TE OGH 1954/4/28 1Ob149/54

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Veröffentlicht am 28.04.1954
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Norm

ABGB §861
ABGB §862
ABGB §1002
ABGB §1029
Handelsagentengesetz §6
Handelsagentengesetz §29
Handelsgesetzbuch §54

Kopf

SZ 27/110

Spruch

Bote oder Vermittlungsagent. Widerruf eines Antrages.

Entscheidung vom 28. April 1954, 1 Ob 149/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Vöcklabruck; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Die klagende Partei beantragt, den Beklagten zu verurteilen, Zug um Zug gegen Auslieferung der am 12. Juli 1952 bestellten Florenz-Waage X/20 kg, Elfenbein, mit Tütenhalter, geeicht, 3000 S samt 5% Zinsen seit 26. Oktober 1953 zu bezahlen. Sie grundet ihren Anspruch auf die folgende, vom Beklagten außer Streit gestellte Sachverhaltsdarstellung in der Klage:

Der Beklagte habe die Waage laut Auftragschein vom 12. Juli 1952, Auftr. Nr. 005991, bestellt. Im vorgedruckten Text dieses Auftragscheines heiße es: "Den mir frdl. erteilten Auftrag auf: ... habe ich vorbehaltlich Genehmigung meines Hauses übernommen."

