre über diesen Betrag hinausgehende Haftung mit dem Hinweis auf die Vorschrift des § 1040 ABGB. begrundet. Sie sind der Ansicht, daß die beklagte Partei den Transport nicht auf Grund eines von der klagenden Partei erhaltenen Transportauftrages, sondern gegen ihren ausdrücklichen Willen und gegen ihr Verbot durchgeführt hat. Hiedurch habe sie sich nicht nur ein fremdes Geschäft angemaßt, sondern auch den rechtmäßig Bevollmächtigten an der Besorgung des Geschäftes verhindert, so daß sie nach der erwähnten Gesetzesstelle den hiedurch erwachsenen und vorliegend geltend gemachten konkreten Schaden unter Verlust ihres Anspruches auf den gemachten, in natura nicht mehr zurücknehmbaren Aufwand zu ersetzen hat. Ob sie dieses Verbot infolge Unaufmerksamkeit eines ihrer Angestellten nur übersehen oder ob sie sich absichtlich darüber hinweggesetzt habe, sei unerheblich; jedenfalls hätte sie der Umstand, daß bei der Abholung der Leitern vom Bahnhof ein Frachtbrief nicht vorlag, zu besonderer Aufmerksamkeit veranlassen müssen. Das Revisionsgericht pflichtet dieser Rechtsansicht vollinhaltlich bei und kann insbesondere auch nicht in der Bestimmung der §§ 2 lit. a und 51 lit. a AÖSp. eine Unterstützung des Rechtsstandpunktes der Revisionswerberin erblicken. Denn die beklagte Partei haftet der klagenden Partei gegenüber nur insoweit, als sie als Spediteur in Anspruch genommen wird, nach den Bestimmungen der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen und ist auch nur insoweit ihre Haftung beschränkt. Soweit sie jedoch auf Grund einer mit dem Speditionsauftrag in keinem Zusammenhang stehenden Handlung zur Haftung herangezogen wird, wird sie eben nicht als Spediteur haftbar gemacht und kann sich daher auch nicht auf die nur dem Spediteur zugebilligte Haftungsbeschränkung berufen. Der Fall, daß ein Spediteur gegen den ausdrücklich erklärten Willen und gegen ein wiederholt ausgesprochenes Verbot handelt und mit dem Gut nach eigener Willkür eine verbotene Verrichtung vornimmt, ist in den Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen, in denen immer wieder vom "Auftrag", "Auftraggeber" u. ä. die Rede ist (§§ 1, 3, 4, 7, 13, 26, 39, 51 u. a.) nicht vorgesehen und geregelt; es müssen daher die einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches insoweit herangezogen werden. Die Revision übersieht, daß es sich hier nicht mehr um ein Verschulden innerhalb, sondern um ein Verschulden außerhalb der Vertragsverbindlichkeit handelt. Für diesen Fall trifft aber der von den Vorgerichten mit Recht herangezogene § 1040 ABGB. Vorsorge. Ob ein Auftrag des Geschäftsleiters oder eines Prokuristen vorlag oder andere Angestellte im Rahmen des ihnen erteilten Auftrages gehandelt haben, ist entgegen der Meinung der Revision völlig belanglos.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z27090

Schlagworte

Haftung des Spediteurs, Schadenersatz des Spediteurs, Spediteur verbotswidrige Handlung des -, Spediteurbedingungen, keine Anwendung bei verbotswidrigen Verrichtungen, Verbotswidrige Verrichtungen des Spediteurs

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00244.54.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19540407_OGH0002_0020OB00244_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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