Norm
ABGB §216Kopf
SZ 27/99
Spruch
Eine wegen Trunksucht beschränkt entmundigte Person kann zwangsweise in eine Trinkerheilstätte eingewiesen werden.
Entscheidung vom 14. April 1954, 1 Ob 252/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Hermagor; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Über Antrag der Tochter Dorothea R. und der Gattin Anna H. sprach das Erstgericht aus, daß Eduard H. wegen Trunksucht beschränkt entmundigt werde (Abs. 1), und dem Beistande gemäß § 4 Abs. 3 EntmO. die Verfügung über das vorbehalten werde, was sich der Entmundigte durch seinen Fleiß erwerbe (Abs. 3) und gemäß § 282 und § 233 ABGB. kuratelsbehördlich entschieden werde, daß der Entmundigte auf die Dauer von mindestens sechs Monaten in einer geschlossenen Entwöhnungsanstalt (Heilanstalt Klagenfurt) unterzubringen und einer Heilbehandlung zu unterziehen sei (Abs. 4).
Infolge Rekurses des Entmundigten änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß im Absatz 4 dahin ab, daß der Entmundigte in einer Entwöhnungsanstalt nicht unterzubringen sei. Im übrigen wurde der erstgerichtliche Beschluß bestätigt. Eine Person könne nach den §§ 16 ff. EntmO. im Zuge eines Entmündigungsverfahrens und ebenso auch nach der Entmündigung vom Pflegschaftsgericht nur dann in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden, wenn eine geistige Erkrankung vorliege. Trunksucht sei keine geistige Krankheit und deshalb könne sie nicht den Anlaß geben, eine wegen Trunksucht entmundigte Person in einer geschlossenen Anstalt zwangsweise unterzubringen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem vom Erstrichter gemäß § 15 AußstrG. erhobenen Revisionsrekurs Folge und stellte den vierten Absatz des erstgerichtlichen Beschlusses wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rechtsmittel ist nach § 15 AußstrG. jedenfalls zulässig, da es sich auf eine pflegschaftsgerichtliche Verfügung bezieht und einen Entmundigten betrifft, für den der Rechtsmittelwerber einen aus der Rekursentscheidung sich ergebenden unwiederbringlichen Nachteil besorgt. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Die Vorschriften der §§ 16 ff. EntmO. über das gerichtliche Verfahren bei Aufnahme einer Person in eine geschlossene Anstalt beziehen sich auf Einweisungen, die vor oder während eines Entmündigungsverfahrens notwendig werden. Das Anhaltungsverfahren mußte mit besonderen Sicherheiten ausgestattet werden, um zu verhindern, daß eine Person, ohne daß sie entmundigt wäre, auf unbestimmte Zeit in eine geschlossene Anstalt gebracht und ihrer Freiheit grundlos beraubt werde. Das Anhaltungsverfahren bezieht sich - wie das Rekursgericht mit Recht angenommen hat - auf Geisteskranke.
Für Personen, gegen die ein Entmündigungsverfahren wegen Trunksucht läuft, ist eine derartige zwangsweise zu verfügende Anhaltung in einer Trinkerheilanstalt nicht vorgesehen. Nach § 36 Abs. 1 EntmO. ist aber die Möglichkeit vorgesehen, daß sich der wegen Trunksucht zu Entmundigende freiwillig einer Entwöhnungsbehandlung unterzieht. Falls sich der zu Entmundigende auf Grund einer solchen Behandlung bessert, ist er nicht zu entmundigen. Anderenfalls ist mit der Entmündigung vorzugehen.
Beide Möglichkeiten betreffen aber nur Fälle, in denen die Entmündigung noch nicht ausgesprochen wurde, und können auf die nach der Entmündigung einsetzende pflegschaftsbehördliche Tätigkeit des Gerichtes nicht bezogen werden. Denn dann ist nicht mehr zu befürchten, daß eine Person noch vor der Klarstellung, ob überhaupt ein Entmündigungsgrund vorliegt, zu Unrecht Zwangsmaßnahmen unterworfen wird. Das Pflegschaftsgericht hat vielmehr alles zu unternehmen, was für den Entmundigten von Nutzen ist. Dieses Recht und diese Pflicht ergibt sich nicht aus der Entmündigungsordnung, sondern aus den §§ 216, 233 ABGB. (§ 282 ABGB., § 4 Abs. 3 EntmO.). Der für einen Trunksüchtigen bestellte Beistand hat nämlich die Rechte und Pflichten eines Vormundes und hat unter der Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes für den Entmundigten in persönlicher und wirtschaftlicher Richtung zu sorgen. Zu dieser Sorge muß auch die zwangsweise Entwöhnung vom Laster der Trunksucht gerechnet werden. Je nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung kann dies durch Einweisung in einer Trinkerheilstätte auf bestimmte Zeit oder auf andere geeignete Weise geschehen. Der Hinweis auf diese Möglichkeit, der schon in der Mitteilung im JMVBl. 1916, S. 438, enthalten ist, muß nach dem gesagten als zutreffend erkannt werden. Es ist also nicht so, wie das Rekursgericht annimmt, daß ein Trinker niemals mit Zwang in eine Trinkerheilstätte eingewiesen werden könnte (so auch Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 1937, S. 336, Bartsch in Klang,
1. Aufl. zu § 273, S. 1109 und wohl auch Sternberg, EntmO. I, S. 154; a. M. Seelig, JBl. 1950, S. 545).
Im vorliegenden Fall hat der ärztliche Sachverständige den Standpunkt vertreten, daß der Entmundigte freiwillig seine Trunksucht nicht aufgeben werde und daß er gezwungen werden müsse, mindestens eine sechsmonatige Entwöhnungskur mitzumachen. Mit Rücksicht darauf war der erstgerichtliche Beschluß zweckmäßig und das Rekursgericht hätte ihn auch in dieser Richtung bestätigen sollen.
Anmerkung
Z27099Schlagworte
Beschränkte Entmündigung, Einweisung in Trinkerheilstätte, Entmündigung beschränkte - wegen Trunksucht, Trinkerheilstätte, Einweisung, Trunksucht, EinweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00252.54.0414.000Dokumentnummer
JJT_19540414_OGH0002_0010OB00252_5400000_000