Die Beschreibung der gekauften Waage, die Zahlungsbedingungen und die Lieferzeit, letztere mit prompt, seien in dem Bestellschein mit Tinte eingefügt. Noch am selben Tag habe der Beklagte das Geschäft zu stornieren versucht. Die klagende Partei sei damit nicht einverstanden und lediglich zu einem Entgegenkommen insofern bereit gewesen, als die Auslieferung der Waage bis Ende des Jahres zurückgestellt werden sollte. Dieser Vergünstigungsvorschlag sei jedoch vom Beklagten nicht beantwortet worden. Die Waage sei sodann im Oktober 1952 ausgeliefert, vom Beklagten aber nicht übernommen worden. Im weiteren Verlauf habe der Beklagte durch seinen Rechtsfreund mitgeteilt, daß er den Kaufvertrag vom 18. Juli 1952 deshalb nicht anerkenne, weil er noch am selben Tag, also zu einem Zeitpunkt storniert worden sei, zu dem die klagende Partei noch gar nicht im Besitze des erteilten Auftrages gewesen sein könne. Die beklagte Partei beantragt Abweisung des Klagebegehrens aus rechtlichen Gründen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, der Vertragsantrag sei vom Beklagten wirksam widerrufen worden, weil der Widerruf vor dem Antrag bei der klagenden Partei eingelangt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil vor allem ins Klare zu setzen sei, welchen Umfang die Handlungsvollmacht des für die klagende Partei einschreitenden Vertreters Ludwig O. gehabt habe. Für den Fall, als Ludwig O. überhaupt keine Handlungsvollmacht gehabt haben sollte, wäre er nur Bote der klagenden Partei gewesen, der deren Aufträge einzusammeln gehabt habe. In diesem Fall wäre der Antrag des Beklagten unter Abwesenden gestellt worden und es sei nach § 862 ABGB. die Erklärungsfrist des Adressaten abzuwarten gewesen. Der Antrag könne vor Ablauf der Annahmefrist nicht zurückgezogen werden. Das Storno der beklagten Partei wäre dann rechtsunwirksam. Sei Ludwig O. als Verkaufsvermittler (Abschlußagent) anzusehen, dann sei der Vertrag unter Anwesenden abgeschlossen worden und ein beiderseits vollkommen verbindlicher Kaufvertrag zustande gekommen. Auch in diesem Fall komme dem Storno der beklagten Partei keine rechtliche Bedeutung zu. Wenn aber Ludwig O. Vermittlungsagent gewesen sei, dann gelte nicht der Grundsatz des § 862 ABGB. Die Genehmigung durch den Geschäftsherrn könne vielmehr solange erfolgen, als der Antragsteller nicht gemäß § 865 Schlußsatz ABGB. eine Erklärungsfrist gesetzt habe und diese fruchtlos verstrichen sei. In diesem Fall wäre zwischen dem Beklagten und dem Reisenden des Klägers wohl ein Kaufvertrag unter Anwesenden abgeschlossen, jedoch von der aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht worden, daß der Kläger den Kauf genehmige. Solange diese Genehmigung nicht erfolgt sei, könne von einer Perfektion des Vertrags nicht gesprochen werden. Nun behaupte allerdings die klagende Partei, daß eine solche Genehmigung stattgefunden habe und zwar nach Angabe der klagenden Partei rechtzeitig. Jedenfalls wäre daher die Bindung der beklagten Partei, die etwa einen gleichgearteten Vorbehalt für sich nicht zum Ausdruck gebracht habe, an den Vertrag gegeben und ein Widerruf von ihrer Seite wirkungslos. Das Berufungsgericht hat sich auch mit der Frage befaßt, inwieweit ein gleichzeitig oder vor dem Antrag eingelangter Widerruf des Antrags seitens der beklagten Partei für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses von Bedeutung sei. Artikel 320 des früher in Geltung gestandenen Handelsgesetzbuchs habe vorgesehen, daß in einem solchen Falle der Antrag als nicht gestellt anzusehen sei. Eine gleichartige Bestimmung finde sich im geltenden Handelsgesetzbuch nicht, es gelte vielmehr nach § 346 HGB. Handelsbrauch. Nun sei eine Verkehrssitte etwa gleichen Sinnes mit Art. 320 AHGB. von der beklagten Partei gar nicht behauptet. Das Berufungsgericht hat sich daher auf die Vorschriften des AGBG. gestützt. Allerdings müssen diese Ausführungen dahin eingeschränkt werden, daß für den Fall, als Ludwig O. nur als Bote anzusehen sei, der im Art. 320 AHGB. ausgesprochene Gedanke deswegen zu gelten habe, weil das Vertrauen auf Treu und Glauben im redlichen Verkehr dann nicht zu schützen sei, wenn der Widerruf vor der Bestellung oder gleichzeitig mit derselben einlange, da in einem solchen Fall kein bereits erworbenes Recht durch die Bindung des Antragstellers an seinen Antrag geschützt zu werden brauche. Die Meinung des Erstgerichts, es widerspreche den guten Sitten, daß nur der Beklagte durch den mit dem Reisenden der klagenden Partei geschlossenen Vertrag habe gebunden sein sollen, die klagende Partei jedoch nicht, könne nicht geteilt werden. Eine Sittenwidrigkeit wäre unter Umständen anzunehmen, wenn die Bindung des Beklagten eine dauernde hätte sein sollen, während es im Belieben der klagenden Partei gestanden wäre, in jedem Zeitpunkt den Auftrag des Beklagten anzunehmen. Allein die erwähnte Vorbehaltsklausel müsse, wie eben dargetan, dahin ausgelegt werden, daß eine Bindung des Beklagten nur für die Dauer der begrenzten Erklärungsfrist der klagenden Partei bestehe. Auch der Ansicht des Ersturteils, der Beklagte wäre berechtigt gewesen, von einem Kaufvertrag wegen nicht prompter Lieferung zurückzutreten, könne nicht beigetreten werden. Die beklagte Partei habe sich nicht auf diesen Rücktrittsgrund gestützt, weshalb sich das Erstgericht mit diesem Umstand gar nicht habe auseinandersetzen brauchen. Um das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien vollständig zu klären, werde zu prüfen und festzustellen sein, welchen Umfang die Vollmacht des Agenten Ludwig O. gehabt habe, welchen Sinn die Parteien der auf der Bestelliste angebrachten Klausel über den Genehmigungsvorbehalt beigemessen haben und ob irgendeine Beschränkung der Vollmacht des Reisenden dem Beklagten bekannt gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekurs ist allerdings darin zu folgen, daß dann, wenn Ludwig O. bloß Bote gewesen wäre, ein Widerruf des Anbots durch den Beklagten solange möglich gewesen wäre, als der klagenden Partei der Antrag nicht zugekommen ist. Art. 320 Abs. 1 des alten Handelsgesetzbuchs, wonach dann, wenn der Widerruf eines Antrags dem anderen Teil früher als der Antrag oder zugleich mit demselben zugeht, der Antrag für nicht geschehen erachtet wird, ist zwar weder in die III. Teilnovelle zum ABGB. aufgenommen worden, noch enthält das geltende HGB. oder dessen Einführungsverordnung diesen Rechtssatz. Schon unter der Geltung des AHGB. war aber erkannt worden, daß Artikel 320 Abs. 1 nur etwas Selbstverständliches enthält und daß dieser Rechtssatz auch für Anträge zum Abschluß von Nichthandelsgeschäften galt (Oskar Pisko, Lehrbuch des österr. Handelsrechts, Wien 1923, S. 151; Ehrenzweig, Obligationenrecht, 1928, S. 133). Nunmehr kann nichts anderes gelten (Gschnitzer in Klang, 2. Auflage, zu § 862, S. 61). Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes ist also festzuhalten, daß dann, wenn O. Bote gewesen wäre, der Antrag insolange hätte zurückgezogen werden können, als er der klagenden Partei noch nicht zugekommen, d. h. durch den Boten noch nicht überbracht war.

Richtig ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß dann, wenn O. Abschlußvollmacht gehabt hätte der Kaufvertrag schon zwischen O. als abschlußbevollmächtigter Vertreter der klagenden Partei und dem Beklagten zustandegekommen und ein Storno daher nicht möglich gewesen wäre. Dazu ergibt sich allerdings aus der Bestellscheinklausel "vorbehaltlich der Genehmigung meines Hauses", daß O. nicht abschlußberechtigt gewesen ist, sodaß diese Möglichkeit ausscheidet.

Auch die den Ausführungen von Gschnitzer in Klang, 2. Auflage, zu § 862, S. 64, folgende Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, wonach der auch nicht abschlußberechtigte Geschäftsvermittler nicht als bloßer Bote angesehen werden könne, trifft zu. Gründe gegen ihre Richtigkeit vermag der Rekurs nicht vorzutragen. Sie entspricht der herrschenden Auffassung. Der Vermittlungsagent ist unmittelbarer Vertreter des Geschäftsherrn in der Entgegennahme der Offerte der Kunden (Staudinger, Kommentar zum BGB., 10. Auflage, § 164, Vorbem. Anm. 21). Er handelt bei der den Vertragsabschluß vorbereitenden Tätigkeit in Vertretung des Geschäftsherrn. Als Vertreter des Prinzipals nimmt er die Offerte der Kunden entgegen (RGZ. 51, 150). Die Bindung des Dritten tritt ein mit dem Wirksamwerden der Erklärung gegenüber dem Handelsagenten (Schmidt - Rimpler in Ehrenberg, Handbuch V/I/1, Leipzig 1928, S. 225, 219 f.; Georg Schröder, Recht der Handelsvertreter, Berlin 1953, S. 26).

Streitentscheidend ist also die Frage, ob Ludwig O. als bloßer Bote einer der beiden Vertragsparteien oder als Vermittlungsagent (allenfalls als mit der Geschäftsvermittlung betrauter Angestellter) der klagenden Partei aufgetreten ist. In dieser Beziehung fehlen in der Tat völlig verläßliche Feststellungen, wenn auch nach dem Augenschein des Bestellscheins und den Regeln des täglichen Lebens vieles, wenn nicht alles, dafür spricht, daß Ludwig O. als Vermittlungsagent der klagenden Partei beim Beklagten erschienen ist. Als Empfangsbote der klagenden Partei könnte Ludwig O. nur dann angesehen werden, wenn er dem Beklagten gegenüber nicht als Agent oder angestellter Vertreter der klagenden Partei aufgetreten ist und wenn er über die Bestellung nicht verhandelt hätte, sondern seine Rolle darauf beschränkt gewesen wäre, ein vom Beklagten einseitig verfaßtes und formuliertes Anbot entgegenzunehmen. Ist dagegen Ludwig O. als Geschäftsvermittler aufgetreten, so ist das Vertragsanbot des Beklagten durch Abgabe gegenüber dem zur Entgegennahme solcher Anbote ermächtigten Vermittler auch der klagenden Partei gegenüber wirksam und verbindlich geworden, sodaß ein nachträglicher Widerruf rechtlich nicht mehr möglich gewesen wäre.

Daß darin, daß der Besteller an seinen Antrag gebunden ist, während sich der Geschäftsherr die Genehmigung der von seinem Vermittler gesammelten Anträge vorbehält, kein Verstoß gegen die guten Sitten liegt, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Der Rekurs bekämpft diese Auffassung nicht mehr. Das gleiche gilt von der Auffassung des Berufungsgerichts, daß ein Rücktritt wegen nicht prompter Lieferung nicht stattgefunden hat.

Anmerkung

Z27110

Schlagworte

Antrag Widerruf Bote Bote Vermittlungsagent Offerte Widerruf Vermittlungsagent Vermittlungsagent Bote Widerruf eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00149.54.0428.000

Dokumentnummer

JJT_19540428_OGH0002_0010OB00149_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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